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Foltern für den Naturschutz? Heftige Vorwürfe gegen deutsches Prestigeprojekt

Foltern für Naturschutz?
Foto: CC0 / Pexels - Daniel Duarte (Symbolbild)

Jüngste Recherchen deuten auf Menschenrechtsverstöße durch Artenschutzprojekte hin, die vom deutschen Staat finanziell gefördert werden. Indigene Betroffene in der Republik Kongo berichten unter anderem von Folter und Vergewaltigung.

Mit dem Legacy Landscapes Fund (LLF) möchte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) dem globalen Verlust der Artenvielfalt entgegenwirken. Doch Recherchen lassen nun den Verdacht aufkommen, dass dabei auch gravierende Menschenrechtsverletzungen gefördert wurden. Die Tagesschau hat zwei Projekte in der Republik Kongo und in Bolivien untersucht. In beiden Fällen übten Indigene heftige Kritik am Vorgehen der zuständigen Organisationen.

Indigene im Kongo berichten von Gewalttaten

Der Jäger Mingo Bernard von der indigenen Gemeinschaft der Baka behauptet in dem Bericht, dass Parkranger:innen ihn und drei andere Männer im Jahr 2021 einer Waterboarding-Folter unterzogen hätten. Sie seien in einen Fluss gedrückt worden, um so ihr Ertrinken zu simulieren. „Das Wasser war voller Blut von meinem Körper. So, wie wenn man ein Tier schlachtet“, schildert Bernard seine Erfahrungen gegenüber der Tagesschau.

Jene Parkranger:innen werden durch den von Deutschland mitfinanzierten LLF bezahlt, um etwa Gorillas und Waldelefanten zu schützen. Doch Bernard bezeichnet sie als „Banditen“ und „schlechte Menschen“. Sie hätten ihn mit der Begründung gefoltert, dass er zu tief in einen besonders geschützten Bereich des Odzala-Kokua-Regenwaldes vorgedrungen sei, einem der ältesten Nationalparks Afrikas.

Laut Tagesschau ist der Park in mehrere Zonen eingeteilt. Die indigenen Baka ernähren sich seit Generationen von den Tieren und Pflanzen des Waldes, dürften nun aber nur noch die Randzone zur Nahrungssuche nutzen. Bernard fürchtet dem Bericht zufolge, erneut Opfer von Gewalt zu werden, wenn er zu tief in den Wald gehe. Seine Forderung: „Deutschland sollte die Parkranger nicht mehr finanzieren.“

Andere Einheimische in der Gegend rund um den nahegelegenen Ort Badekok berichten laut Tagesschau von weiteren Gewalttaten: Eine Frau schilderte ihre Vergewaltigung, ein Mann zeigte Narben auf seinem Rücken, die er von einer Folter durch brennende Fackeln erlitten habe. Außerdem gebe es Berichte von Schlägen, Fesseln, Raub und Brandschatzung.

Entwicklungsministerium bestätigt Menschenrechtsverstöße

Gegenüber der Tagesschau bestätigte das Entwicklungsministerium, von Vorwürfen zu Menschenrechtsverstößen zu wissen. Der Verdacht habe sich „im Laufe der Untersuchungen in zwei Fällen erhärtet“, heißt es. Die Non-Profit-Organisation African Parks, die mit dem Schutz des Nationalparks beauftragt wurde, habe daraufhin mit „internen Untersuchungen“, „Entlassungen“ und „menschenrechtlichen Auffrischungstrainings“ reagiert und die Fälle an die kongolesische Justiz übermittelt.

Zweifelhafter Umweltschutz auch in Bolivien

Auch die Unterstützung des LLF für den Madidi-Nationalpark in Bolivien wird von Einheimischen kritisiert. Denn fast die Hälfte der Fördergelder gehen laut Tagesschau an die staatliche Naturschutzbehörde SERNAP. Der bolivianische Staat erlaubt jedoch den Einsatz von umweltschädlichem Quecksilver im Bergbau. Schon jetzt seien die Zuflüsse des Madidi mit Quecksilber belastet. Die Ese Ejjas, die am Rande des Parks leben und vom Fischfang abhängig sind, seien dadurch bedroht.

Oscar Lurici, ein Mitglied der indigenen Gemeinschaft klagt laut Bericht: „Wir haben Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel und manchmal plötzlichen Sehverlust. Wir spüren also schon die Auswirkungen der Quecksilberverschmutzung in unseren Flüssen, weil wir viel Fisch konsumieren.“

Außerdem gebe es illegalen Bergbau, den die lokalen Ranger:innen aber nicht melden könnten, ohne Repressalien von der SERNAP befürchten zu müssen. So habe ein Ranger erklärt, er sei zwangsversetzt worden, nachdem er sich kritisch über Goldbergbau in der Gegend geäußert habe. Laut dem Bericht möchte SERNAP, dass solche Vorfälle „von jetzt an nicht mehr passieren“. Schließlich sei es die Aufgabe der Behörde, Strafverfahren gegen illegale Goldgräber in Madidi einzuleiten.

Risiken waren wohl bekannt

Die Tagesschau berichtet auch von internen Dokumenten aus dem BMZ, laut derer die Menschenrechtsrisiken bei der Finanzierung des LLF schon früh bekannt gewesen seien. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die bei dem Projekt mit dem Ministerium zusammenarbeitet, habe die Risiken der Förderung etwa als „potenziell hoch“ eingeschätzt und dabei besonders auf die Gefahren für indigene Gemeinschaften verwiesen.

Dem Ministerium zufolge seien durch den LLF jedoch „zahlreiche Maßnahmen erfolgreich umgesetzt“ worden. So ermögliche der Fonds pro Jahr über 2.200 Kindern in der Republik Kongo an Umweltschulungen teilzunehmen. In Bolivien werde unter anderem die Produktion von umweltfreundlichem Schattenkaffee und Vikunja-Wolle unterstützt.

Das steckt hinter dem LLF

Der LLF soll ausgewählte Schutzgebiete in sogenannte Entwicklungs- und Schwellenländern mit langfristigen Finanzierungen dauerhaft erhalten. Dafür fließen pro Jahr eine Million US-Dollar in jedes der Gebiete. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) erklärt den Nutzen des Fonds auf der Website des BMZ wie folgt:

„Mit dem Weltnaturerbefonds unterstützen wir herausragende Naturräume weltweit. Die Schutzgebiete in Entwicklungsländern brauchen eine verlässliche langfristige Finanzierung und Verwaltung, für Natur- und Klimaschutz, aber auch als Lebensunterhalt für die Menschen vor Ort.“

Laut Tagesschau hat Deutschland bereits 182,5 Millionen Euro für den LLF zugesagt, teils auch schon investiert. Auch Frankreich, Norwegen und private Akteur:innen geben Geld in den Fonds.

Verwendete Quellen: BMZ, Tagesschau, LLF

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