Utopia Image

Neues Kabinett in Bayern zeigt Söders Frauenproblem

Markus Söder (CSU)
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Markus Söder (CSU) feiert Bayern gerne als Vorreiter unter den Ländern. Dank Söders neuem Kabinett ist der Freistaat in einem herausgehobenen Bereich aber nun Schlusslicht. Söder habe „die Hälfte der Bevölkerung mal wieder nicht im Blick“, lautet die Kritik.

3 von 13. Oder 23 Prozent. Das sind Markus Söders Problem-Zahlen an diesem Mittwoch. So niedrig ist der Anteil der Frauen an den künftigen CSU-Kabinettsmitgliedern, den Ministerpräsidenten mitgerechnet. Am Ende der vergangenen Legislaturperiode waren es noch 4 von 13, immerhin knapp 31 Prozent – zu Beginn der Legislatur 2018 waren es noch gut 38 Prozent gewesen.

Bezieht man den Koalitionspartner, die Freien Wähler, mit ein, liegt der Frauenanteil ab sofort sogar nur noch bei gut 22 Prozent – damit ist der Freistaat jetzt Schlusslicht unter allen 16 Bundesländern. Nirgendwo sonst finden sind also so wenige Frauen in der Regierung – so belegt es eine Übersicht des Bundesfamilienministeriums.

„Ein echter Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung“

„Ein echter Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung“, kritisiert postwendend Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. „Das ist ein Armutszeugnis für alle Frauen in diesem Land“, klagt sie. Söder habe „die Hälfte der Bevölkerung mal wieder nicht im Blick“.

Grundsätzlich markiert die Vorstellung und Vereidigung der neuen Regierungsbildung exakt einen Monat nach der Landtagswahl den Schlusspunkt einer sehr geräuschlosen Regierungsbildung. Zur Erinnerung: Vor knapp zwei Wochen hatten CSU und Freie Wähler ihren neuen Koalitionsvertrag geschlossen, vergangene Woche wurde Söder erneut zum Ministerpräsidenten gewählt. Und nach Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der seine Kabinettsmitglieder schon zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrages benannt und dabei mit Überraschungen aufgewartet hatte (etwa Anna Stolz als neuer Kultusministerin), hat nun auch Söder die CSU-Truppe aufgestellt.

Söder hält weitestgehend an dem aus seiner Sicht bewährten Team fest

Will man es freundlich formulieren, muss man sagen: Söder hält weitestgehend an dem aus seiner Sicht bewährten Team fest. Einige Veränderungen waren aber nötig geworden – etwa weil der bisherige Gesundheitsminister Klaus Holetschek nun Fraktionschef im Landtag ist und weil das bislang CSU-geführte Digitalministerium an die Freien Wähler ging. Stattdessen hat die CSU nun einen Staatssekretär mehr.

Mit großen Überraschungen wartet Söder aber nicht auf. Seine wichtigsten Minister – etwa Innen und Finanz – bleiben, was sie sind. Die bisherige Digitalministerin Judith Gerlach, die zuletzt schon eine Jobgarantie bekommen hatte, wechselt ins Gesundheitsministerium. Neuer Finanzstaatssekretär wird der Oberfranke Martin Schöffel. Die einzige interessantere – aber für den Frauenanteil eben maßgebliche und negative – Entscheidung: Europaministerin Melanie Huml muss ihren Posten räumen und wird vom Schwaben Eric Beißwenger ersetzt.

Nun ist es so, dass Huml schon einmal fast aus dem Kabinett geflogen wäre, nach schweren Test-Pannen während der Corona-Pandemie 2020. Zur Überraschung vieler hielt Söder damals an Huml fest, versetzte sie lediglich vom Gesundheits- ins Europaministerium. Ihre jetzige Entlassung ist deshalb eben auch keine allzu große Überraschung – allenfalls unter dem Gesichtspunkt, dass ihr keine Frau nachfolgt.

Zentrales Kriterium ist für Söder nun vor allem der in der CSU fast heilige Regionalproporz gewesen: dass alle Regierungsbezirke angemessen im Kabinett vertreten sind. Deshalb musste nach Holetscheks Wechsel an die Fraktionsspitze fast zwingend ein anderer schwäbischer Minister her. Und deshalb musste für Huml zwingend ein Oberfranke an den Kabinettstisch nachrücken – eben Schöffel. Die Frauen-Frage rückte demgegenüber ganz offenkundig in den Hintergrund.

Was den Frauenanteil angeht: Da hat die CSU an sich ja ein Problem. Auch der Anteil der weiblichen CSU-Abgeordneten ist mit dieser Landtagswahl auf nur noch 18,8 Prozent zurückgegangen. Eine offenkundige Folge davon, dass es Frauen bei Kandidatenaufstellungen vor Ort nach wie vor extrem schwer haben – das wird auch in der CSU-Spitze als echtes Problem gesehen. Nur: Erkannt wird das Problem seit Jahren – geändert aber hat sich ebenfalls seit Jahren nichts.

Söder erwähnt den gesunkenen Frauenanteil bei der Benennung seines neuen Teams im Landtag nicht. Schwierige „Abwägungsentscheidungen“ habe er treffen müssen, sagt er nur. Und nennt die Zusammensetzung des neuen „Teams Bayern“ ein Zeichen für Stabilität und Kontinuität, aber auch für Erneuerung, Perspektive und Weiterentwicklung.

Söder selbst nicht froh über den Frauenanteil?

Im Hintergrund heißt es aus der CSU, Söder sei selbst nicht froh über den niedrigen Frauenanteil. Aus der Partei ist aber auch zu hören, dass das Thema derzeit nicht die große Rolle in der Gesellschaft spiele wie noch vor einigen Jahren.

Zur Erinnerung: 2019 war das Thema Söder noch so wichtig, dass er gar eine Frauenquote für CSU-Kreisvorstände forderte, am Ende wurde der Versuch, Frauen in der CSU mehr Macht zu geben, aber von der CSU-Basis abgeschmettert. Im vergangenen Jahr kassierte Söder diese Forderung dann auf einer Veranstaltung seiner eigenen Parteijugend wieder ein – zum großen Ärger in der Frauenunion.

Allerdings ist das Kabinett nicht nur männlicher, sondern auch älter: Das Durchschnittsalter liegt nun bei rund 50 Jahren. Vor fünf Jahren waren es, so hatte Söder es damals vorgerechnet, 47,6 Jahre gewesen.

„Es war mir ein Anliegen, das Kabinett jünger und weiblicher zu machen“, sagte Söder bei der Vorstellung seines Kabinetts 2018. Fünf Jahre später sind beide Ambitionen nun in den Hintergrund gerückt. Einziges kleines Zeichen an die Frauen vielleicht: Stellvertreterin Söders ist – neben Hubert Aiwanger – Sozialministerin Ulrike Scharf.

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

War dieser Artikel interessant?

Vielen Dank für deine Stimme!