Seit Mai 2024 ist Altspeiseöl als aufbereiteter Kraftstoff HVO100 in Deutschland erhältlich. Die Diesel-Alternative wird als nahezu klimaneutral beworben. Doch eine neue Studie der Deutschen Umwelthilfe kommt zu einem ganz anderen Ergebnis.
Die Kraftstoffalternative HVO100, die aus wasserstoffbehandelten alten Pflanzenölen und Fettresten erzeugt wird, soll annähernd klimaneutrales Tanken ermöglichen. Doch eine Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stellt der Diesel-Alternative ein schlechtes Zeugnis aus. „Wir zeigen, dass das eine ganz große Mogelpackung ist und dass wir hier einen Fake-Klimaschutz vor uns haben“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
HVO100 seit Mai 2024 in Deutschland erhältlich
HVO ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung für Hydrogenated Vegetable Oil. Als Ausgangsstoff für HVO100 werden gebrauchte pflanzliche Öle und Fette weiterverarbeitet, die etwa als Abfallprodukt in der Gastronomie oder in Privathaushalten anfallen. Die Zahl 100 bezieht sich auf den Reinheitsgehalt des alternativen Kraftstoffs. In dieser Form ohne weitere Beimischung ist er in Deutschland seit Mai 2024 erhältlich. Unter anderem die Deutsche Bahn setzt ihn ein, um die eigene Diesel-Zugflotte mittelfristig klimaneutral umzurüsten. Aktuell stammen laut DUH-Angaben in Deutschland zwei Drittel des HVO aus Palmöl-Reststoffen.
Wie klimaschädlich ist die Diesel-Alternative wirklich?
Im Vergleich zum konventionellen fossilen Dieselkraftstoff spart HVO100 laut einer Bewertung der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft aus dem Jahr 2023 bis zu 90 Prozent an CO2-Emissionen ein. In der von der DUH beauftragten Studie, die das Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg durchführte, wird dieser Umfang an Einsparungen jedoch angezweifelt.
Pflanzenöl ist knappe Ressource
Die Autor:innen der ifeu-Studie verweisen dabei vor allem auf ein Hauptargument: Schon jetzt gibt es für pflanzliche und tierische Fette als Abfallprodukt zahlreiche Verwendungen. „Es wird überall eingesetzt: als Heizbrennstoff, als Schmierstoff, als Grundlage für Waschreinigungsmittel bis hin zur Parfümerie“, betonte Resch.
Das gelte auch für asiatische Länder, aus denen rund die Hälfte des für die Herstellung von HVO verwendeten Pflanzenöls importiert wird. Fehlt das importierte Öl beispielsweise in den Herkunftsländern Indonesien und Malaysia, führt dies laut DUH dort zu einer erhöhten Palmölnachfrage. Dies wiederum zieht durch neue Palmölplantagen massive Klima- und Umweltschäden durch Landnutzungsänderungen und Regenwaldrodungen nach sich. Besteht HVO100 aus dem besonders klimaschädlichen Palmöl, wäre HVO100 unter Einbeziehung dieses Effekts sogar klimaschädlicher als herkömmlicher Diesel.
„Die Behauptung, Diesel aus Frittenfett könne nahezu 90 Prozent CO2 einsparen im Vergleich zu fossilem Diesel, hat nichts mit der Realität zu tun. Anstatt CO2 zu sparen, sorgen HVO100 und Co. durch steigende Palmölnachfrage für zusätzliche Emissionen und Naturzerstörung“, so Jürgen Resch.
Die DUH fordert deshalb, dass die deutsche Wirtschaft und der Bund den Fokus deshalb wieder auf die Elektrifizierung als wichtigste Alternative zu fossilen Brennstoffen richten. Die Förderung von HVO als Scheinlösung sollte gestoppt werden.
Ist die Kritik an Studie berechtigt?
Der Bundesverband Freier Tankstellen und unabhängiger deutscher Mineralölhändler (bft) weist die Kritik zurück. „Die DUH versucht schon länger und erfolglos, HVO zu diskreditieren und E-Mobilität als einzige Antriebsform gelten zu lassen“, teilte Geschäftsführer Daniel Kaddik mit. Die Studie beruhe auf Modellannahmen, die auf Verlagerungseffekte und hypothetische Palmöl-Substitutionen spekulierten.
Die DUH hält dagegen: Selbst wenn man außer Betracht lasse, dass die Verlagerung von Altspeiseölen in den Verkehr zu einer erhöhten Palmölnachfrage führen kann, sei die Aussage von fast 90 Prozent CO2-Einsparung gegenüber herkömmlichen Diesel fast immer falsch. Das treffe nur zu, wenn das Altspeiseöl zusätzlich neu gesammelt würde.
Tatsächlich aber wird Altspeiseöl fast immer bereits anderswo genutzt, etwa als Brennstoff für die Energieerzeugung und spart dort CO2. Wenn es stattdessen zu Kraftstoff verarbeitet wird, fehlt es in der bisherigen Verwendung. Die CO2-Einsparung wandert dann einfach von einer Verwendung in die andere, spart aber kein zusätzliches CO2 ein.
Utopia meint: HVO100 als klimafreundliche Diesel-Alternative zu vermarkten, erscheint nach der neuesten ifeu-Studie falsch. Statt Fördergelder in vermeintlich weniger klimaschädliche Verbrennermotoren zu stecken, sollte die Politik die Alternative fördern, die nachgewiesenermaßen klimafreundlicher ist: E-Autos. Doch auch die Elektromobilität ist nur ein Baustein einer echten Verkehrswende, wir brauchen mehr und sicheren Fuß- und Radverkehr und ein verlässliches Öffinetz, um die Klimaziele zu erreichen.