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„Man kann die Autofahrer nicht insgesamt für die Probleme verantwortlich machen“

Die FFF-Bewegung
Foto: CC0 Public Domain / Pexels - Markus Spiske

Am heutigen Freitag ruft Fridays for Future einmal mehr zum globalen Klimastreik auf. Aber wie steht es aktuell um den Protest? Handelt es sich um ein letztes Aufbäumen der Klimabewegung? Ein Soziologe gibt Antworten.

Mit Demonstrationen an fast 250 Orten in Deutschland will die Klimaschutzbewegung Fridays for Future (FFF) an diesem Freitag von der Politik mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung einfordern. Rund um den Globus sind Hunderte weitere Kundgebungen und sogenannte Klimastreiks an Schulen geplant – mit der Forderung eines zügigen Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas. 

Könnte das ein letzte Aufbäumen der Klimaproteste sein? Seit fünf Jahren geht FFF auf die Straße; in Deutschland etwa gaben beim jüngsten ARD-Trend drei Viertel der Befragten an, dass die Demonstrationen wenig bis keinen Einfluss auf ihre persönliche Einstellung zu Klimafragen haben.

„Die Bewegung muss aktionistischer werden“

Der Soziologie-Professor Dieter Rucht vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung sagt im Gespräch mit Ntv, sieht tatsächlich ein Abebben des Interesses bei FFF. Allerdings würde etwa die Letzte Generation viel Aufmerksamkeit bekommen, sodass man beim Klimaprotest zwischen den Gruppen differenzieren müsste.

„Die Bewegung muss aktionistischer werden. Fridays for Future könnte sein Spektrum verbreitern und beispielsweise, wie Greenpeace, selbst Expertisen fördern und mit aufgeschlossenen Parteien zusammenarbeiten“, so Rucht. Diese Arbeit sei allerdings weniger „provokativ“.

Dass Provokation nicht Maßstab für wirksames Klimaengagement sein muss, zeigt die Ablehnung, auf die derzeit die Letzte Generation stößt. Denn: „Vier Fünftel der Bevölkerung unterstützen einen entschiedeneren Klimaschutz. Ebenso viele lehnen aber diese Protestformen ab, also die Klebeaktionen oder das Beschmutzen von Kunstwerken“, so der Soziologe weiter.

Gleichzeitig sei der Klimaprotest der Letzten Generation „nicht vermittelbar“

Es sei „nicht vermittelbar“, was etwa das Beschmieren von Kunstwerken mit mehr Umweltschutz zu tun haben soll. Außerdem betont Rucht: „Man kann die Autofahrer nicht insgesamt für die Probleme verantwortlich machen.“

Der Experte verweist auf systemische Maßnahmen, die in der Verantwortung politischer Entscheidungsträger:innen liegen. Solange diese zu zögerlich reagieren, besteht laut Rucht die Option, dass Straßenproteste und Störaktionen radikaler werden

Gleichzeitig warnt er vor Diffamierungen wie „Klima-RAF“, die Protestgruppen mit terroristischen Vereinigungen gleichsetzen. „Damit haben die Klimaschützer nichts zu tun. Sie ziehen eine klare Grenze: Über zivilen Ungehorsam werden wir nicht hinausgehen. Ziviler Ungehorsam aber ist per Definition gewaltfrei.“

Ablehnung des Rechtsstaats?

Organisationen wie FFF oder die Letzte Generation würden den Rechtsstaat nicht ablehnen, sondern sich darauf berufen, dass gegen Gesetze zum Schutze der Umwelt verstoßen wird. Dieses „Berufen auf höhere Güter“ – wie etwa saubere Luft oder Wasser – sei „keine generelle Missachtung der Rechtsordnung“. Obgleich Mehrheiten im Bundestag in Frage gestellt werden.

Dass ziviler Ungehorsam auf gesellschaftlichen Gegenwind stößt, erklärt der Soziologe folgendermaßen: „Die Mehrheit unterstützt verbal den Klimaschutz. Aber die Mehrheit zuckt zurück, wenn es um konkrete Maßnahmen geht, die den eigenen Lebensstil einschränken könnten.“

Hoffnung machen Rucht die jungen Menschen, die eher bereit sind, ihre Lebensweisen zu überdenken und anzupassen. „Ein großes Auto ist für viele kein Statussymbol mehr.“

Quelle: Ntv

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