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Secondhand bis zu 30.000 Euro: Warum gebrauchte Luxuswaren gerade so beliebt sind

Secondhand bis zu 30.000 Euro: Warum gebrauchte Luxuswaren gerade so beliebt sind
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Von Vintage-Tops zu Retro-Sneakern: Der Secondhand-Markt wächst weiter. Experten sagen, gerade hochpreisige Artikel sind gefragt. Wie kommt das?

Wer bei Gebrauchtwaren nur an Wühltische, Kleiderspenden und Flohmärkte denkt, lässt einen wachsenden Trend außen vor: „Der Handel mit gebrauchten Luxuswaren wird überproportional steigen“, sagt Christian Wulff von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. „Unter anderem werden damit Käuferschichten erreicht, die sich Neuware nicht leisten können oder wollen.“

Neben dem Secondhand-Kauf sieht Wulff auch eine weitere Möglichkeit für Luxus auf Zeit: Gerade in den USA lasse sich ein Trend zu Leasing- und Verleihmodellen beobachten. „Nicht nur bei Autos, wie es schon weit verbreitet ist, sondern auch bei Schmuck und Handtaschen“, sagt Wulff. „Ich gehe davon aus, dass das Konzept in den kommenden Jahren mehr und mehr nach Deutschland überschwappen wird.“ Online-Portale spielen demnach eine wichtige Rolle beim An- und Verkauf von gebrauchten Markenartikeln. 

Vinted baut Luxussegment aus

Auch die Secondhand-Plattform Vinted baut derzeit ihr Luxus-Angebot aus. Kürzlich übernahm sie die Plattform Rebelle, die vor allem auf Secondhand-Designerartikel spezialisiert war. „Auf Vinted sind Artikel aus höheren Preissegmenten beliebt, sie werden vermehrt eingestellt und auch oft schnell gekauft“, sagt Rebelle-Gründerin Cécile Wickmann, nun Leiterin des Bereichs Luxus auf Vinted. 

Um einen möglichst sicheren Einkauf zu ermöglichen, bietet Vinted eine Echtheitsprüfung für Designerstücke an. Das koste für Käufer:innen zehn Euro. Dabei fliegen immer wieder Fälschungen auf, wie Wickmann berichtet. Generell gelte: „Wenn der Preis zu schön ist, um wahr zu sein, sollte man vorsichtig sein.“

Vinted hat kein eigenes Sortiment, sie stellen nur die Plattform, auf der sich Verkäufer:innen und Käufer:innen finden können. Dennoch kann das Portal profitieren, wenn teurere Artikel über das System verkauft werden: „Vinted verdient neben Werbeeinnahmen an der Käuferschutzgebühr. Die beträgt fünf Prozent des Kaufpreises plus 70 Cent“, erklärt Wickmann. „Das Limit für Verkaufspreise auf Vinted liegt bei 30.000 Euro.“

Luxus und Secondhand gehen „Hand in Hand“

Für die Beliebtheit teurer Modestücke sieht Thomas Hensel, Professor für Kunst und Designtheorie an der Hochschule Pforzheim, einen Grund: „Gerade Social Media, aber auch viele Serien auf Streaming-Plattformen, befeuern bei jungen Menschen das Verlangen, Teil von dieser Luxuswelt zu sein“. Dabei gehe es immer darum, eine Zugehörigkeit zu signalisieren. „Doch viele Menschen können sich die Designerstücke nicht leisten, manche greifen daher auf Fälschungen zurück oder finden eben ein gebrauchtes Teil“, sagt der Professor. Da greife der Spruch „Fake it till you make it“ (auf Deutsch: täusche es vor, bis du es schaffst).

Laut Hensel gehen Luxus und Secondhand mittlerweile Hand in Hand: „Luxus kann neben dem hohen Preis unter anderem durch herausragende Qualität definiert werden. Das macht ihn damit auch gut geeignet für einen Weiterverkauf.“ Dazu lebe Luxus von extremer Verknappung. „Wenn ich nicht auf die exklusive Warteliste des Designerladens komme, bleibt mir nur die Möglichkeit, auf dem Resale-Markt zu schauen.“

Das hätten auch die Marken erkannt. „Einige Luxuslabels haben bereits eigene Gebrauchtbörsen gegründet.“ Beispielsweise kaufe der Kofferhersteller Rimowa gebrauchte Koffer von seinen Kund:innen ab, repariere jene unter Umständen und verkaufe sie dann wieder – „natürlich mit hoher Marge„, so Hensel. Eine gute Entwicklung, findet er. „Durch die Zweitverwertung von Luxusgütern wird deren Lebenszyklus verlängert. Das Produkt wird nicht in die Tonne getreten, es wird nicht auf die Deponie gemüllt, es entstehen dadurch keine neuen Umweltlasten.“

Auch die neue Filiale der Secondhand-Kette Picknweight in der Stuttgarter Innenstadt erinnert kaum mehr an einen Trödelladen. „Wir kaufen unsere Ware, was bedeutet, dass wir keine Preise anbieten können, die mit denen von Wohltätigkeitsläden vergleichbar sind“, sagt Claudia Bolufer, eine Sprecherin der Kette. Ab und an lassen sich auch hier Designerstücke finden. Das Konzept scheint zu laufen, neben Stuttgart wurde kürzlich auch eine zwölfte Filiale in Heidelberg eröffnet. Und es soll nicht die letzte bleiben.

Umweltschützer:innen fordern mehr Aufklärung

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßt nach eigenen Angaben die Entwicklung des gesamten Secondhand-Markts in Deutschland. Umweltschützer Thilo Maack sagt jedoch auch: „Der Markt könnte transparenter sein in Hinblick auf Zustand und Herkunft der Kleidung.“

Zudem solle mehr über die Umweltauswirkungen von Fast-Fashion, wie günstig hergestellte und verkaufte Mode auch genannt wird, aufgeklärt werden. Auch müsse der Export von Secondhand-Kleidung aus Ländern wie Deutschland stärker reguliert werden, fordert der Umweltschützer.

Die Organisation plädiert für die Einführung eines „Verursacherprinzips„. Demnach sollen Unternehmen weltweit Verantwortung für ihre Produkte entlang des ganzen Lebenszyklus übernehmen.

Utopia meint: Auch bei Secondhand kann man auf Fairness achten

Secondhand zu kaufen schont Ressourcen, und davon profitieren Umwelt und Klima – zumindest in den meisten Fällen. Allerdings gibt es Gründe dafür, auch bei gebrauchter Kleidung darauf zu achten, welche Marken man unterstützt. Denn bestellt man Gebrauchtes direkt beim Hersteller, finanziert man damit die Marke mit – und damit auch ihre Produktionsbedingungen. Kauft man das gebrauchte Kleidungsstück über Secondhandläden oder -plattformen und trägt es, dann verleiht man dem Hersteller trotzdem Sichtbarkeit und regt vielleicht andere zum Kauf von Neuware an.

Manche Luxusmarken mögen tatsächlich eine höhere Qualität aufweisen. Doch einige Hersteller stehen – genau wie Fast-Fashion-Marken – immer wieder wegen Ausbeutung in der Kritik. Zuletzt wurden laut ZDF etwa gegen Armani und Dior Ermittlungen eingeleitet, wegen mutmaßlicher Ausbeutung entlang der Lieferkette.

Ein gebrauchtes Armani-Top mag der Umwelt weniger schaden als ein neues H&M-Top. Doch wer bessere Mode kaufen will, greift idealerweise zu Produkten von Marken, die sich glaubhaft für Transparenz und Fairness einsetzen – egal ob neu oder gebraucht. Einige Fair-Fashion-Marken bieten übrigens ebenfalls Gebrauchtware in ihren Onlineshops an, etwa Hessnatur.

Weitere Quellen: ZDF

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