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Lauterbach irritiert mit Impfschäden-Aussage: Was bekannt ist – und was nicht

Lauterbach irritiert im ZDF mit Impfschäden-Aussage
Foto: Screenshot / ZDF Heute Journal

Für Impfgegner:innen war das ZDF-Interview mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Steilvorlage. Im Heute Journal wurde der studierte Epidemiologe kürzlich zu schwerwiegenden Nebenwirkungen durch Covid-Impfungen befragt. Dabei vermengte Lauterbach Begriffe und drückte sich unpräzise aus.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat Hilfen für Menschen mit Langzeitschäden einer Corona-Infektion oder -Impfung zugesagt. Er werde mit dem Ministerium ein Programm auflegen, bei dem die Folgen von Long Covid und dem Post-Vaccine-Syndrom untersucht würden und die Versorgung der Betroffenen verbessert werde, sagte der SPD-Politiker am 12. März im ZDF-Heute-Journal. Lauterbach erklärt auch, dass ihn die Geschichten von zwei Betroffenen, die nach einer Corona-Impfung schwere Schäden davontrugen und im ZDF zu Wort kamen, mitnehmen würden. „Die Menschen tun mir ehrlich gesagt auch sehr leid“, so der Gesundheitsminister im Interview.

An anderer Stelle versucht Lauterbach die Problematik in Relation zu setzen, irritiert jedoch mit seiner Aussage. Der studierte Epidemiologe sagt unter Berufung auf Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts, dass „schwere Impfschäden“ etwa bei einer von 10.000 Impfungen vorkämen.

Der Gesundheitsminister vermengt unterschiedliche Begriffe

Für Zuschauer:innen ist diese Aussage nicht unproblematisch: Sie könnten schlussfolgern, dass bei fast 200 Millionen bundesweit verabreichten Impfungen 20.000 Menschen von gravierenden Impfschäden betroffen sind. Ebenfalls problematisch: Lauterbach vermischt im weiteren Verlauf des ZDF-Interviews Begriffe. Einmal spricht er von Impfschäden, dann von Nebenwirkungen und an andere Stelle bezieht er sich auf „Post Vac“. Dabei sind das unterschiedliche Phänomene.

Impfnebenwirkungen, auch -reaktionen genannt, klingen in der Regel wenige Tage nach der Impfung wieder ab. Wie das Robert Koch Institut (RKI) schreibt, äußern sie sich in Form von „Rötung, Schwellung und Schmerzen“ an der Impfstelle. Auch Fieber ist möglich. Impfkomplikationen gehen dem RKI zufolge über das „übliche Maß einer Impfreaktion“ hinaus und sind demnach „schwerwiegend“ sowie meldepflichtig.

Unter Impfschäden hingegen versteht man, „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“. Diese Schäden sind durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) definiert. Für Impfschäden gelten die Regelungen des sozialen Entschädigungsrechts. Das heißt: Betroffene haben Anspruch auf Versorgung.

Lauterbachs Aussage wird diskutiert

Das Post-Vaccine-Syndrom wiederum ist bislang nicht klar umrissen. Menschen, die darunter leiden, klagen nach einer Impfung gegen Covid-19 unter anderem über Kopfschmerzen, Schwindel oder auch dauerhafte Erschöpfung. Das Post-Vac-Syndrom ähnelt dem Krankheitsbild von Long Covid nach einer Infektion.

Dass Lauterbach von „schweren Impfschäden“ und „schweren Nebenwirkungen“ bei einer von 10.000 Impfungen spricht, ist eine Steilvorlage für Impfgegner:innen. In sozialen Netzwerken ist von 20.000 schwerwiegenden Impfschäden die Rede – offenbar in Anlehnung an die 200 Millionen verabreichten Impfungen in Deutschland. In einer Diskussionsrunde der Bild hieß es „Jetzt liegen die Zahlen auf dem Tisch“ sowie „Stoppt das Impfen – sofort!“.

Unpräzise Angaben während des Interviews

Auf Anfrage des ZDF erklärte das Bundesgesundheitsministerium, Lauterbach habe sich bei seinem Satz „eins zu 10.000, das ist die Häufigkeit von schweren Nebenwirkungen“ auf „Fachinformationen der Impfstoffe“ bezogen. Das heißt: auf die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen, so wie sie in Beipackzetteln zu finden sind. Im Beipackzettel des Impfstoffes Biontech findet sich etwa die Angabe, das „bis zu 1 von 10.000 Behandelten“ als schwere Nebenwirkung eine Herzmuskelentzündung aufweisen. Über die tatsächlichen Impfschäden hierzulande sagt das aber erstmal nichts aus.

Tatsächlich treten schwere Impfschäden deutlich seltener auf als einmal bei 10.000 Impfungen, wie Leif Erik Sander, der an der Berliner Charité zu Impfstoffen forscht, dem ZDF sagt. „Gäbe es eine Häufung solcher schweren Komplikationen, wäre das bei Milliarden von verimpften Dosen in den internationalen Daten aufgefallen.“ Außerdem würde eine Herzmuskelentzündung infolge einer Impfung fast immer folgenlos ausheilen, so der Experte.

Vorsichtiger Umgang mit Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts ratsam

Eine Meta-Studie zum Biontech-Impfstoff stellte fest, dass nur für Herzmuskelentzündungen ein klarer Zusammenhang mit der verabreichten Impfung besteht. Als der Corona-Impfstoff von Astrazeneca – den auch einer der Betroffenen im ZDF-Beitrag laut Sender erhalten hatte – in seltenen Fällen Blutgerinnsel auslöste, wurde der Einsatz in Deutschland Ende 2021 gestoppt.

Wie viele Impfschäden es in Deutschland allgemein gibt – oder in Zusammenhang mit der Corona-Impfung – ist bislang nicht bekannt. Keine Behörde führt eine entsprechende Statistik. Das Paul-Ehrlich-Institut registriert allerdings Verdachtsfälle bei Impfkomplikationen, sprich bei schwerwiegenden Nebenwirkungen. Doch auch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu betrachten: Einerseits, weil vermutlich nicht jeder Fall gemeldet und somit erfasst wird. Andererseits, weil ein Verdachtsfall nicht kausal mit einer Covid-Impfung zusammenhängen muss.

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