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Hitze & Hochwasser: Satellitendaten zeigen gefährlichen Trend in deutschen Städten

Hitze & Hochwasser: Satellitendaten zeigen gefährlichen Trend in deutschen Städten
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay.de – Denkfalle, Screenshot: Correctiv, Vertical52, LGV Hamburg

Durch die Klimakrise verstärkte Wetterextreme machen deutschen Städten zu schaffen. Mehr Grün könnte vor Hochwasser und Hitze schützen. Doch eine aktuelle Recherche des Netzwerks Correctiv zeigt: Stattdessen betonieren die Städte immer noch mehr Flächen zu.

In vielen deutschen Städten dominieren Beton und Asphalt, Grünflächen muss man suchen. So „versiegelte“ Flächen führen dazu, dass Regenwasser kaum versickern kann und die Sommerhitze sich staut. Auf Starkregen und Hitzewellen, welche die Klimakrise bekanntlich verstärkt, sind die Städte derzeit kaum vorbereitet.

Längst ist bekannt, dass sich die Kommunen an die Folgen der Erderwärmung anpassen müssen. Die „Entsiegelung“ ist zum Schlagwort geworden: Man will Flächen von Asphalt und Beton befreien, die Böden wieder durchlässig machen, sie begrünen. Das Prinzip „Schwammstadt“ gilt als Ideal, wie man Städte so gestalten kann, dass die Regenwasser aufnehmen und die Luft durch Verdunstung kühlen können.

Correctiv-Recherche: Flächenversiegelung nimmt zu

Setzen deutsche Städte die notwendige Entsiegelung von Flächen wirklich um? Das hat das Recherchenetzwerk Correctiv gemeinsam mit Vertical52, einer Plattform für „Satellitenjournalismus“, untersucht. Die Journalist:innen haben Satellitendaten der deutschen Städte Hamburg, Leipzig und Stuttgart ausgewertet um herauszufinden, in welchem Ausmaß dort Flächen entsiegelt und neu versiegelt werden. Die Analyse zeigt einen bedenklichen Trend: Die Flächenversiegelung nimmt immer noch zu.

Die Aufnahmen des Sentinel-2-Satelliten lassen genau erkennen, wo die Versiegelung am stärksten ist und wo sie wider besseres Wissen in den vergangenen Jahren weiter zugenommen hat. Die drei Metropolen stehen dabei stellvertretend für viele Städte in Deutschland, so Correctiv.

Schrumpfende Grünflächen

In allen drei untersuchten Städten nimmt die Versiegelung zu. Leipzig etwa hat zwischen 2018 und 2024 rund acht Quadratkilometer Grünflächen verloren. Das ist in etwa so groß wie 1.120 Fußballfelder – oder mehr als doppelt so groß wie der Englische Garten in München. Der Anteil der zubetonierten und asphaltierten Flächen in Leipzig ist in diesem Zeitraum insgesamt von 29,2 Prozent auf 32,2 Prozent angestiegen. Dabei hatte die Stadt verkündet, man wolle jährlich 1.000 neue Bäume pflanzen.

Hamburg hat den Satellitendaten zufolge zwischen 2018 und 2024 sogar 14 Quadratkilometer neu versiegelt – eine Fläche etwa fünfmal so groß wie der Stadtteil St. Pauli.

Auch in Stuttgart nahm die Versiegelung in diesem Zeitraum insgesamt zu, allerdings „nur“ um einen Quadratkilometer. Immerhin wuchsen auch die Grünflächen um rund einen Quadratkilometer. „Bemerkenswert“ findet Correctiv, dass hier offenbar gezielt in stark bebauten Stadteilen Flächen entsiegelt werden.

Gleich viel Entsiegelung wie Versiegelung reicht nicht

Das ist auch notwendig, um die Stadtbevölkerung vor zunehmenden Überflutungen und Hitzeinseln zu schützen. Dabei reicht es nicht, gleich viel Fläche zu entsiegeln wie neu zu versiegeln („Netto-Null“), sondern die Gemeinden müssten mehr ent- als versiegeln. Jede versiegelte Fläche brauche Jahrzehnte oder Jahrhunderte, „um nach einer Entsiegelung wieder denselben ökologischen Wert zu erreichen, wie vor der Versiegelung“, zitiert Correctiv Anja Bierwirth, Expertin für nachhaltige Stadtentwicklung am renommierten Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

Noch 2023 gab bei einer Umfrage von Correctiv nur jeder dritte Landkreis an, Flächen zu entsiegeln. Gleichzeitig verliere Deutschland im Schnitt jeden Tag 52 Hektar Fläche an Neubauten und Straßen, so Correctiv. Das entspricht 72 Fußballfeldern. Und: Sogar das „Netto-Null“ Ziel will Deutschland und die EU erst 2050 erreichen.

Wenn die Städte nicht selbst entschieden umsteuern und für mehr Grün sorgen, werden bis dahin weiterhin mehr Grünflächen verloren gehen als neu entstehen – und für die Stadtbevölkerung steigen die Gefahren durch Starkregen und Hochwasser sowie Hitze im Sommer.

Klar ist: Vor den deutschen Kommunen liegt eine Mammutaufgabe, um sie an die Klimakrise anzupassen. Stadtexpertin Bierwirth sagt gegenüber Correctiv, Deutschland fehle es „an Erfahrungen und auch an Instrumenten, wie man Städte umbaut und auf neue Situationen anpasst.“ Oft kommt die Struktur der Verwaltung und die Baugesetzgebung in den Weg. Das ist der Erderwärmung aber egal: Bis 2050 rechnen Fachleute längst mit mehr Niederschlag, längeren Hitzewellen und starken Klimaveränderungen in den europäischen Städten.

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