Das Entfernen von Plastikmüll aus dem Meer muss gut durchdacht sein. Ansonsten können Aufräumaktionen der Umwelt auch schaden, warnt eine Meeresforscherin.
Der Plastikmüll in den Weltmeeren ist eines der größten Umweltprobleme der Gegenwart. Allein im sogenannten „Great Pacific Garbage Patch“, einem gewaltigen Müllstrudel im Pazifik, befinden sich laut Angaben von Ocean Cleanup über 1,8 Milliarden Stücke Plastik mit einem Gewicht von insgesamt über 80.000 Tonnen. Die Meeresschutzorganisation hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, mit riesigen Netzen Müll aus den Ozeanen zu fischen. Doch laut Ökologin Jannike Falk-Andersson vom Norwegischen Institut für Wasserwirtschaft, können solche groß angelegten Aufräumaktionen auch negative Folgen für die Umwelt haben.
Müllentfernung kann mehr schaden als nützen
Prinzipiell findet Falk-Andersson es gut, Plastikmüll aus dem Meer zu entfernen. Doch die vielen neuartigen Technologien, die dabei zum Einsatz kommen, etwa Unterwasserstaubsauger, Räumroboter oder die von „Ocean Cleanup“ verwendeten Riesenkäscher, sieht die Meeresforscherin kritisch. Gemeinsam mit Kolleg:innen fordert sie im Fachmagazin Environmental Science & Technology, dass die jeweiligen Methoden und deren Auswirkungen auf die Umwelt besser untersucht werden müssten. Das heißt: Überwiegen die positiven Effekte oder das Risiko möglicher Schäden?
In einem Spiegel-Interview nennt Falk-Andersson die Probleme neuartiger Müllentfernungsmethoden. Eines davon sei, dass Plastikmüll inzwischen selbst zu einem Teil von Ökosystemen geworden sei. „Es wimmelt darin von Lebewesen“, mahnt die Wissenschaftlerin. So könnten ausgerechnet die Arten den Aufräummaßnahmen zum Opfer fallen, die eigentlich dadurch geschützt werden sollten. Falk-Andersson hat einen solchen Fall bereits erlebt. In der norwegischen Hauptstadt Oslo sollte ein Netz verhindern, dass Plastikmüll von einem Fluss ins Meer gelangte. Doch auch ein vom Aussterben bedrohter Aal landete im Netz und starb dabei.
Ein weiteres Problem sei die mangelnde Effizienz mancher Methoden. „Wir hätten in einer Stunde von Hand mehr Plastik vom Flussufer fischen können, als dieses Netz in einer Woche eingesammelt hat“, moniert die Ökologin. Das müsse bei allen Methoden bedacht werden, auch von den Entwickler:innen der Technologien, die meist Ingenieur:innen seien und keine Ökolog:innen.
Selbst wenn eine Methode so funktionieren sollte, dass der Nutzen den Schaden überwiegt, mahnt die Expertin zur Vorsicht. Wenn man den Plastikmüll einfach wieder aus dem Meer entfernen könnte, könne der Eindruck entstehen, dass Plastikverschmutzung gar nicht so schlimm sei, sagt die Wissenschaftlerin. Dabei sei es wichtiger, dass Kunststoffe erst gar nicht in der Umwelt landeten.
Plastikmüll einsammeln ist trotzdem sinnvoll
Falk-Andersson richtet ihre Kritik vor allem an groß angelegte Müllsammelmaßnahmen mit neuartigen Methoden – und auch nur gegen solche, die schlecht durchdacht und nicht an die jeweiligen Ökosysteme angepasst sind.
Gerade wenn Menschen vereinzelt Müll aufsammeln, habe das jedoch eine sehr gute Schaden-Nutzen-Bilanz. Wer also beim Spaziergang am Strand oder im Wald auf Plastikmüll stößt, sollte nicht davon entmutigt werden, ihn einzusammeln und bei der nächsten Gelegenheit korrekt zu entsorgen.
Verwendete Quellen: The Ocean Cleanup, Environmental Science & Technology, Spiegel
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