Sich von der Klimakrise bedroht fühlen, aber trotzdem mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen – und Fleisch essen. Wie passt das zusammen? Ein Psychologe erklärt, was Grundkonflikte mit Menschen machen und wie es zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt.
Fernreisen, Fleischkonsum, Fast Fashion: Umwelt- und Klimaschutz fällt nicht jedem Menschen leicht. Widersprüchliche Entscheidungen, wie etwa in den Urlaub fliegen trotz Sorge um die Zukunft der Erde, sind eher die Regel als die Ausnahme. Warum verhalten sich Menschen so? Im Spiegel-Interview erklärt Claus-Christian Carbon, Professor für Psychologie an der Universität Bamberg, die Zusammenhänge.
Laut Carbon haben Menschen unterschiedliche – und damit auch widersprüchliche – Bedürfnisse. Sie entwickeln Strategien, damit klarzukommen. Als Beispiel nennt er den Umgang mit Süßigkeiten: Wer sich den Verzehr von Kuchen etwa versagt, wird bei einer Geburtstagsfeier den Grundkonflikt umdeuten. Sich also eine Ausnahmeregelung – Kuchen gehört zu einer Feier dazu – zurechtlegen. „Man bucht sein Verhalten sozusagen auf ein anderes mentales Konto. Oft passiert das unbewusst“, so der Psychologe.
Zwang oder Selbstbetrug
Was man als Selbstbetrug bezeichnen kann, hält der Experte ein Stück weit für gesund. Wer sich konsequent zu etwas zwingen müsse, verliere an Lebensqualität – auf die Gefahr hin, krank zu werden. Gleichzeitig können Menschen mit Blick auf die Klimakrise diese Umdeutung eines Konflikts bewusst für sich nutzen.
Carbon nennt ein weiteres Beispiel: „Wer etwa mit dem Fahrrad statt dem Auto zur Arbeit fährt, erlebt mehr von der Natur und tut zugleich etwas für den Körper. Auf das Auto zu verzichten, wird so zu einem persönlichen Gewinn umgedeutet. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, Fahrten mit dem Fahrrad dauerhaft durchzuhalten.“
Perfektionismus oder die „richtige Richtung“?
Außerdem solle man sich fragen, worin das eigene Bedürfnis wirklich besteht. Ist es der Pauschalurlaub am Strand, für den es einen klimaschädlichen Fernflug braucht, oder doch die gemeinsame Zeit mit Familie und Freund:innen, die möglicherweise umweltfreundlicher gestaltet werden kann. Was jedem Individuum Glück bereitet, könne nur jede:r für sich selbst beantworten, sagt der Psychologe.
Er warnt vor der Vorstellung, alle Menschen müssten dieselben richtigen Entscheidungen treffen. „Würden alle dasselbe wollen und wäre jede Entscheidung nur für die Gemeinschaft gut, grenzt das für mich an eine Dystopie. Es würde nämlich bedeuten, dass es keine Nischen mehr gibt. Einheitliche Systeme sind jedoch auf Dauer instabiler als andere.“
Vielmehr müssten viele unterschiedliche Lösungsansätze ineinandergreifen und miteinander zurechtkommen. Es ginge nicht darum, Perfektionismus anzustreben, sondern sich in die „richtige Richtung“ zu bewegen, so der Experte weiter.
Verwendete Quelle: Spiegel
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