Seit mehr als 15 Jahren zählt Expertin Annette von Scholley-Pfab deutschlandweit ganz bestimmte Insekten. So wenig Individuen wie in diesem Jahr waren es dabei noch nie. Ihr Aussterben hätte weitreichende Folgen.
Schmetterlingsexpertin Annette von Scholley-Pfab hat seit 17 Jahren Tagfalter in einem bestimmten Gebiet im Blick – und in diesem Jahr zählte sie dort so wenige wie noch nie. Im Rahmen des deutschlandweiten Tagfalter-Monitorings vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung beobachtet sie von April bis September im Wochenrhythmus tagaktive Schmetterlinge. Seit 17 Jahren läuft Scholley-Pfab durch ihr Beobachtungsgebiet im grünen Münchner Süden. Was wir gerade erlebten, sei „das größte Artensterben seit den Dinosauriern“, so Scholley-Pfab.
Monitoring mit Notizbuch
Fünf festgelegte Abschnitte geht die Expertin in ihrem Beobachtungsareal nahe der Großhesseloher Brücke in München ab. Jeder Abschnitt ist 50 Meter lang. Alle Schmetterlinge, die in einem Korridor von etwa zweieinhalb Metern links und rechts neben ihr und bis in etwa fünf Metern Höhe flattern, bestimmt sie und notiert sie in ihr kleines rotes Notizbuch.
„Das ist ein Großes Ochsenauge“, erklärt die Schmetterlings-Beobachterin, als ein Falter – das Endstadium eines Schmetterlings – links am Wegrand vorbeiflattert. Anhand von Färbung und Muster der Flügel orientiert sie sich zuerst. Bei der Bestimmung könnten aber auch die Größe des Falters und das Flugverhalten Aufschluss geben. Ochsenaugen gehörten zu den wenigen Faltern, deren Vorkommen nicht rückläufig sei, sondern die sogar häufiger vorkämen, berichtet Scholley-Pfab.
Wenn kein einziger Falter zu sehen ist, wird dies als „Nullbegehung“ festgehalten. Das sei bei ihr in diesem Jahr schon vorgekommen, wenn auch nicht so häufig wie bei Kolleg:innen, sagt die Schmetterlings-Liebhaberin.
Zahlreiche bedrohte Arten bei Schmetterlingen
Insgesamt zählte sie in diesem Jahr so wenige Schmetterlinge wie noch nie, sagt Annette von Scholley-Pfab. Manche Bläulings-Arten seien in ihrem Bereich vom Aussterben bedroht. Seit sie vor mehr als 15 Jahren begonnen habe, seien zwei Arten in ihrem Beobachtungs-Areal ausgestorben: Kronwicken-Dickkopffalter und Rotbraunes Wiesenvögelchen.
Dass „2024 kein gutes Jahr für Schmetterlinge ist“, deckt sich mit den ersten Rückmeldungen des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV). Arten wie Mädesüß-Perlmuttfalter, Perlbinde und Zwergbläuling würden seit Jahren weniger und heuer kaum beobachtet, sagt Expertin Elisa Treffehn vom LBV.
Fehlender Lebensraum, aber auch Regen sind Gründe für Rückgang
Die aktuellsten veröffentlichten Zahlen des Tagfalter-Monitorings stammen von 2022. Insgesamt 227.531 Individuen sind laut oedippus, dem Jahresbericht des Tagfalter-Monitorings Deutschland, in jenem Jahr gezählt worden – weniger als in den Vorjahren (2021: 236.220). Ein Grund für den Rückgang vieler Falterarten sei der fehlende Lebensraum. Der übermäßige Eintrag von Stickstoff aus Landwirtschaft und Straßenverkehr sei ein wichtiger Grund, so Treffehn.
Auch viel und heftiger Regen wirke sich auf die Fortpflanzung von Insekten aus. Scholley-Pfab berichtet, sie habe von Kolleg:innen in Sachsen gehört, dass dort infolge von Hochwasser eine Art ausgestorben sei. In ihrem Gebiet, das nahe einer Gleisstrecke liegt, spiele das keine große Rolle, da in München das Wasser nur leicht über die Ufer der Isar getreten sei.
Rückgang von Schmetterlingen schadet dem Ökosystem
Eine sinkende Falter-Zahl habe Auswirkungen auf das Ökosystem, erklärt Scholley-Pfab. Schmetterlinge würden auch bei der Bestäubung von Pflanzen helfen. Außerdem dienten ihre Raupen Singvögeln als Nahrung. „Die Raupen sind weich und eine gute Proteinquelle“, so die Expertin. Um sie zu schützen, müsse man auf Insektizide verzichten und Biolandwirtschaft fördern. Im Bahnbereich sei jahrelang viel Glyphosat eingesetzt worden. Und wie kann man im eigenen Garten einen Beitrag zum Schmetterlingsschutz leisten? Die Antwort: wenig Rasen mähen und Kräuter anpflanzen.
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