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Extrem-Sommer in Europa: Was der „Kälteblob“ damit zu tun hat

Heiß, heißer, Sommer in Europa: Was das mit dem "Kälteblob" zu tun hat
Foto: Thomas Warnack/dpa, CC0 Public Domain - Unsplash/ Annie Spratt (Symbolbild)

Europa leidet immer wieder unter extremer Hitze. Zwei Studien deuten darauf hin, dass Meeresphänomene im Atlantik unsere Sommer-Temperaturen beeinflussen – der „Kälteblob“ und der Subtropische Wirbel.

Deutschland knackt immer wieder Temperaturrekorde, zuletzt im Februar und März – Utopia berichtete. Doch auch andere Länder kämpfen zunehmend mit extremen Temperaturen, vor allem im Sommer: Im Juli 2023 gab es etwa fast 50 Grad auf Sardinien, im August die verheerenden Waldbrände in Griechenland. Europa hat sich bereits um 2,3 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum erwärmt. Laut Weltmeteorologiebehörde WMO heizt sich der Kontinent schneller auf als andere – und doppelt so schnell wie die Welt insgesamt.  

Warum erlebt Europa im Sommer immer extremere Hitzewellen? Zwei neue Studien untersuchen einen Zusammenhang mit Phänomenen im Atlantik: dem „Kälteblob“ und dem „subtropischen Wirbel“. Der erste Begriff bezeichnet eine Region südlich von Grönland, die sich Messungen zufolge seit dem 19. Jahrhundert abgekühlt hat – obwohl die Weltmeere im Zuge der globalen Erwärmung immer wärmer werden. Subtropische Wirbel sind ringartige Systeme von windgetriebenen Meeresstömungen – der in der Studie untersuchte befindet sich südlich des Kälteblobs.

Wegen Eisschmelze: Kälteblob beeinflusst Europa-Wetter

Forschende des National Oceanography Centre in Großbritannien haben Wetterdaten aus der Periode ab 1979 analysiert und dabei ein Muster entdeckt: Kommt es im Winter zu Südwasseranomalien im Nordatlantik, kann das warme Sommer in Europa nach sich ziehen. Denn die Anomalien können die Meeresoberflächentemperatur und die Luftzirkulation beeinflussen, was zu extremen Wetterereignissen wie Hitze und Trockenheit führen kann. So gab es etwa vor den zehn wärmsten Sommern in Europa immer eine starke Kälteanomalie südlich von Grönland – den Kälteblob.

Den Zusammenhang erklären die Forschenden wie folgt: Der grönländische Eisschild schmilzt, dabei gelangt viel Süßwasser in den Atlantik. Das Süßwasser ist leichter als salziges Wasser, weshalb es nahe der Meeresoberfläche bleibt und im Winter besonders stark heruntergekühlt wird – was laut Studie unter anderem Stürme auslösen kann. Die Forschenden nehmen an, dass die Kaltanomalien und Stürme im Winter eine Kette von Ereignissen auslösen, die den Nordatlantikstrom nach Norden ablenkt. Im Sommer werde der Jetstream ebenfalls nach Norden verschoben, wobei die Höhenwinde kalte Polarluft abschirmen. So könne im Sommer wärmere Luft nach Europa gelangen. Auch Hochdruckgebiete würden stabilisiert. All dies könne letztendlich zu Hitzewellen im Sommer führen. 

Der Kälteblob gilt auch als eine mögliche  Hauptursache dafür, dass sich die Atlantische Umwälzungsströmung – und damit der Golfstrom – abschwächt. Die Forscher:innen betonen die Bedeutung von Ozean-Atmosphäre-Wechselwirkungen für das Verständnis des europäischen Wetters und weisen darauf hin, dass weitere Studien erforderlich sind, um diese Zusammenhänge besser zu verstehen.

Subtropischer Wirbel und Extremsommer

Eine zweite Studie des Max-Planck-Instituts für Meteorologie hat analysiert, wie sich der subtropische Wirbel südlich des Kälteblobs im Atlantik auf die Sommertemperaturen in Europa auswirkt. Die Ergebnisse wurden im Journal Earth System Dynamics veröffentlicht.

Die Forschenden berichten, dass die Erwärmung des Nordatlantiks über mehrere Jahre hinweg mit extrem warmen Sommern in Europa zusammenhängt. In der Meeresregion komme es demnach im Abstand von einigen Jahren zu einem Wärmestau.

Diese Erwärmung des Ozeans beeinflusst den Wärmeaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre, schwächt den Jetstream und verschiebt ihn nach Norden. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit von Hochdrucksystemen über Skandinavien, was zu extrem warmen Sommern in Europa führen kann.

Sommer 2024: „Extreme wahrscheinlicher“

Lara Wallberg, Hauptautorin der zweiten Studie, erklärt gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ), dass sich die Effekte aus beiden Studien gegebenenfalls multiplizieren. Sie spricht von „zwei Mechanismen, die für das Gleiche sorgen, aber auf unterschiedlichen Zeitskalen“.

Die Effekte würden unterschiedlich häufig eintreten. Laut SZ soll der von Max-Planck-Forscher:innen beschriebene Effekt etwa alle sieben bis zehn Jahre Extremsommer in Europa auslösen. Die Effekte durch den Kälteblob vor Grönland würden stärker schwanken.

Die Hauptautorin der britischen Studie, Marilena Oltmanns, erhofft sich bessere Voraussagen auf Basis der neuen Erkenntnisse. Wie die SZ schreibt, schätzt sie, dass der kommende Sommer insbesondere in Südeuropa heißer und trockener werden könnte als gewöhnlich – auch wenn es für konkrete Prognosen noch weitere Studien braucht. Langfristig dürfte der Schmelzwasserzufluss nahe Grönland aber zunehmen. Auch Wallberg spricht von einer „warmen Phase, die Extreme wahrscheinlicher macht“.

Verwendete Quellen: WMO, Weather and Climate Dynamics, Earth System Dynamics, SZ

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