Tübingen baut sein Radwegenetz massiv aus. Das Besondere: All diese Wege sind mit einer „Fußbodenheizung“ ausgestattet und haben einen blauen Belag.
In Tübingen sollen Mitte kommenden Jahres vier geplante beheizbare neue Radbrücken in Betrieb sein. Nach knapp zweieinhalb Jahren Bauzeit ist nun die Radbrücke West fertig – und damit die dritte dieser Brücken. Mitte 2025 soll in der Unistadt auch die Fuß- und Radbrücke Lustnau in Betrieb genommen werden, wie die Stadt mitteilte. So entstehen laut Stadt vier Radachsen in Nord-Süd-Richtung.
Die nun fertig gestellte Brücke ist rund vier Meter breit, inklusive der Rampen rund 365 Meter lang und am höchsten Punkt zehn Meter hoch. Die Fahrbahn wird im Winter mit Strom beheizt, sodass kein Salz gestreut werden muss. Die Radbrücke im Stadtgebiet führt vom Europaplatz über die Bahngleise nach Derendingen und ins Behördenzentrum in den Mühlbachäckern. Zusammen mit dem Radtunnel durch den Schlossberg entsteht eine durchgängige Nord-Süd-Achse, die bis zu den Kliniken auf dem Berg reicht.
Beheizbare Radbrücke soll Winterdienst sparen
Über die Brückenheizung sagte der Landesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Matthias Zimmermann: „In der Summe halten wir das für eine gute Idee.“ Denn die Brücken in Tübingen haben ein Gefälle und sind sehr kurvig. Im Winter könne man sie beheizen und sich so gegen Glätte den Winterdienst sparen. Im Ausland gebe es beheizbare Brücken schon häufiger, sagt Zimmermann.
Die Heizung soll außerdem verhindern, dass die Brücke vorzeitig kaputtgeht: Ohne Streusalz, das den Stahl angreift, könne die Radbrücke noch 100 Jahre stehen, erklärte der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer (parteilos), bei der Eröffnung.
Ist eine beheizte Brücke nachhaltig?
Aber ist es wirklich nachhaltiger, die Brücke mit Strom zu heizen als den Winterdienst einzusetzen? Utopia hat diesbezüglich bei der Stadt Tübingen nachgefragt. Diese erklärte, die Flächenheizung würde nicht dauerhaft laufen, sondern nur aktiviert, wenn die Temperatur weniger als 4 Grad Celsius beträgt und die Feuchte auf der Brücke über 95 Prozent liegt. „Nach einer Abschätzung des Elektroplaners sind das im Mittel in Tübingen circa 30 Tage pro Jahr.“ Es werde im ersten Jahr von einem Verbrauch von etwa 27 kWh/m² ausgegangen. Weil die Stadt Ökostrom verwende, entstünden dabei keine Emissionen.
Ist das nun aber ökologischer als der Winterdienst? Die Stadt verweist auf eine CO2-Bilanz aus dem Jahr 2021, die den CO2-Ausstoß des Wetterdiensts (Fahrzeugeinsatz plus Streumitteleinsatz) mit der Stromheizung beispielhaft vergleicht. Dabei schnitt die Stromheizung mit Ökostrom besser ab.
Die Stadt weist außerdem darauf hin, dass die Radbrücken in Tübingen wegen der Nähe des Neckars und der Tallage „besonders gefährdet bei überfrierender Nässe“ seien. Der Streudienst könne dies nicht immer rechtzeitig erkennen und beheben.
Tübingen will Klimaschutzziele erreichen
Den Fahrradbrücken-Bau hatte der Tübinger Gemeinderat im Jahr 2019 beschlossen. Die Gesamtkosten für die vier Brücken liegen bei rund 30 Millionen Euro. Sie werden durchschnittlich zu 70 Prozent mit Bundes- und Landesmitteln gefördert.
Der Radverkehrsplan von Oberbürgermeister Boris Palmer ist ein wesentlicher Baustein des Konzepts „Mobilität 2030 Tübingen“, das alle Verkehrsmittel des Stadtverkehrs umfasst und dazu beitragen soll, die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen. Die neuen Radhauptverbindungen werden an die potenziellen Radschnellverbindungen zwischen Tübingen-Rottenburg, Tübingen-Hechingen und Tübingen-Reutlingen angebunden, die die Teilorte und das Umland an das Zentrum anbinden sollen.
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