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Shein im Visier: Wie die EU gegen die Ultra-Fast-Fashion-Plattform vorgeht

Shein im Visier: Wie die EU gegen die Ultra-Fast-Fashion-Plattform vorgeht

Asiatische Online-Shops ziehen mit ihren Schnäppchen zahlreiche Kund:innen an. Doch was hinter den verlockenden Preisen steckt, wirft Fragen auf – jetzt rückt die Plattform Shein in den Fokus. Die EU leitete am Mittwoch eine Untersuchung ein und legte am Donnerstag mit einem Auskunftsersuchen nach.

Die EU-Kommission will entschiedener gegen den massenhaften Import von Billigprodukten vorgehen. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde bringen insbesondere die Shoppingportale Shein und Temu große Mengen günstiger Waren in die EU, wobei es Bedenken beim Verbraucherschutz und Sicherheitsstandards gibt.

Die Kommission hat daher am Mittwoch eine Untersuchung gegen Shein eingeleitet, um mögliche Verstöße gegen den europäischen Verbraucherschutz zu prüfen. Dabei geht es unter anderem um mutmaßlich missbräuchliche Vertragsbedingungen und unlautere Geschäftspraktiken. Die Untersuchung wird von den nationalen Verbraucherschutzbehörden unter der Aufsicht der Kommission durchgeführt. Eine Sprecherin von Shein betonte, dass der Konzern in regulatorischen Fragen gemeinsam mit den Partnern auf EU- und nationaler Regierungsebene zusammenarbeiten wolle

Auch gegen Temu wurde schon eine ähnliche Untersuchung geführt. Damals waren etwa problematische Praktiken wie falsche Rabattaktionen, gefälschte Bewertungen sowie fehlende und irreführende Informationen zu Rechtsansprüchen der Verbraucher festgestellt worden.

Am Donnerstag verlangte die EU-Kommission von dem asiatischen Shoppingportal Shein mehr Informationen zu illegalen Waren und den Empfehlungssystemen auf der Plattform. Die Brüsseler Behörde stellte unabhängig von der eingeleiteten Untersuchung ein Auskunftsersuchen auf der Grundlage des EU-Gesetzes für digitale Dienste (Digital Services Act), wie sie mitteilte. Demnach soll Shein unter anderem mehr Informationen über die Maßnahmen vorlegen, mit denen das Portal Verbraucher:innen schützt. Die Kommission fordert auch Einzelheiten zum Schutz der personenbezogenen Daten der Nutzer:innen.

Auskunftsersuchen: Brüssel setzt Frist für Antworten

Shein muss den Angaben zufolge die geforderten Informationen bis zum 27. Februar liefern. Auf Grundlage der Antworten werde die Kommission die nächsten Schritte festlegen. Wenn ein Unternehmen falsche, unvollständige oder irreführende Informationen bereitstelle oder sich weigere, die Fragen zu beantworten, könne die Behörde Geldstrafen verhängen.

Eine Sprecherin des Unternehmens teilte auf Anfrage mit, dass Shein das Ziel der EU-Kommission teile, Verbraucher:innen in der EU ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Einkaufserlebnis zu ermöglichen. „Die Anfrage der Kommission haben wir erhalten und arbeiten daran, sie zügig zu beantworten.“

Das Gesetz über digitale Dienste (DSA) soll unter anderem sicherstellen, dass Plattformen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen als bislang. Nutzer:innen wird es wiederum leichter gemacht, solche Inhalte zu melden. Grundsätzlich müssen große Dienste mehr Regeln befolgen als kleine. Halten sie sich nicht daran, drohen empfindliche Strafen – darunter Geldbußen in Höhe von sechs Prozent des gesamten weltweiten Jahresumsatzes.

Weitere Maßnahmen in EU und Deutschland geplant

Parallel dazu plant die EU-Kommission Reformen im Zollrecht, um die rasant steigende Zahl an Kleinsendungen besser kontrollieren zu können. Laut der Brüsseler Behörde wurden im vergangenen Jahr 4,6 Milliarden Päckchen mit einem Wert unter 150 Euro in die EU importiert, davon stammten 91 Prozent aus China. Das ist dreimal mehr als 2022 und entspricht mehr als 12 Millionen Paketen pro Tag in der EU. Die Kommission schlägt daher eine Bearbeitungsgebühr für direkt an Verbraucher gelieferte E-Commerce-Waren vor, um die steigenden Kosten für Zoll- und Marktüberwachung auszugleichen.

Zudem soll die bisherige Zollbefreiung für Sendungen unter 150 Euro abgeschafft werden. Diese Freigrenze will die Kommission schon seit langem aufheben. Dies könnte etwa auch für Onlinemarktplätze wie Amazon oder Etsy gelten. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Händler – unabhängig von ihrem Standort – die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben.

Nicht nur die EU, sondern auch die Bundesregierung will ihre Maßnahmen verschärfen. Ein angekündigter Aktionsplan sieht etwa eine engere Zusammenarbeit und mehr Befugnisse der nationalen und europäischen Marktüberwachungsbehörden und des Zolls vor. Außerdem unterstütze man die Aufhebung der 150-Euro-Zollfreigrenze, hieß es.

Geplante Maßnahmen ernten Lob und Kritik

Der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßt die Pläne der EU und sieht darin einen wichtigen Schritt hin zu faireren Wettbewerbsbedingungen. „Anbieter wie Temu und Shein dürfen nicht länger ungeschoren mit Regelbrüchen davonkommen“, sagte der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Gleichzeitig warnt der Verband vor zusätzlicher Bürokratie für europäische Händler.

Aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbandes reichen die Maßnahmen nicht aus. „Bisher werden Anbieter nicht daran gehindert, unsichere Produkte über Online-Marktplätze zu verkaufen“, sagt Referentin Stefanie Grunert. Die Verbraucherschützer:innen fordern: Betreiber von Online-Marktplätzen müssen haften, wenn Angebote auf ihren Plattformen nicht den EU-Anforderungen entsprechen.

Der E-Commerce-Verband Bevh sieht in den EU-Plänen zwar gute Ideen, warnt jedoch davor, dass der Onlinehandel per se mit zusätzlichen Regeln und Gebühren benachteiligt werden könnte. „Mögliche Strafgebühren gegen einzelne Geschäftsmodelle würden auch redliche Händler treffen“, sagte die Leiterin für Europapolitik, Alien Mulyk.

Shein ist sehr beliebt in Deutschland

Trotz aller Kritik erfreuen sich die asiatischen Plattformen großer Beliebtheit. Besonders Temu konnte in Deutschland stark wachsen. Laut YouGov-Daten landete die Plattform im ersten Halbjahr 2024 gemessen an der Zahl der Bestellungen auf Platz sechs der meistgenutzten Onlinehändler. Rund 1,3 Millionen Menschen kauften in diesem Zeitraum bei Temu ein. Entscheidend für den Erfolg sind die extrem niedrigen Preise und das breite Sortiment. „Die Qualität muss nicht immer schlecht sein, viele Kunden machen gute Erfahrungen“, sagt Marktforscher Christian Koch.

Laut einer repräsentativen Bitkom-Umfrage unter Käufern von Temu und Shein geben 92 Prozent an, dort bestellt zu haben, weil die Produkte günstiger waren als in anderen Online-Shops. Dennoch gibt es bei den Kund:innen offensichtlich auch Bedenken. Fast jeder Zweite macht sich nach eigenen Angaben Sorgen, dass in den Produkten gesundheitsschädliche Materialien enthalten sind.

Die Portale sind jedoch auch bei Handelsvertreter:innen, Politiker:innen und Verbraucherschützer:innen umstritten. Diese kritisieren unter anderem Produktqualität, mangelnde Kontrollen und unfaire Wettbewerbsbedingungen. Die Portale weisen die Vorwürfe zurück.

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