Hochwassertourismus macht Einsatzkräfte fassungslos – und kann teuer werden Von dpa und Laura Gaida Kategorien: Wissen & Technik Stand: 8. Januar 2024, 13:26 Uhr Foto: Christoph Reichwein/dpa Tausende Helfer:innen packen an, um gegen das Hochwasser in mehreren Bundesländern zu kämpfen. Doch in den Wassermassen wurden in Niedersachsen Kitesurfer:innen, Kanufahrer:innen und ein Schwimmer gesichtet. Derart „lebensgefährlicher Unsinn“ kann teuer werden. In der angespannten Hochwasserlage sind die Rettungskräfte im Dauereinsatz – doch nicht nur, um Deiche zu sichern oder Altenheime zu evakuieren. Mehrfach wurden Menschen gesichtet, die sich in das Hochwasser begeben und Kanu fahren, kitesurfen oder gar schwimmen gehen. „Das ist absolut unvernünftig. Es ist nicht nur fahrlässig und selbstgefährdend, sondern bindet immer wieder Einsatzkräfte, die wir an anderen Stellen wesentlich dringlicher brauchen“, sagt Dieter Rohrberg. Als Landesbranddirektor hat Rohrberg die Aufsicht über die Feuerwehren des Landes Niedersachsen. So machte beispielsweise der Großeinsatz zur Rettung eines Schwimmers im Hochwassergebiet von Hannover die Einsatzkräfte fassungslos. Eine Frau hatte die Feuerwehr alarmiert, dass ein Mensch von der Strömung abgetrieben worden sein könnte. Während der Suche mit 85 Einsatzkräften meldeten sich Zeug:innen, die einen Schwimmer in Neoprenanzug und Badekappe gesehen hatten. Dieser sei aus dem Wasser gestiegen und mit dem Fahrrad davongefahren. „Das ist natürlich lebensgefährlich“, sagt Jörg Rühle, Sprecher der Feuerwehr Hannover. Seit Beginn des Hochwassers warne die Behörde unablässig davor, sich in die Hochwassergebiete zu begeben. „Begeben uns da in dem Moment in Gefahr, in die wir sonst nicht gehen würden“ Die Feuerwehr in Hannover rückte Ende des Jahres außerdem aus, um nach zwei Kanufahrer:innen zu suchen, die als vermisst gemeldet worden waren. Dabei kamen Drohnen und ein Schlauchboot zum Einsatz. Die Suche wurde nach zwei Stunden erfolglos abgebrochen. „Wir begeben uns da in dem Moment in Gefahr, in die wir sonst nicht gehen würden“, betont Rühle. Seit Beginn des Hochwassers habe es allein in Hannover mehrere Wasserrettungseinsätze gegeben. Unter anderem mussten auch zwei über 70-jährige Fahrradfahrer:innen gerettet werden, die über wegen Hochwassers gesperrte Straßen radeln wollten und von der Strömung abgetrieben wurden. Auf überfluteten Wiesen wurden in der Region Hannover sogar Kitesurfer:innen gesichtet. „Das ist lebensgefährlich, weil sie im Gegensatz zu bekannten Gewässern gar nicht wissen, welche Hindernisse vor oder unter ihnen auftauchen können“, sagte die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) dem Spiegel. Vor diesem „lebensgefährlichen Unsinn“ könne sie nur warnen. „Da gilt häufig das Verursacherprinzip“ Die Kosten für ihre Rettung aus den Fluten bleibt an leichtsinnigen Kanufahrer:innen oder Radfahrer:innen vielfach selbst hängen. „Da gilt häufig das Verursacherprinzip“, sagt Landesbranddirektor Rohrberg. Die Kosten liegen demnach mindestens im dreistelligen Bereich. Je nach Anzahl der Einsatzkräfte könnten die Kosten für solch eine Rettungsaktion auch vierstellig werden. In den Hochwassergebieten von Niedersachsen behinderten mehrfach auch Schaulustige die Arbeit der Rettungskräfte. „Mein eindringlicher Appell an alle Neugierigen lautet: Lassen Sie es bleiben, gehen Sie irgendwo anders spazieren oder bleiben Sie zuhause“, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) Ende Dezember. Konkret gab es Vorfälle im emsländischen Meppen und in Celle. Der „Hochwassertourismus“ war laut Feuerwehrsprecher Sven Lammers die größte Sorge der Helfer:innen beim Einsatz gegen das Hochwasser in Meppen Ende Dezember. „Wir müssen viele Leute rausschicken aus dem Einsatzgeschehen.“ Auch in Celle hinderten nach Angaben der Stadt Gaffer:innen die Rettungskräfte am Durchkommen. Kinderschlauchboot im Hochwassergebiet angetroffen An vielen Orten in Niedersachsen bangen Menschen derzeit, ob die Deiche halten und sie von den Wassermassen verschont werden. Gleichzeitig werden Schaulustige beobachtet, die die abgesperrten Deiche betreten und Handyfotos machen. Sie müssen wegen der Betretungsverbote mit hohen Bußgeldern rechnen. „Bei Verstößen droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5000 Euro„, informierte die Stadt Oldenburg. In den Landkreisen Verden und Osterholz werden Bußgelder von 400 Euro beim Betreten der Deiche trotz Verbots fällig. Im Süden Sachsen-Anhalts warnte die Polizei ebenfalls davor, die Deichanlagen zu betreten. Auch im bayerischen Nabburg hatten Rettungskräfte mit einem Kanuten zu tun, der trotz Hochwassers auf der Naab paddelte. Er kenterte an Heiligabend und konnte sich selbst aus dem Fluss retten. Die Einsatzkräfte bargen sein Kanu weiter flussabwärts. Auch in Sachsen-Anhalt haben die Helfer:innen mit Schaulustigen zu tun. So wurden etwa in Lostau am Silvestertag mehrere Menschen in einem nicht seetauglichen Kinderschlauchboot im Hochwassergebiet der Elbe angetroffen. Foto: Friso Gentsch/dpa Wetterumschwung: So ist die aktuelle Hochwasser-Lage Vorhergesagter Dauerfrost lässt die Helfer:innen in den Hochwassergebieten auf Entspannung hoffen. An manchen Orten ist die Lage aber weiterhin angespannt. Weiterlesen ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 9 0 Vielen Dank für deine Stimme! HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: