Utopia Image

Gestohlen, gemästet, erstickt: Wie Tierschützer:innen gegen die Welpenmast in Vietnam kämpfen

Hundemast in Vietnam
Foto: CC0/Unsplash/Stas Svechnikov (Symbolbild)

Sie werden ihren Besitzer:innen gestohlen, in Reisebussen geschmuggelt und stecken sich dabei nicht selten gegenseitig mit Krankheiten an: Hundewelpen sind in Vietnam heiß begehrt – besonders weil Hundefleisch als beliebte Delikatesse gilt. Tierschützer:innen wollen Akteure nun zum Umdenken bewegen – und locken mit Belohnungen.

Fast liebevoll streichelt Tran Minh Hau einen hellbraunen Hundewelpen. Es ist das letzte Mal, er wird das Tier nicht wiedersehen. Aber statt zum Schlachthof und in den Kochtopf geht es für das Hundekind in ein Tierheim – in der Hoffnung, dass es adoptiert wird und somit doch noch eine Chance auf ein würdiges Leben hat. Ein solches Happy End ist im Hunde- und Katzenfleischhandel Vietnams aber noch die große Ausnahme.

Tierschützer:innen der Organisation Humane Society International (HSI) haben Hau überzeugen können, sein Business – eine sogenannte „Welpenmastfarm“ – zwei Stunden nördlich der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi aufzugeben. Dafür bekommt er eine finanzielle Förderung, umgerechnet mehr als 7000 Euro, wie HSI-Expertin Lola Webber sagt. Das ist viel Geld in dem südostasiatischen Land und genug, um sich etwas Neues aufzubauen. 

Fünf Millionen Hunde pro Jahr 

„Das Ernten von Bohnensprossen und Süßkartoffeln wird viel friedlicher sein, als Welpen für die Schlachtung zu mästen“, zitierte HSI einen anderen Farmer, der ebenfalls aus dem Geschäft aussteigen will. „Und es ist viel besser für meine mentale Gesundheit, da ich weiß, dass ich kein Leid verursache.“ 35 Hunde können die Aktivist:innen an diesem Tag auf der Farm von Tran Minh Hau befreien – und auf einer weiteren Farm gleich noch mal so viele. 

Nach Schätzungen der Tierschutzorganisation Vier Pfoten schlachten Akteure in Vietnam jährlich mindestens fünf Millionen Hunde und eine Million Katzen für den menschlichen Verzehr. Auch in anderen Ländern wie China und Südkorea blüht das Geschäft. Die nordvietnamesische Provinz Thai Nguyen, in der Hau lebt, ist ein Hotspot dieses Handels.

Sogar Haustiere werden gestohlen

Die Tiere werden dort mit fragwürdigen Methoden eingefangen: Oft ködern Hundefänger:innen die Streuner auf den Straßen mit Giftködern, Elektroschockern oder Seilen. Andere schmuggeln die Welpen nach HSI-Angaben in Lastwagen und Bussen aus umliegenden Ländern wie Kambodscha ins Land. Aber auch vor Haustieren machen die Händler:innen keinen Halt. Als Reaktion haben wütende Dorfbewohner:innen schon Hundediebe ermordet.

„Geliebte Haustiere werden ihren Familien gestohlen, Hunde geschlagen und in enge Käfige gezwängt, um Hunderte von Kilometern transportiert zu werden, dann setzt man ihnen das Messer an die Kehle oder sticht es ihnen ins Herz, vor den Augen anderer Hunde“, beschreibt die Organisation Animal Asia auf ihrer Webseite das Martyrium. „Jeder Aspekt des Handels ist mit extremer Grausamkeit verbunden.“

Um Kontrollen zu entgehen, schmuggeln Händler:innen die Tiere unter anderem im Gepäckraum von Reisebussen zum Zielort, heißt es in einem neuen Bericht von „Vier Pfoten“. Sie werden dabei so eng zusammengepfercht, dass sie kaum Luft bekommen. Geschweige denn, sich bewegen können. 

Viele sind am Ende der Reise erstickt, andere an Dehydrierung oder Hitzschlag gestorben. „Was wir bei unserer Untersuchung gesehen haben, ist an Grausamkeit gegenüber Haustieren kaum zu übertreffen“, schreiben die Tierschützer:innen.

Was geschieht auf den Mastfarmen?

„Puppy fattening farms“ (Welpenmastfarmen) sind eine Art Zwischenstation. Hier werden die Hunde auf den späteren Verzehr vorbereitet. Schließlich müssen sie ein paar Kilos auf die Waage bringen, um als Hundefleisch verkauft werden zu können. Als „thịt chó“ wird die Spezialität dort angepriesen, Vietnamesisch für Hundefleisch.

Auf den Farmen siechen die Tiere in kleinen Betonzwingern oder Käfigen dahin, während sie mit Reisbrei und Schweinehirn gefüttert werden. Groß und kräftig sollen sie werden, damit am Ende die Kasse klingelt. Bis zu 2,5 Millionen Vietnamesische Dong (rund 90 Euro) kann ein Tier einbringen. 

Etwa vier Monate blieben die Hunde durchschnittlich bei Hau. „Ich hatte jedes Mal Mitleid, wenn ich sie dann in den Handel geschickt habe“, erzählt der 35-Jährige. „Ich habe ja jeden Tag Zeit mit ihnen verbracht, und mit der Zeit sind wir uns näher gekommen.“ Früher habe er selbst Hundefleisch gegessen, gibt er zu, aber er habe mittlerweile damit aufgehört.

Angst vor Ausbreitung der Tollwut

Neben der Qual der Tiere gibt es noch eine weitere Sorge: Der unkontrollierte Massentransport ungeimpfter Tiere unter stressigen und unhygienischen Bedingungen erhöht das Risiko von Zoonosen. Gehirnproben von Hunden auf Schlachthöfen wurden zuletzt positiv auf das Tollwutvirus getestet. 

Die Regierung befürchtet eine Ausbreitung der Krankheit und erließ vor einigen Monaten eine Richtlinie, in der die lokalen Behörden angewiesen wurden, Tollwutprävention und -kontrolle strikt umzusetzen. HSI-Experte Quang Nguyen sagt: „Der Handel mit Hundefleisch in Vietnam ist nicht nur eine Katastrophe für den Tierschutz, sondern auch unvereinbar mit den Bemühungen zur Ausrottung der Tollwut bei Hunden.“

Tierschützer:innen und Behörden arbeiten zusammen

Die Organisation hat mittlerweile mit mehreren Lokalregierungen Vereinbarungen getroffen, um Unternehmen vom Handel mit Hunde- und Katzenfleisch abzubringen sowie Tollwutimpfungen und Aufklärungskampagnen zu fördern. Ziel ist es, den Konsum in den bisherigen Hochburgen irgendwann komplett zu unterbinden. 

Farmer Hau konnten sie bereits überzeugen. „Ich möchte nicht länger im Hundefleischhandel tätig sein“, sagte er. „Ich weiß um die Gefahren von Tollwut und anderen Krankheiten – und ich möchte das weder für meine Familie noch für meine Gemeinde.“

Utopia meint

Der Verzehr von Hunden ist bei uns in Europa kaum vorstellbar. Aber auch hier werden Tiere für den Verzehr gemästet und unter widrigsten Umständen gehalten und getötet. Dabei handelt es sich zwar nicht um Hunde – aber Schweine oder Kühe leiden deshalb nicht weniger. Missstände sollten deshalb unabhängig von der Spezies angeprangert und Verbesserungen angestrebt werden – damit allen Lebewesen ein würdiges Leben ermöglicht werden kann.

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Vielen Dank für deine Stimme!