Die Klimakrise lässt auch die Kritik am Kapitalismus lauter werden. Klimaforscher Anders Levermann hält unendliches Wachstum innerhalb des Systems jedoch für möglich. Die Lösung der Klimakrise sieht er in der „Faltung der Welt“ innerhalb klar definierter Grenzen.
Anders Levermann ist Professor für die Dynamik des Klimasystems am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. In seinem am 19. Oktober erscheinenden Buch „Die Faltung der Welt“ nutzt er ein Konzept aus der Chaostheorie als Wegweiser aus der Klimakrise. Levermann sieht nämlich nicht den Kapitalismus per se als Wurzel des Übels, sondern den Mangel an Einschränkungen im System. Es gilt innerhalb notwendiger Grenzen neue Möglichkeiten zu „falten“. Dann sei sogar unendliches Wirtschaftswachstum in einer endlichen Welt möglich.
Was „Faltung der Welt“ bedeutet
„Genauso wie es unendlich viele Zahlen zwischen Null und Eins gibt, gibt es unendlich viele Möglichkeiten auf unserer endlichen Erde“, erklärt Levermann. Selbst wenn es innerhalb eines Systems feste Grenzen gebe, die sich nicht überschreiten lassen, ließen sich innerhalb der Grenzen unendlich viele Möglichkeiten finden. In der Chaostheorie geschehe dies durch die sogenannte Faltung. Das Wachstum könne nicht über die Grenzen hinaus und so „faltet“ es sich zurück in den vorhandenen Raum, um nach neuen Möglichkeiten zu suchen. Es wird dabei „unglaublich vielfältig und kreativ“, sagt Levermann.
Der Wissenschaftler erklärt das Konzept auch etwas anschaulicher anhand alltäglicher Erfahrungen: „Wir hören nur begrenzt Frequenzen, komponieren aber immer neue Musik. Ähnlich ist es mit der Malerei mit Farben oder beim Kochen,“ sagt Levermann. Zwar seien unsere Sinne beschränkt, doch wir holten ständig neue Facetten aus ihnen heraus. Laut Levermann heißt das: „Menschen sind kreativ, weil sie Grenzen haben.“
Wir sollten die Angst vor diesen Grenzen verlieren und verstehen, dass sie unsere Freiheit garantieren, so der Appell des Physikers, das gelte auch im Umgang mit der Klimakrise.
Notwendige Grenzen
Levermann sieht verschiedene sinnvolle Grenzen, um die Umwelt und das Klima zu schützen. Die Grenze für Treibhausgase sei von der Physik etwa schon vorgegeben: „Sie ist Null.“
Auch das ursprüngliche Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sei ganz im Sinne der Faltung gewesen: „Wenn in 20 Jahren kein Gas und kein Öl mehr verbrannt werden darf, dann ist es widersinnig jetzt noch Öl- und Gasheizungen einzubauen, die 30 Jahre halten“, findet Levermann. Bisher drehe sich die Diskussion vor allem um Wärmepumpen, doch diese müssten nicht das letzte Wort sein. Andere klimaneutrale Lösungen seien denkbar und Grenzen sollten als Herausforderung verstanden werden, „neue Technologien und Lebensweisen“ zu entwickeln.
Des Weiteren spricht sich Levermann für ein gesetzliches Höchsteinkommen aus, um die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. „Es gäbe weiter Anreiz und ein Leistungsprinzip“, sagt der Klimaforscher, „aber es gäbe eine Grenze der Ungleichheit“.
Unendlicher Wachstum im Kapitalismus sei trotzdem möglich
Ein beliebter Spruch unter Kritiker:innen des Kapitalismus lautet: „Unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten ist nicht möglich“. Laut Levermann stimmt dies aber nur, „wenn man unter Wachstum versteht, dass es immer mehr geben muss“. Ersetze man das Wort „Wachstum“ aber durch „Entwicklung“, komme man der Lösung schon näher.
Wirtschaftswachstum sei ein Antrieb, sich weiterzuentwickeln. Um Armut zu bekämpfen oder die Wirtschaft klimaneutral zu machen, sei noch viel Innovation, also Weiterentwicklung nötig. „Wir sollten also nicht den Anreiz abwürgen, etwas zu schaffen“, sagt Levermann.
Verwendete Quelle: Spiegel
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