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„Wie wir die Welt gesund essen“: Dirk Steffens und RTL ignorieren wichtigen Aspekt

Die GEO Story - Wie wir uns die Welt gesund essen
Foto: RTL

Die neue RTL-Reportage „Wie wir die Welt gesund essen“ schildert die globale Ernährungsnotlage und soll Hoffnung machen. Die Botschaft: Wir können die Welt noch retten. Aber wehe, man nimmt uns dabei die Bratwurst weg! Eine Kritik.

In der RTL-Doku „Die große GEO-Story – Wie wir uns die Welt gesund essen“ geht es „um die Wurst“, wie der zu Wortspielen aufgelegte Moderator Dirk Steffens gleich mehrfach betont. Gezeigt werden die krassen Auswüchse der globalisierten Lebensmittelproduktion, etwa dass der Wurstverzehr in Deutschland mit Morden in Brasilien und der Flut im Ahrtal zusammenhängt. Auch einige vielversprechende Lösungsansätze bekommen Sendezeit. Die Bratwurst wegzulegen, kommt aber nicht in Frage. Das enorme Potenzial einer veganen oder überwiegend pflanzlichen Lebensweise, wie es etwa die Planetary Health Diet vorschlägt, ignoriert die Doku komplett.

Das Problem: Wie bekommen wir alle Menschen satt?

Im Zentrum der „GEO-Story“ steht die Frage, wie sich die gesamte Menschheit nachhaltig ernähren lässt. Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung, die bereits über acht Milliarden Menschen umfasst und laut UN-Prognose bis zum Ende des Jahrhunderts auf 10,4 Milliarden steigen könnte, scheint dieses Ziel in weiter Ferne. Hinzu kommen Bodenerosion, Grundwasserrückgang und Klimawandel, wodurch die verfügbare Anbaufläche weiter abnimmt.

Für Steffens ist die Lebensmittelversorgung der Menschheit deshalb das „größte Umweltproblem“ unserer Zeit. Eine Einschätzung, die die Doku anschaulich begründet.

So erklärt der Journalist, dass nur zehn Prozent der Erde als landwirtschaftliche Nutzfläche dienen können. Für jede:n einzelnen Menschen bliebe somit weniger als ein Fußballfeld zur Verfügung, um dessen Lebensmittel zu produzieren. Doch es wird laut Doku noch schlimmer: Jedes Jahr verschwinden Ackerflächen so groß wie ein Drittel Deutschlands. Und um einen neuen Quadratmeter nutzbarer Erde zu produzieren, brauche die Natur 10.000 Jahre. „Auf der Erde wird die Erde knapp“, resümiert der Moderator. Was also tun?

Pflanzliche Lebensmittel bieten massive Vorteile

80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche gehen allein für Tierfutter drauf, heißt es in der Reportage. Doch den Gedanken, dass Menschen Soja und Mais lieber an Tiere verfüttern, als es direkt zu sich zu nehmen, verfolgt die Sendung nicht weiter.

Dabei werden laut Weltagrarbericht zwei bis sieben pflanzliche Kalorien benötigt, um eine tierische Kalorie herzustellen. Außerdem verbraucht eine vegane Lebensweise im Vergleich zu einer durchschnittlichen Ernährung laut einer Meta-Studie von 2020 ein Viertel weniger Wasser. Auch was die Klimabilanz angeht, schneiden tierische Lebensmittel im Schnitt sehr viel schlechter ab als pflanzliche.

Nun muss man nicht gleich Veganer:in werden, um seine Ernährung in eine deutlich umweltfreundlichere Richtung zu lenken. Mit der Planetary Health Diet haben Wissenschaftler:innen einen Plan entworfen, der zumindest in der Theorie allen Menschen weltweit eine gesunde und nachhaltige Ernährung ermöglichen könnte.

Darin sind auch Fleisch und andere Tierprodukte inkludiert, allerdings in deutlich geringeren Mengen als aktuell üblich. So werden täglich nur maximal 28 Gramm rotes Fleisch empfohlen, was etwa ein bis zwei Bratwürsten die Woche und ungefähr zehn Kilogramm pro Jahr entspricht. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch insgesamt lag in Deutschland laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2022 bei 52,1 Kilogramm.

Die Möglichkeit einer überwiegend pflanzlichen Ernährung wird von Steffens und seinem Team aber schnell beiseite geschoben: Es sei „nicht so sehr die Frage, was wir essen, ob Sie jetzt Wurst oder Veggie sind, sondern es ist viel wichtiger, wie das, was Sie essen, hergestellt worden ist“. Sicher ist die Herstellung ein entscheidender Faktor. Doch warum die bessere Ökobilanz pflanzlicher gegenüber tierischer Lebensmittel so viel weniger wichtig sei, dazu bleibt die „GEO-Story“ eine Erklärung schuldig.

Bei RTL gibt’s lieber Insekten als vegan

Vegetarische oder gar vegane Ernährung wird abgesehen vom „Wurst oder Veggie“-Zitat kein einziges Mal thematisiert. Stattdessen reist die Crew um die Welt, um einige ungewöhnlichere Lösungsansätze zu erforschen: von Heuschrecken, die aus der Luft „geerntet“ werden, anstatt wertvolle Ackerfläche zu belegen, über Algenanbau im Meer und Salathochhäuser bis hin zur digitalen Landwirtschaft, die mithilfe von KI den Einsatz von Dünger und Pestiziden optimieren kann.

Steffens appelliert an den menschlichen Erfindungsgeist, um die Krise zu bewältigen. Doch eine vergleichsweise einfache Sache trauen die Verantwortlichen der Doku den Menschen wohl nicht zu: weniger Fleisch zu essen. Stattdessen sollen zum Beispiel Algen ins Tierfutter gemischt werden, damit Kühe 82 Prozent weniger Methan ausstoßen, und die Bratwurst soll Bio sein, damit dafür keine Menschen getötet werden. Schließlich garantiere das Bio-Siegel, dass das Tierfutter nicht aus illegalem Anbau im Amazonas stammt. Alles besser als der Status quo, aber auch nur halbgare Lösungen.

Immerhin der Hauptappell am Ende der Sendung trifft ins Schwarze: Ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel werde weggeworfen. Die Ackerböden könnten sich aber erholen, wenn wir 10 Prozent weniger anbauen würden. Die Schussfolgerung ist klar: Weniger wegwerfen! So könne jede:r „zur Weltrettung beitragen“, erklärt Steffens.

Fazit: Ein blinder Fleck in einer ansonsten guten Doku

„Die GEO-Story – Wie wir uns die Welt gesund essen“ ist zwar durchaus sehenswert, da sie das Problem der Welternährung einprägsam veranschaulicht, absurde Auswüchse der Globalisierung aufzeigt (eine gigantische Milchfarm mitten in der Wüste!) und auch ein paar faszinierende Lösungsansätze präsentiert. Umso enttäuschender ist es, dass die RTL-Reportage die Themen Veganismus und Planetary Health Diet sträflich vernachlässigt.

Dementsprechend beginnt und endet die Doku mit dem genussvollen Biss in eine Bratwurst. Steffens sei „genervt von schlechten Nachrichten, schlechter Laune, schlechtem Gewissen“ klagt er, doch nach der Sendung verspricht er den Bratwurstfreund:innen vor dem Bildschirm: „Danach schmeckts wieder!“

„Die große GEO-Story – Wie wir die Welt gesund essen“ ist seit dem 12. Oktober mit Premium-Zugang bei RTL+ verfügbar. Am 19. Oktober um 20.15 Uhr findet die Free-TV-Premiere statt.

Weitere Quellen: UN, Brot für die Welt, Harris et al., Planetary Health Diet, BMEL

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