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Facial Feedback: Wie Botox die Psyche beeinflusst

Botox Psyche
Foto: CC0 / Pexels - cottonbro studio

Botox im Gesicht formt nicht nur das Aussehen, sondern hat auch Einfluss auf unser Gehirn – mit positiven und negativen Folgen. Wissenschaftler:innen wollen den Effekt nutzen, um die Symptome von Depressionen und Borderline-Störungen zu lindern.

Botulinumtoxin (Botox) gilt als eines der stärksten bekannten Gifte überhaupt. Dennoch lassen es sich viele Menschen freiwillig unter die Haut spritzen. Denn in extrem niedrigen Dosierungen kann es unter anderem dazu verwendet werden, Falten zu glätten und somit bis ins hohe Alter vergleichsweise jung zu wirken.

Seine Anti-Aging-Wirkung erzeugt das Nervengift dadurch, dass es diejenigen Muskeln lähmt, die für die Entstehung von Falten verantwortlich sind. Damit einher geht jedoch auch eine Einschränkung der Mimik: Wer sich zu viel Botox spritzen lässt, kann Emotionen weniger deutlich zeigen. Der Effekt von Botox beschränkt sich aber nicht nur auf das Äußerliche.

„Mit Botox oder auch mit Fillern ist man in der Lage […] Emotionen zu verändern“, erklärt Psychiater Tillmann Krüger, der an der Medizinisches Hochschule Hannover den Effekt von Botox auf die Psyche untersucht, gegenüber der Tagesschau. Der Effekt trete dabei sowohl für positive als auch für negative Emotionen auf. Insgesamt hätten Menschen, die einige Gesichtsbehandlungen hinter sich haben, weniger starke Emotionen.

Wenn Botox das Gehirn austrickst

Warum Botox die Psyche beeinflusst, ist noch nicht eindeutig bestimmt. Einen Erklärungsansatz liefert die Facial-Feedback-Hypothese. Diese besagt, dass unsere Psyche bestimmte Gesichtsausdrücke automatisch mit entsprechenden Emotionen verknüpft. Das Gehirn merkt zum Beispiel, wenn die Muskeln im Gesicht ein Lächeln erzeugen, und kreiert dann die dazu passenden positiven Gefühle, so die Annahme.

Wenn aber jemand Botox im Gesicht hat, dann sind die Muskeln in ihrer Funktion eingeschränkt. Wer sich etwa „Krähenfüße“ in den Augenwinkeln behandeln lässt, lähmt damit einen Teil derjenigen Muskeln, die für ein authentisches Lächeln sorgen. Laut der Facial-Feedback-Hypothese mache dies auch die tatsächlich gefühlte Freude weniger intensiv. Andererseits ließen sich mit Botox auch unerwünschte negative Emotionen schwächen, was für die Therapie psychischer Erkrankungen genutzt werden könnte.

Ob die Facial-Feedback-Hypothese tatsächlich zutrifft, wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Eine Meta-Studie aus dem Jahr 2019, in der die Ergebnisse von 138 Studien zu dem Thema untersucht wurden, kam jedoch zu dem Schluss, dass Facial Feedback tatsächlich einen signifikanten, aber nur kleinen und variablen Einfluss auf das emotionale Empfinden habe.

Botox als Mittel gegen Depressionen?

Krüger untersucht, ob der Effekt von Botox auf die Psyche dabei helfen kann, die Symptome von Depressionen zu lindern. Mit dem Spritzen von Botox zwischen die Augenbrauen glättet er die sogenannte Zornesfalte seiner Patient:innen und will somit negatives Feedback ans Gehirn verhindern.

Laut Tagesschau hätten Tierversuche bereits gezeigt, das Botox im Gesicht von Mäusen deren Depressionen mindert, und auch den Patient:innen von Krüger soll es nach der Gesichtsbehandlung besser gehen.

Außerdem habe der Mediziner gemeinsam mit Kolleg:innen im August 2022 bereits eine Studie veröffentlicht, wonach eine Botox-Behandlung starke negative Gefühle von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung dämpfen würde.

Noch ist das von Krüger eingesetzte Verfahren auch keine Kassenleistung und darf nur in sogenannten Heilversuchen angewendet werden, die entweder selbst bezahlt werden oder im Rahmen einer Studie stattfinden.

Krüger hat außerdem Verbindungen zum Unternehmen Allergan, das unter anderem Botox herstellt, und war ehemals Mitglied deren Advisory Boards, also in bezahlter, beratender Funktion für Allergan tätig. An der Finanzierung der Studien, die diesem Utopia-Artikel zugrunde liegen, war das Pharmaunternehmen aber nicht beteiligt.

Auch ist noch nicht ganz geklärt, ob sich der Effekt allein auf das Facial Feedback zurückführen lässt oder ob Wirkstoffe im Botox das Gehirn auch direkt beeinflussen. Hier ist weitere Forschung nötig.

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