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„Inside Greenpeace“: In einem Punkt enttäuscht die Doku

Sky-Doku feiert Greenpeace – und lässt Fragen offen
Foto: Sky Original

„Inside Greenpeace“ beleuchtet die Arbeit der Umweltorganisation, die seit den 1970er Jahren für mehr Umwelt- und Klimaschutz kämpft. Die fünfteilige Sky-Dokumentation begleitet mit beeindruckenden Bildern Aktivist:innen weltweit. Doch ein wirklich kritischer Blick fehlt.

Einige kräftige Hiebe auf den Kopf und plötzlich färbt sich das weiß glänzende Fell blutrot. Noch ein letzter Schrei, dann schließen sich die schwarzen Knopfaugen der Babyrobbe, für immer.  

Die Aufnahmen aus Kanada sind schwer zu ertragen, doch gingen sie in den 1970er Jahren um die Welt. Und bildeten die Grundlage für eine erfolgreiche Kampagne gegen die Robbenjagd zum Zwecke der Pelzmode. Ein Wendepunkt in der Geschichte der damals noch recht kleinen Umweltorganisation Greenpeace.

Mit körperlichem und kreativen Einsatz geht Greenpeace gegen die Klimakrise vor

Heute, mehr als 50 Jahre später, ist Greenpeace weltweit vernetz; finanziert durch die Spenden von drei Millionen Menschen – und nimmt Einfluss auf Entscheidungen der internationalen Politik. Mit welchem körperlichen wie auch kreativen Einsatz die Aktivist:innen für den Erhalt der Umwelt kämpfen, beleuchtet die neue Doku „Inside Greenpeace“. Sie läuft ab Sonntag, 17. September, auf Sky.

Doch wer aufgrund des Titels fünf Folgen geballte Investigativ-Recherche erwartet, wird enttäuscht. Vielmehr rückt die Serie das Handeln wichtiger Akteur:innen der Organisation in den Fokus – inklusive Rückblick auf ihre spektakulären und zum Teil gefährlichen Störaktionen.

Zwar werden zweifelhafte Punkte, wie etwa die missglückte Greenpeace-Aktion beim EM-Spiel 2021 oder der Spendenskandal 2014 erwähnt, jedoch bleibt der Blick auf die Gruppierung weitestgehend unkritisch. Das mag zum einen daran liegen, dass in der Dokumentation fast ausschließlich Greenpeace-Mitglieder sowie Sympathisant:innen zu Wort kommen. Zum anderen daran, dass Gegenspieler wie der Erdöl-Konzern Shell zu keiner Stellungnahme bereit gewesen sind, wie es heißt.

Beharrlichkeit mancher Mitglieder ringt einem Respekt ab

Der Fünfteiler führt die Zuschauer:innen an unterschiedliche Orte: die Antarktis, Russland, Schweden, Frankreich, die Niederlande, Brasilien, Argentinien, die Marshallinseln und in den Senegal. Hier werden die Greenpeace-Aktivist:innen bei ihrer Arbeit begleitet – und gleichzeitig die Umweltbedrohungen durch Überfischung, Atomkraft, Abholzung sowie fossile Energie erklärt. Zugegeben: die Beharrlichkeit mancher Mitglieder ringt einem als Zuschauer:in Respekt ab. Insbesondere bei Einsätzen in repressiven Staaten, in denen Aktivist:innen geradewegs im Gefängnis landen.

Aber auch Aktionen, die unter widrigen Umständen auf hoher See stattfinden, verdeutlichen, wie ernst es den Aktivist:innen ist, Klima- und Umweltzerstörung zu verhindern.

Eine dieser Kampagnen stellt Brent Spar dar. Das Rohöl-Zwischenlager sollte Ende der 1990er Jahre nordöstlich der Shetland-Inseln im Meer versenkt werden, samt Stahl, giftigen Schwermetallen und Ölrückständen. Greenpeace wehrte sich gegen Shell, indem Aktivist:innen Brent Spar besetzten, um so die Entsorgung des Mülls zu verhindern. Mit Erfolg: Shell verwarf das Vorhaben. 1998 beschloss die OSPAR-Konferenz ein Versenkungsverbot für Ölplattformen im Nordatlantik; das Zwischenlager wurde ordnungsmäßig zurückgebaut.

Die Brent Spar: Greenpeace setzt sich damals gegen ihre Versenkung im Meer ein
Die Brent Spar: Greenpeace stemmte sich damals gegen ihre Versenkung im Meer. (Foto: Sky Original)

Bussau als die (selbst)kritische Stimme, von der es mehr bräuchte

Bemerkenswert an der Kampagne war weniger die Störaktion auf der Brent Spar an sich, als vielmehr die wirksame Öffentlichkeitsarbeit, die Greenpeace parallel leistete. Boykottaufrufe führten dazu, dass Menschen in Deutschland zeitweise Shell-Tankstellen bewusst gemieden haben. Ein Unternehmenssprecher erklärte damals einen Absatzrückgang von durchschnittlich 20 Prozent.

Doch dieser Erfolg hatte auch eine Schattenseite, wie sich Aktivist Christian Bussau, der an der Brent Spar-Aktion beteiligt war, in der Doku erinnert. Denn neben dem Boykott, kam es durch Unbekannte zu einem Brandanschlag auf eine Shell-Tankstelle in Hamburg. „Können wir so weitermachen?“, habe man sich bei Greenpeace schließlich gefragt. Denn, und auch das betont Meereskampagnen-Leiter Bussau: Greenpeace agiere stets gewaltfrei.

Im Verlauf der Doku stellt sich Bussau als die (selbst)kritische Stimme heraus, die in der Serie grundsätzlich mehr Gewicht verdient hätte. Nicht, um Greenpeace auf Biegen und Brechen anzugreifen. Sondern, um die Organisation in ihren menschlichen Facetten nahbar zu machen. „Inside Greenpeace“ eben.

Wirklich eine homogene Organisation?

So bleiben einigen Fragen offen. Etwa, wo sich die Organisation – auch mit Blick auf Mitstreiter wie Fridays for Future, Extinction Rebellion und Letzte Generation – aktuell verortet? Inwiefern sie sich medial ins Abseits gedrängt fühlt; wohin sie sich künftig entwickeln möchte? Und ob ihre Form des Aktivismus angesichts der Klimafolgen, die spürbarer denn je sind, noch wirksam genug ist? Und wie sieht es eigentlich mit unterschiedlichen Positionen innerhalb der Organisation aus – auch zu den genannten Fragen?

Die Serie erweckt den Eindruck, Greenpeace sei mit mehr als 50 Ländervertretungen eine homogene Gruppierung, die geeint und entschlossen am selben Strang zieht. Zwischenmenschliche, sprich vollkommen natürliche Konflikte, was Einfluss und Ausrichtung anbelangt, bleiben außen vor. Oder werden nur angedeutet. Zum Beispiel, indem Ex-Greenpeace-Mitglied Kelly Riggs kurz anreißt, dass Greenpeace seine einst so starke „Inspiration im Augenblick“ für Kampagnen verloren hätte. Als Zuschauer:in möchte man wissen, wieso Riggs nicht mehr Aktivistin ist – und was genau sie damit meint.

"Inside Greenpeace": Die NGO setzt sich gegen die Verbrennung fossiler Energieträger ein
„Inside Greenpeace“: Die NGO ist gegen die Verbrennung fossiler Energieträger. (Foto: Sky Original)

Greenpeace „auf der richtigen Seite der Geschichte“

Stattdessen schließt die Serie mit John Hocevar, Kampagnenleiter Meere für die USA, der Greenpeace „auf der richtigen Seite der Geschichte“ sieht und durchaus optimistisch in die Zukunft blickt: „Wir machen weiter, suchen nach Unterstützung, mobilisieren Menschen – und am Ende werden wir gewinnen“, sagt er.

Kritik oder Optimismus zum Trotz, eine Sache ist unbestritten. Einst belächelt als kleine Öko-Gruppe, hat Greenpeace ab Stunde Eins seiner Gründung 1971 erkannt, was die größte Bedrohung für Tiere, Ökosysteme, Biodiversität und damit menschliches Leben auf der Erde ist: Der Mensch selbst.

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