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Fragwürdige Pestizide: Wieso gibt die UN-Organisation FAO sie massenhaft frei?

Pestizide FAO
Foto: CC0 Public Domain - Pexels/ Rosyid Arifin, Jin Mamengni/XinHua/dpa

Eigentlich sollten Pestizide nur als "letztes Mittel" verwendet werden, so lautet die Haltung der UN-Ernährungsorganisation FAO. Doch eine Recherche deckt auf, dass sie umstrittene Pestizide massenhaft für eigene Projekte freigibt.

Die UN-Welternährungsorganisation FAO hat Pestizide mit umstrittenen Wirkstoffen freigegeben, um sie bei eigenen Projekten im globalen Süden zu verwenden. Die Freigabe gelte für mehr als 100 Lieferungen in mehr als 30 Länder, berichtet ARD. Sie betrifft unter anderem die Pestizidwirkstoffe Thiram, Acetochlor, Atrazin und Paraquat, welche in der EU verboten sind, weil sie als toxisch für die menschliche Gesundheit beziehungsweise die Umwelt gelten. 

Außerdem wurden seit 2020 zahlreiche Lieferungen für chemische Pestizide genehmigt, die in der EU nicht verboten sind – insgesamt also über 300. Die FAO wird von Qu Dongyu geleitet, der chinesische Generaldirektor wurde am Wochenende wiedergewählt.

Die FAO ist eine UN-Sonderregierungsorganisation. Ihr offizielles Ziel ist es, den Hunger weltweit zu bekämpfen und den Lebensstandard vor allem der Menschen in ländlichen Gebieten zu verbessern.

Lieferungen gingen nach Afrika, Asien und Ozeanien

Bekannt wurde die Pestizid-Freigabe durch die gemeinsame Recherche der öffentlich-rechtlichen Sender BR, MDR, rbb und SWR. Wie interne Dokumente belegen, gingen die Lieferungen nach Afrika, Asien und Ozeanien. Bei den einzelnen Ländern handelt es sich sowohl um afrikanische Länder (zum Beispiel Malawi, Sambia, Kamerun und Nigeria) als auch um asiatische (zum Beispiel Afghanistan, Aserbaidschan und die Philippinen) und ozeanische (Fidschi-Inseln und Kiribati). Für das europäische Georgien gab es wohl besonders viele Lieferfreigaben. 

FAO will Abhängigkeit von Kleinbäuer:innen von Pestiziden reduzieren

Seit Langem ist es das erklärte Ziel der FAO, die Abhängigkeit von Kleinbäuer:innen im Globalen Süden von Pestiziden zu reduzieren. Wie die massenhaften Lieferungen hierzu passen, bleibt fraglich. Zudem kommuniziert die FAO seit langem, dass chemische Pestizide nur als „letztes Mittel“ eingesetzt werden sollen. 

Ungeklärt ist ebenfalls, wie die großen Mengen an Pestizid-Lieferungen in das FAO-Konzept des Integrierten Pflanzenschutzes (IPM) passen. Qu Dongyu betont dieses Konzept bei allen sich bietenden Gelegenheiten. Der Ansatz: Möglichst widerstandsfähige Sorten zu wählen und Schädlinge mit biologischen Mitteln zu bekämpfen. 

Viele gelieferte Pestizide stammten von chinesischem Staatskonzern Syngenta

Seit Amtsantritt von Qu Dongyu schloss die FAO Partnerschaften, die von Beobachter:innen kritisch gesehen werden. Eine der Partnerschaften ist die mit dem Verband der Agrarchemie, Croplife, sowie eine direkte Partnerschaft mit dem Agrarchemiekonzern Syngenta, der inzwischen zum chinesischen Staatskonzern wurde.

Croplife erklärte öffentlich, keine Kenntnis von diesen massenhaften Lieferungen gehabt zu haben. Von den Pestizid-Lieferungen, die Unternehmen zugeordnet werden konnten, stammte die überwiegende Mehrheit von Syngenta – zu diesem Ergebnis kommt die ARD-Recherche. Viele gelieferte Produkte stammten außerdem von der deutschen Bayer AG.

Auf Anfrage der ARD zu ihren Recherchen erklärte die FAO nur ausweichend, dass die Pestizide im Empfängerland zugelassen sein müssten. Außerdem könnten Pestizide der WHO-Gefahrenklasse II (moderately hazardous) nur verwendet werden, wenn es keine sichere Alternative gäbe. Wieso die Anwendung chemischer Pestizide in mehr als 300 Fällen unvermeidbar war, erklärte die Organisation nicht.

Expert:innen fordern mehr Transparenz

Expert:innen fordern nun mehr Transparenz, um das Vertrauen in die FAO wieder zu stärken. Unter ihnen Hans Dreyer, der frühere Leiter der FAO-Division für Pflanzenproduktion und Pflanzenschutz, die auch für die Pestizide zuständig ist. Er zeigte sich über die massenhafte Lieferung schockiert. So etwas habe es zu seiner Zeit nicht gegeben, sagte er der ARD. 

Keith Tyrell, Mitglied in mehreren FAO-Expertengremien, forderte die Organisation dazu auf, Rechenschaft darüber ablegen, wofür sie öffentliche Gelder ausgibt. 

Instrumentalisiert China die FAO?

Deutschland zählt zu den größten Geldgebern der FAO. Renata Alt, FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, sagte der ARD nach Veröffentlichung der Recherche: „Wenn ein Anfangsverdacht besteht, dass unser systemischer Rivale China die FAO für eigene politische Zwecke nutzt, müssen wir uns ernsthaft fragen, inwiefern eine weitere Finanzierung der FAO angemessen ist.“

Alt hält eine öffentliche Debatte zu dem Thema für sehr wichtig. Nach so einem Bericht könne nicht einfach zur Tagesordnung übergangen werden. Stattdessen müsse sehr genau beobachtet werden, wie deutsche Steuergelder genutzt würden, ergänzt sie. 

Verwendete Quellen: ARD, BR

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