Die Letzte Generation kämpft momentan gegen einen medialen Abnutzungseffekt und eine Normalisierung ihrer Proteste. Laut einem Bericht reagiert sie mit einem Strategiepapier.
Nach mittlerweile fast zwei Jahren des Protestes steht die Letzte Generation offenbar vor einem Richtungswechsel ihrer Proteststrategie. Dies habe das Führungsteam der Klimaschützer:innen in einem internen Video-Call seinen Angehörigen mitgeteilt, berichtet MDR Investigativ.
Die Ergebnisse zu neuen Plänen hielten die Mitglieder in einem Strategiepapier fest, das dem MDR – ebenso wie die Aufzeichnung des Video-Calls – vorliege. Demnach planen die Aktivist:innen der Letzten Generation, künftig etwa öffentliche Auftritte von Politiker:innen als Bühne für ihren Protest zu nutzen.
Festhalten wolle die Gruppe an Protestmärschen, Blockaden und auch an sogenannten „High Level“-Protesten, zu denen etwa Blockaden von Flughäfen zählen. Unter dem Aktionstitel „Orange Uprising“ sollen außerdem möglichst große Teile Berlins orange eingefärbt werden. Der Höhepunkt davon sei in der letzten Novemberwoche geplant, schreibt MDR Investigativ.
Erhoffte Aufmerksamkeit blieb aus
Warum die Letzte Generation neue Protestformen erwägt, hat mehrere Gründe: Einerseits habe man seitens der Gruppe gehofft, durch öffentliche Blockaden und Klebe-Aktionen einen „sozialen Kipppunkt“ bezüglich des Klimawandels einzuleiten, zitiert der MDR die Letzte Generation.
Jedoch habe die Gruppe anerkennen müssen, dass der soziale Umschwung infolge ihrer Proteste ausblieb, wie Kim Schulz, ein Kernteam-Mitglied der Letzten Generation, laut MDR Investigativ innerhalb des Videocalls erklärte.
Aus den strategischen Besprechungen gehe auch hervor, dass sich die Letzte Generation aktuell in einer Phase der Enttäuschung und Erschöpfung befände, weil bisherige Protestaktionen die gewünschte Aufmerksamkeit auf Dauer nicht aufrechterhalten konnten, heißt es im MDR-Bericht.
Demnach habe die Letzte Generation auch festgestellt, dass sich nach mittlerweile zwei Jahren des Protests eine Art Normalisierung in der Rezeption eingestellt habe: Zu harte Polizeieinsätze oder durch Autofahrer:innen verübte körperliche Gewalt an Protestierenden lösten bei Außenstehenden aktuell keine große Empörung mehr aus.
Ermittlungsverfahren gegen Letzte Generation sind zusätzliche Herausforderung
Aufgrund dieser Abnutzungserscheinungen wird es für die Letzte Generation immer schwerer, die für ihren Protest benötigte mediale Aufmerksamkeit herzustellen.
Laut Schulz steht die Gruppe zudem vor einer weiteren Herausforderung: Der Tatsache, dass sich einzelne Angehörige der Letzten Generation – vor allem aus ihrem harten Kern – zunehmend vor Gericht verantworten müssen. Das erfordere nicht nur organisatorische und zeitliche Kapazitäten, sondern auch emotionale Ressourcen.
Allein die Berliner Staatsanwaltschaft hat laut MDR mittlerweile mehr als 2.500 Verfahren gegen Angehörige der Letzten Generation eingeleitet. Dazu gehören Ermittlungen gegen mehrere Mitglieder wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, infolge derer es zu Hausdurchsuchungen bei den Beteiligten sowie zur Überwachung von Telefongesprächen kam.
Die bisher höchste Strafe, zu der es gegen die Angehörigen der Letzten Generation kam, lag bei acht Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung – für die Teilnahme an insgesamt drei Straßenblockaden. „Der Druck der Ermittlungsbehörden geht auch an den Mitgliedern der Letzten Generation nicht spurlos vorbei“, habe Schulz in dem Video-Call der Gruppierung gesagt.
Neue Protestformen haben Vorbild
Bei der Planung ihrer neuen Protestformen orientiert sich die Letzte Generation offenbar an einer US-amerikanischen Klimaschutzbewegung, Climate Defiance, schreibt der MDR. Die Gruppe ist erst seit März dieses Jahres aktiv und fiel bislang damit auf, dass sie Kundgebungen von Politiker:innen öffentlichkeitswirksam zu stören verstand.
In ihrem Video-Call habe die Letzte Generation auch offengelegt, sich mit den US-Klimaschützer:innen von Climate Defiance abgesprochen zu haben – vor allem über Formen des sogenannten Konfrontationsprotests. Diese seien im Strategiepapier dargelegt.
Demnach soll „eine Gruppe von mindestens zehn Menschen“ einen öffentlichen politischen Auftritt besuchen und sich im Publikum verteilen. Einer der Angehörigen solle dann in einem geeigneten Moment die Bühne betreten und die kundgebende Person mit ihren „Handlungen und Lügen konfrontieren“.
Laut Strategiepapier sollen die übrigen Gruppenangehörigen während dieser Konfrontation „rufend die Bühne betreten“ und sich gegebenenfalls auf der Bühne festkleben, um nicht vom Securitydienst weggezerrt werden zu können. Infolgedessen soll gegebenenfalls ein Abbruch jeweiliger öffentlicher Auftritte herbeigeführt werden.
Verwendete Quellen: MDR Investigativ
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