Sexuelle Belästigung und Sexismus beim Arzt sind keine Einzelfälle – das deckt ein Twitterthread auf. Unter dem Hashtag „#FrauenbeimArzt“ haben zahlreiche Betroffene von ihren Erfahrungen berichtet.
Trigger-Warnung: Die folgenden Inhalte beschreiben teils sexuelle Übergriffe. Die Texte können belastend sein.
Die österreichische Influencerin Joanalistin hat vor kurzem den Hashtag #frauenbeimarzt ins Leben gerufen. Darunter bittet sie ihre fast 11.000 Follower, persönliche Erfahrungen zu teilen: „Ich würde gerne sichtbar machen, welche sexualisierten oder erniedrigenden Erfahrungen Frauen bei ihren Arztbesuchen erlebt haben.“ Der Tweet vom 14. Januar wurde inzwischen fast 4.500 mal geliked und Joanalistin hat bereits über 1.000 Antworten erhalten.
#FrauenbeimArzt: Frauen berichten von Sexismus und Übergriffen beim Arzt
Viele Frauen haben auf Twitter von sexueller Belästigung berichtet, zum Beispiel bei der Brustkrebsvorsorge: „Sie haben schöne Brüste. Zum Abtasten“, zitiert eine Userin einen Frauenarzt.
Auch bei einem Orthopäden hat eine Userin sexuelle Übergriffe erlebt. Sie berichtet: „Wegen lädiertem Knie beim Orthopäden, ohne Hose auf der Liege. Bei der Untersuchung hat er weit den Oberschenkel nach oben gestrichen und mehrmals gesagt, was für schöne Beine ich hätte. Nix zum Knie.“ Ähnliche ungewollte „Komplimente“ haben auch andere Userinnen erhalten. Einige erzählen auch davon, dass sie ohne offensichtlichen Grund aufgefordert wurden, sich auszuziehen.
Über sexistische Kommentare zu ihrem Aussehen berichtet auch eine weitere Userin: „Mein erster Frauenarzt hat zu mir gesagt, ich sei zu fett für einen Freund, ich brauche die Pille noch nicht.“
Fehldiagnosen für Frauen werden immer öfter thematisiert
Der Hashtag #frauenbeimarzt zielt vor allem auf sexualisierte oder erniedrigende Erfahrungen ab, die Frauen in Arztpraxen machen mussten. Doch viele Twitter-Unserinnen nutzen den Hashtag auch, um darauf aufmerksam zu machen, dass ihre Symptome und Beschwerden nicht ernst genommen wurden – teils mit gefährlichen Konsequenzen. Eine Userin berichtet zum Beispiel, dass ein Arzt die Beschwerden ihrer Mutter (Blähbauch und starke Schmerzen) als Gastritis abgetan habe und auf eine weiterführende Untersuchung verzichtet habe. „In Wirklichkeit hatte sie Eierstockkrebs im fortgeschrittenen Stadium“, scheibt die Userin.
Diese Fehldiagnosen werden online immer öfter Thema. Auch der Instagram-Account maedelsabende hat vor einiger Zeit Symptome und Diagnose von Patientinnen zusammengefasst – sowie die tatsächliche, schwerwiegende Ursache. Der Kanal Funk hat einige Beispiele in einem Post zusammengefasst.
Dass Mediziner:innen die eigenen Symptome falsch deuten oder herunterspielen, muss natürlich nicht nur Frauen passieren. Doch was die medizinische Behandlung angeht, sind Frauen teils benachteiligt – meist aus historischen oder strukturellen Gründen. Ein Beispiel: Frauen, die einen Herzinfarkt erleiden, haben geringere Überlebenschancen. Das liegt laut Gertraud Stadler, Leiterin des Instituts für Geschlechterforschung in der Medizin (GiM), unter anderem daran, dass die Symptome für einen Herzinfarkt bei Frauen weniger bekannt sind als die bei Männern: Männer erleben ein Engegefühl in der Brust, Armschmerzen, Atemnot und Brustschmerzen, Frauen dagegen verspüren Rückenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen oder Ziehen im Oberbauch.
Utopia meint: Wir müssen Aufmerksamkeit schaffen
Bei #frauenbeimarzt geht es nicht darum, die männliche Ärzteschaft pauschal zu verurteilen – aber allein die Anzahl der Rückmeldungen zeigt, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Daran kann sich erst etwas ändern, wenn wir mehr Bewusstsein für das Problem schaffen – und die jeweiligen Ärzt:innen zur Rechenschaft gezogen werden.
Opfer von sexueller Gewalt oder Belästigung sollten bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft Anzeige erstatten. Zusätzlich können sie bei der Ärztekammer schriftlich Beschwerde einreichen. Die Kammer des jeweiligen Bundeslandes kann ein berufsrechtliches Verfahren gegen den Arzt einleiten was in letzter Konsequenz zum Entzug der Approbation führen kann – das erklärt Markus Hüttmann von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) gegenüber dem Stern.
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