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Verdeckte Aufnahmen auf Geflügelbetrieb zeigen „Sadismus“

„Sadismus, eine Perversion": Aufnahmen enthüllen Missstände auf Geflügelbetrieb
Screenshot: ARD/ Report Mainz

Tierschützer:innen haben auf einem Geflügelbetrieb in Niedersachsen verdeckte Aufnahmen angefertigt, die Tierquälerei bei der Ausstallung zeigen. Verschiedene Expert:innen äußern sich in einer Sendung zu den Bildern, eine Tierärztin spricht von „Sadismus“.

Inhaltswarnung: Dieser Artikel thematisiert Tierquälerei. Wenn du Bedenken hast, dass dich das Thema belasten könnte, überlege vorab, ob du den Artikel lesen möchtest. 

Auf einem Großbetrieb im Emsland in Niedersachsen wurden laut der Tierschutzorganisation SOKO Tierschutz Tiere gequält. Das geht aus verdeckten Aufnahmen hervor, die dem ARD-Format Report Mainz vorliegen. Die Tierschützer:innen haben den betroffenen Betrieb wochenlang verdeckt gefilmt. Auf dem Hof werden laut ARD 100.000 Masthähnchen gleichzeitig gemästet. Eine Veterinärin bezeichnet die Bilder als „Sadismus“.

Undercoveraufnahmen: Geflügel wie Schneeball geworfen

Auszüge der Aufnahmen sind in der Report-Mainz-Sendung vom 22. August zu sehen. Auf den Videos sind viele kranke und verletzte Tiere zu sehen. Außerdem Mitarbeiter:innen einer Ausstallfirma, eine sogenannte „Fangkolonne“, die die Hühner in Transportboxen packen. Allerdings gehen die Arbeiter:innen, deren Gesichter auf den Aufnahmen unkenntlich gemacht wurden, dabei rücksichtslos mit den Tieren um.

Sie packen Hühner büschelweise vom Boden und werfen sie kopfüber in die Kisten. Eine angestellte Person schubst eine andere auf eine Hühnermenge, als Vergeltung schleudert die geschubste Person der anderen ein Huhn hinterher, ähnlich wie einen Schneeball. Friedrich Mülln, der Leiter der SOKO Tierschutz, erklärt, dass bei den Tieren nach der 45-tägigen Mast die Beine sehr leicht brechen würden. Wenn man eine erwachsene Person auf die Hühner schubst, sei das für die Tiere „verheerend“.

Auf den verdeckten Aufnahmen ist zu sehen: Eine Person wirft mit einem Huhn nach einer anderen.
Auf den verdeckten Aufnahmen ist zu sehen: Eine Person wirft mit einem Huhn nach einer anderen. (Screenshot: ARD/ Report Mainz)

Die Veterinärin Kirsten Tönnies ordnet die Aufnahmen gegenüber Report Mainz ein. „Das ist Lust am Quälen, am Leiden des anderen“, so die Expertin. „Im Prinzip ist das Sadismus, eine Perversion.“ Die Tiere würden bis zu ihrem Tode gequält – es handle sich bei den gezeigten Szenen um Straftaten, nicht um Ordnungswidrigkeiten.

Strafanzeige gestellt, Mitarbeiter:innen sollen entlassen werden

Der Geschäftsführer des Mastbetriebs lehnt sowohl ein Interviewangebot von Report Mainz ab, als auch Angebote, die Bilder zu sehen. Ein Anwalt des Unternehmens erklärt, dass das Fachunternehmen, welches die Tiere verlädt, „über hohes Ansehen am Markt verfügt“ und es „nie Anlass zu Beanstandungen“ gegeben hätte. Der Geschäftsführer des Fachunternehmens erklärt gegenüber Report Mainz, die gefilmten Mitarbeiter:innen entlassen zu wollen.

Report Mainz hat auch das zuständige Veterinäramt im Emsland informiert. Dieses schreibt, man erkenne „erhebliche Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht“ auf den Aufnahmen. Es würden schwerkranke Einzeltiere gezeigt, welche unverzüglich behandelt oder tierschutzgerecht getötet werden müssten. Außerdem seien verendete Tiere im Stall sichtbar, die nicht unverzüglich beseitigt wurden. Die strafrechtliche Relevanz werde geprüft. Das niederländische Agrarministerium hat inzwischen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg gestellt.

Tierquälerei beim Ausstallen: Landwirtschaftsministerin sieht systemischen Grund

„Es gibt immer wieder Hinweise darauf, dass es zu Verletzungen von Geflügel beim sogenannten Ausstallen kommt“, sagte Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zu dem Vorfall. Ein systemischer Grund für diese Verstöße liege in den Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter:innen. „Das bedeutet oft fehlende Pausenzeiten und Akkordarbeit. Tierschutz ist unter solchem Zeitdruck kaum möglich.“

Derzeit werde im Austausch mit dem Sozialministerium geprüft, wie für Mitarbeitende sogenannter Fangkolonnen Arbeitsschutzmaßnahmen festgelegt werden könnten, hieß es. Seit Ende September 2022 sind die örtlichen Veterinärbehörden verpflichtet, das Ausstallen stichprobenartig zu kontrollieren. Das Ministerium hat eine Abfrage bei den Landkreisen und kreisfreien Städten gestartet, um einen Überblick über die Ergebnisse der Kontrollen zu erhalten.

„Stichprobenartige Kontrollen sind allerdings leider nur bedingt effektiv, denn sobald die Kontrollpersonen vor Ort sind, wird das Arbeitsverhalten angepasst“, sagte die Ministerin. Die Tierhalter:innen tragen Staudte zufolge die Gesamtverantwortung, solange die Tiere auf ihrem Hof sind. Es sei aber auch wichtig, die Mitarbeitenden der Fangkolonnen zu schulen. „Bisher trifft die Schulungspflicht bundesweit nur auf die Kolonnenführerinnen und -führer zu“, sagte die Grünen-Politikerin. „Das wollen wir ändern.“

Die betreffende Sendung von Report Mainz ist in der ARD-Mediathek als Stream verfügbar.

Verwendete Quellen: Report Mainz, dpa

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