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Mai Thi Nguyen-Kim läutet „das Ende der Homöopathie“ ein – mit Eistee

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Screenshot: ZDF

Für die Produktion von Globuli werden Wirkstoffe mehrfach verdünnt. Was passiert mit dem Abwasser? Und darf man mit den Kügelchen Eistee brauen? Diesen Frage hat sich das Team rund um Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim in der neusten Folge MAITHINK X angenommen.

Die ZDF-Sendung MAITHINK X ist aus der Sommerpause zurück. Und mit ihrer ersten Folge will sie nicht weniger erreichen als „das Ende der Homöopathie“ – so lautet zumindest der Titel des Videos der Sendung auf dem YouTube-Channel maiLab. In der Ankündigung ist zudem vom „vielleicht größten Abwasserskandal aller Zeiten“ zu lesen. Worum geht es?

Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim hat sich in der Folge erneut mit Homöopathie auseinandergesetzt. In der Vergangenheit hatte sie die Wirksamkeit homöopathischer Behandlungsmethoden mittels wissenschaftlichen Studien zu widerlegen versucht. Diesmal hat sie eine andere Herangehensweise: Die Chemikerin wechselt für die Dauer der Sendung die Perspektive, geht also davon aus, dass Homöopathie wirkt. Dann betrachtet sie die rechtliche Lage rund um homöopathische Arzneimittel – und diese ist in einigen Punkten kritisch.

Globuli-Produktion: Große Mengen an „potenziertem Wasser“ bleiben als Abwasser übrig

Mai Thi Nguyen-Kim und ihr Team haben sich in der aktuellen Folge unter anderem unter anderem mit der Frage beschäftigt, was mit dem Abwasser geschieht, das bei der Herstellung des homöopathischen Arzneimittels Globuli anfällt. Dabei dürfte es sich um große Mengen handeln, denn für die Herstellung wird der Wirkstoff immer wieder verdünnt. Wie das funktioniert, zeigen Mai Thi Nguyen-Kim und ihr Team im Studio:

Für die beliebten Globuli des Typs Arnika D12 wird der Wirkstoff (eine Arnikatinktur) zwölfmal im Verhältnis 1 zu 10 verdünnt – oder „potenziert“, so der Fachbegriff. Dann werden 0,1 Milliliter auf 10 Gramm Zuckerkügelchen gesprüht und getrocknet. Das bedeutet: Neun von zehn Lösungen mit niedrigeren Potenzen (also höheren Arnika-Konzentrationen) bleiben am Ende übrig und müssen entsorgt werden. „Wohin wird dieses Wasser gekippt?“, fragt sich die Moderatorin, gespielt besorgt. „Doch hoffentlich nicht in den Abfluss?“

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Mai Thi Nguyen-Kim und eine Kollegin zeigen, wie Globuli hergestellt werden. (Screenshot: ZDF)

MAITHINK X: Keine Abwasser-Regel für „Gedächtnis-Wasser“ – trotz vermeintlicher Lebensgefahr bei Überdosis

„Dass Globuli wirken, obwohl ab einer bestimmten Potenz gar kein Wirkstoff mehr vorhanden ist, liegt am Gedächtnis des Wassers“, so erklärt Mai Thi Nguyen-Kim das Wirkprinzip der Homöopathie. „Das Wasser erinnert sich an den Wirkstoff und gibt diese Erinnerung an den Körper weiter.“ Dieses Gedächtnis soll das Wasser durch „Schütteln“ erhalten. Bei jedem Verdünnungsschritt muss die Lösung zehnmal auf einen harten, elastischen Untergrund aufgeschlagen werden. Naturwissenschaftlich erklärbar ist dieses Wirkprinzip nicht.

Doch hinterfragen will die Chemikerin das Prinzip in dieser Sendung auch nicht. Sie gibt vor, einfach davon auszugehen, dass Wasser ein Gedächtnis hat. Doch was passiert mit dem Abwasser in der Globuli-Produktion, das ebenfalls potenziert ist? Dieses dürfe man nicht einfach wegschütten, sondern die Hersteller müssten es eigentlich wie andere Arzneimittel auch als Sondermüll entsorgen, folgert das Team der Sendung. „Ist halt deutlich aufwändiger und teurer.“

Doch das scheint nicht zu geschehen. Die Stadt Baden-Baden, in der Homöopathieprodukte hergestellt werden, schrieb zum Beispiel auf Anfrage des Teams, es gäbe „keine speziellen wasserrechtlichen Anforderungen“. Die Stadt Karlsruhe verwies auf eine Reinigungsstufe mit Aktivkohle in der Kläranlage. Die Kohle kann Medikamentenreste binden. Doch potenziertes Wasser enthält eben kaum Wirkstoffe. „Wir konnten bisher kaum Hinweise darauf finden, ob – und wenn ja wie – sich dieses Wasser-Gedächtnis löschen lässt“, mahnt die Chemikerin. „Alle Abwasser-Vorschriften sind auf eine Welt ausgelegt, in der Stoffe auch anwesend sein müssen, um zu wirken. Für Homöopathie, die nicht stofflich wirkt, gibt’s keine Extra-Regel.“

Mai Thi Nguyen-Kim verweist auf den Gründer der Homöopathie, Samuel Hehnemann. Dieser habe davor gewarnt, dass eine Überdosierung von potenziertem Wasser tödlich sein könne und vor versehentlichem Schütteln beim Transport gewarnt. „Doch das potenzierte Abwasser [der Globuliproduktion], das wird in den Rohren durchgeschüttelt“, so Nguyen-Kim, und auch im Klärwerk und in Flüssen. „Und am Ende landet das alles als sauberes Trinkwasser in unseren Wasserhähnen! Extrem verdünnt und extrem oft geschüttelt – das entspricht einer extrem hohen Potenz“, erklärt sie, scheinbar aufgewühlt.

Lose Vorschriften: MAITHINK X will mit Globuli gesüßten Eistee herherstellen

Der Gesetzgeber scheint von der Wirkung von Globuli überzeugt zu sein – schließlich dürfen sie nur in Apotheken verkauft werden. Aber andererseits darf potenziertes Wasser scheinbar einfach weggekippt werden. Wie passt das zusammen, fragte sich das MAITHINKX-Team. Und: Gibt es zumindest andere Vorschriften, zum Beispiel bei Lebensmitteln?

Um dies herauszufinden, entwickelten sie die Idee für einen fiktiven Eistee namens „HomöopaTea“, bei dem der Zucker durch Safran-C-30-Globuli ersetzt werden soll, und fragten nach, ob sie diesen produzieren dürfen. Laut Bundesgesundheitsministerium ist das in Ordnung, laut Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen nur, wenn die Zuckerkügelchen gemäß Homöopathie-Standards selbst hergestellt wurden und nicht in einer Apotheke gekauft wurden.

Das ist lächerlich“, folgert Mai Thi Nguyen-Kim. Sie fasst zusammen: Entweder Homöopathie wirkt, dann müssen die Mittel aber apothekenpflichtig sein, dürfen nicht in die Umwelt gelangen und man darf damit keinen Eistee süßen. Oder sie wirkt nicht. „Dann dürfen homöopathische Mittel aber auch nicht als Arzneimittel in der Apotheke verkauft werden.“

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