Utopia Image

Landwirte warnen: Gemüse wird weniger perfekt – Was sich ändern muss

Landwirte warnen: Unser Gemüse wird verformter – das ist der Grund
Foto: CC0 Public Domain- Pixabay/ aggies, - Pexels/ Nick Collins

Krummes Gemüse ist in Supermärkten noch die Ausnahme – aber vielleicht nicht mehr lange. Landwirt:innen kündigen schon länger an, dass Kund:innen ihre Ansprüche an Obst und Gemüse bald herunterschrauben müssen.

Kerzengerade Salatgurken und Zucchini, große runde Zwiebeln, perfekte Tomaten – solche Produkte findet man im Supermarkt zuhauf. Doch dies könnte sich ändern, warnen Landwirt:innen immer wieder. So zuletzt auch Bastiaan Blok gegenüber dem Guardian. Der Landwirt aus den Niederlanden hatte 117.000 Kilo Zwiebeln angebaut, die aufgrund von schlechten Wetterbedingungen viel zu klein wuchsen.

„Wir hatten einen sehr nassen Frühling und einen trockenen, warmen Sommer, weshalb die Pflanzen sehr kleine Wurzeln ausbildeten“, erklärt Blok. „Es ist entweder viel zu nass und kalt oder viel zu warm und trocken, und dazwischen gibt es keine normale Wachstumsperiode.“ Das Jahr war dabei kein Einzelfall – und der Landwirt sieht einen klaren Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und immer mehr „unvollkommenem“ Obst und Gemüse.

Klimawandel soll Verformungen bei Obst und Gemüse fördern

Das Problem betrifft nicht nur die Niederlande, sondern viele Länder – unter anderem auch Deutschland. Zum einen, weil der niederländische Agrarsektor ein Viertel seiner Erzeugnisse nach Deutschland exportiert, wie die Regierung auf ihrer Webseite schreibt. Zum anderen haben auch Vertreter:innen der deutschen Landwirtschaft in der Vergangenheit ähnliche Bedenken geäußert. So auch Klaus Rauhaus, Geschäftsführer der Genossenschaft der Ökobauern. In einem Interview, das die Rewe Group auf ihrer Webseite veröffentlicht hat, warnte er schon 2021 vor einer Verknappung von bestimmten Obst- und Gemüsesorten durch den Klimawandel.

Vor allem Obst- und Gemüsesorten, die schnell wachsen, blühen und fruchten, seien gefährdet. Zu diesen zählen etwa Salat, Brokkoli oder Kohl. Die Pflanzen müssten ihren Ertrag in kurzer Zeit bilden – wenn zu dem Zeitpunkt eine Dürreperiode oder eine Überschwemmung auftrete, erhielten sie Rauhaus zufolge keine Chance zu gedeihen. „Das kann bestenfalls dazu führen, dass die Sorten Verformungen entwickeln oder sich ihr Aussehen von der Norm abweicht. Im schlimmsten Fall würde es jedoch zu einem kompletten Ernteausfall führen“, so der Experte.

Globales Problem: Studien warnen vor Nahrungsmittelunsicherheit

Studien bestätigen seine Befürchtungen. Forschende der australischen University of Melbourne haben etwa vor kurzem eine entsprechende Studie im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht. Diese untersucht mittels Wirtschafts- und Klimamodellen, wie sich Hitze- und Wassermangel auf die globale Nahrungsmittelproduktion bis 2050 auswirken werden.

Das Ergebnis: Weltweit werden weniger Nahrungsmittel produziert werden – je nachdem, wie stark sich das Klima erwärmt, um 6 bis 14 Prozent. Dadurch könnten bis zu 1,36 Milliarden Menschen zusätzlich von schwerer Nahrungsmittelunsicherheit betroffen sein. Besonders Landwirtschaft, die mittels künstlicher Bewässerung funktioniert, sei betroffen.

Kund:innen müssen sich mit krummem Gemüse anfreunden

Die kommenden Jahre werden also schwierig für Landwirt:innen weltweit. Für Deutschland prognostiziert Genossenschaftsleiter Rauhaus, dass Preise steigen werden, wenn Verbraucher:innen nicht lernen, ungewöhnliche Formen und Farbveränderungen bei Obst und Gemüse zu akzeptieren. „Wir alle müssen eine größere Toleranz entwickeln, da technische Entwicklung und Züchtungsfortschritte das Problem nicht lösen, sondern allenfalls nur abmildern können“, erklärt er.

Dass Konsument:innen recht wählerisch sind, was das Aussehen ihres Einkaufs angeht, setzt Landwirt:innen unter Druck, „perfektes“ Gemüse zu produzieren. Doch die Natur lässt sich nicht leicht beeinflussen. „Jeder, der ein Gemüsebeet hat, weiß, dass von zehn Gurken zwei oder drei gerade sind und die anderen alle möglichen Formen haben“, erklärt Thibaud van der Stehen gegenüber Guardian. Er hat No Waste Army mitgegründet, ein Sozialunternehmen, das Boxen mit Produkten aus geretteten Lebensmitteln verkauft. Der Konzern kam auch Landwirt Blok zur Hilfe und nahm ihm seine zu klein geratenen Zwiebeln ab.  

Van der Stehen weist darauf hin, dass viel Obst und Gemüse weggeworfen oder nicht geerntet wird, weil es dem Schönheitsideal nicht entspricht. Er geht ebenfalls davon aus, dass der Klimawandel das Problem verschärfen wird. „Die Landwirte sagen, dass das Wetter immer extremer wird, und das ist nicht hilfreich: Um ideales Gemüse anzubauen, braucht man ideale Bedingungen.“ Und diese gibt es durch den Klimawandel nun mal nicht mehr. Genießbar und gesund sind die krummen, kleinen oder unförmigen Lebensmittel trotzdem.

Verwendete Quellen: Guardian, Government of the Netherlands, Rewe-Group, Scientific Reports

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

War dieser Artikel interessant?

Vielen Dank für deine Stimme!