Wie lässt sich am besten mit Misserfolgen im Job umgehen? Eine Coachin erklärt, was Enttäuschung und Selbstkritik auslöst, wie sich aus Misserfolgen lernen lässt, und wieso Wut nicht immer etwas Schlechtes ist.
Magdalena Kaminska arbeitet seit über zehn Jahren als systemische Coachin – mit Fokus auf problem- und lösungsorientierten Ansätzen. Sie unterstützt auch bei beruflichen Misserfolgen, wie etwa der Absage auf eine Bewerbung, einem gekippten Projekt oder gar der Verlust einer Anstellung.
Im Interview mit Zeit Online verrät Kaminska, wie man lernen kann, mit Misserfolgen umzugehen. Dabei empfehle es sich, Emotionen nicht immer zurückzuhalten: „Man sollte ruhig öfter wütend sein“, rät die Coachin.
Bei Misserfolgen im Job: Auf eigene Bedürfnisse hören
Erfährt jemand einen persönlichen oder beruflichen Misserfolg, so lohnt es sich laut Kaminska, erst einmal den Blick darauf zu richten, wie man in der Vergangenheit mit Rückschlägen umgegangen ist.
Strategien dafür habe jeder Mensch parat – als Beispiele nennt sie Anrufe, Zigaretten, Sport oder Eisessen. Ob die Ansätze aber hilfreich sind, steht laut der Coachin auf einem anderen Blatt. „Viele Menschen haben die Tendenz, sich in solchen Momenten zu bestrafen und kritisch mit sich umzugehen“, verdeutlicht Kaminska gegenüber Zeit Online.
Dabei rät die Coachin dazu, bei Misserfolgen in sich zu gehen und auf eigene Bedürfnisse zu hören. Beispielsweise solle man sich fragen, wie man es sich in der Situation trotzdem gut gehen lassen könne.
Einen bestimmten Rahmen, wie lang man enttäuscht sein darf, gibt es im Verständnis der Coachin nicht. Viel eher sei diese Zeit notwendig, um zu verstehen, was in der Situation des Misserfolgs geschehen ist.
Wie lässt sich aus Misserfolgen lernen?
Ist man nach einem Rückschlag nicht enttäuscht oder traurig, sondern wütend, solle man diese Wut ruhig öfter zum Ausdruck bringen: „Man kann ruhig öfter wütend sein. Man kann Energie daraus mitnehmen“, legt Kaminska gegenüber Zeit Online nahe.
Auf diese Weise falle es vielen leichter, noch einmal gedanklich in die betreffende Situation des Misserfolgs hineinzugehen – und Lösungen für künftige Situationen abzuleiten. „Wenn ich herausarbeiten konnte, inwiefern ich mir selbst im Weg gestanden habe, dann habe ich auch die Möglichkeit, das beim nächsten Mal anders zu machen“, rät die Coachin weiter.
So lohne es sich etwa, zurückzuschauen und sich zu fragen, was man aus vergangenen Situationen lernen kann. Die Coaching rät aber davon ab, zu viel zu analysieren – um nicht in dauerhaftem Grübeln zu versinken.
Was kann beim Verarbeiten helfen?
Besonders nahe gehen den meisten Menschen laut Kaminska Misserfolge, die sich darauf beziehen, dass man gefühlt abgelehnt oder infrage gestellt wird. Das könne schnell zu besonders kritischen Selbsturteilen führen wie „Ich bin nicht gut genug“ statt der rationaleren Bewertung „Ich habe es nicht gut genug gemacht“.
Das sei vor allem der Fall, wenn man sich sehr stark mit der betreffenden Tätigkeit identifiziert, auf die sich der Misserfolg bezieht. In solchen Fällen rät Kaminska, den Selbstwert eben nicht nur vom eigenen Wirken abhängig zu machen, wie etwa einem Beruf.
Die Coachin verweist auf das Konzept der Fünf Säulen der Identität des Psychologen Hilarion Petzold: Hierzu gehören Arbeit, materielle Sicherheit, das soziale Umfeld, aber auch Gesundheit sowie eigenen Werte und Ideale.
„Man sollte sich immer mal wieder fragen, auf wie vielen Säulen man gerade steht„, rät Kaminska. Die Idee dahinter: Erlebt man beispielsweise einen Misserfolg im Job, kann man sich noch auf andere Säulen stützen, um ihn zu verarbeiten.
Daran, dass sich Erfolg automatisch durch Mühe einstelle, glaubt Kaminska allerdings nicht: „Das ist der Mythos der Leistungsgesellschaft“, betont sie. Dieser suggeriere, dass man alles schaffen könne, wenn man sich nur ausreichend anstrenge. Doch die Coachin erklärt, dass nicht jede:r gleiche oder zumindest ähnliche Ausgangsbedingungen habe. „Geschlecht, Herkunft, sozioökonomischer Status beeinflussen unsere Möglichkeiten“, gibt Kaminska zu bedenken.
Verwendete Quelle: Zeit Online
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