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US-Studie: Bloß nicht „vegan“ auf Lebensmittel schreiben?

Studie: Wann "vegan" auf Lebensmitteln abschreckend wirkt
Foto: CC0 Public Domain - Pexels/ Tara Clark, Tima Miroshnichenko

Steht „vegan“ auf einem Produkt, wirkt das auf bestimmte Menschen abschreckend. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue US-Studie. Ein Experte vermutet, dass der Effekt auch in Deutschland eintreten kann – und erklärt, was es damit auf sich hat.

Viele Restaurants und Supermärkte weisen Speisen und Lebensmittel als „vegan“ aus, wenn sie keine tierischen Zutaten enthalten. Das erleichtert Menschen, die sich pflanzlich ernähren, die Wahl. Doch eine Studie macht auf einen möglichen negativen Effekt aufmerksam, wie der Spiegel berichtet.

Ein Experiment mit über 7.000 Proband:innen deutet darauf hin, dass der Begriff „vegan“ im Vergleich zu anderen Begriffen – wie etwa „gesund und nachhaltig“ – abschrecken kann. Auch wenn sich am Inhalt des ausgewiesenen Lebensmittels nichts ändert. Die amerikanische Studie soll kommende Woche im Fachmagazin Journal of Environmental Psychology veröffentlicht werden und ist in Teilen bereits online aufrufbar. Sie wurde am Montag bereits auf einer Tagung der Society for Risk Analysis vorgestellt.

Experiment: Begriff „vegan“ kann Fleischesser:innen abschrecken

Die Studie basiert auf einem Experiment mit 7341 Proband:innen, die als repräsentativ für die US-Bevölkerung gelten. Die Testpersonen mussten zwischen einem Korb mit tierischen und einem Korb mit pflanzlichen Lebensmitten auswählen. Die vegane Option war in den Versuchen mit unterschiedlichen Begriffen gekennzeichnet.

Den Forscher:innen zufolge beeinflusste die Beschriftung, wie oft sich Proband:innen für den pflanzlichen Geschenkkorb entschieden. Stand „vegan“ drauf, wählten ihn 20 Prozent; bei „pflanzlich“ waren es 27 Prozent. Das Wort „gesund“ wurde besser angenommen, 42 Prozent der Tester:innen entschieden sich für diesen Korb. Einen „nachhaltigen“ Korb wählten 43 Prozent. Am beliebtesten war die Bezeichnung „gesund und nachhaltig“: Hier griffen 44 Prozent der Testpersonen zu.

Auch die Ernährungsgewohnheiten der Proband:innen wurden im Rahmen des Experiments abgefragt. Sieben Prozent waren demnach Veganer:innen, ein Großteil aß Fleisch. Bei Menschen, die angaben, rotes Fleisch zu essen, spielte die Auszeichnung laut Studie eine besonders große Rolle.

Experte: „Vegan“ nicht immer hilfreich

Peter von Philipsborn forscht an der LMU München im Bereich öffentliche Gesundheit. Gegenüber Spiegel ordnet er die Studienergebnisse ein.

Der Experte geht davon aus, dass die Ergebnisse der US-Studie in Deutschland ähnlich ausfallen würden. Er schätzt den Begriff „vegan“ nicht immer als hilfreich ein und befürchtet, dass etwa Kennzeichnungen in Kantinen dazu führen könnten, dass Fleischesser:innen sich nicht mehr angesprochen fühlen. Ähnliches gelte für Restaurants und Supermärkte.

Philipsborn schätzt, dass viele Menschen sich zwar den Vorzügen von pflanzlicher Ernährung bewusst sind, aber noch nicht komplett auf tierische Produkte verzichten möchten. Doch diese Gruppe schränke den eigenen Konsum trotzdem ein und würde erheblich dazu beitragen, dass weniger Fleisch verzehrt werde. 2022 aß eine Person in Deutschland im Schnitt 52 Kilo Fleisch – das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen 1989. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt nur 300 bis 600 Gramm Fleisch in der Woche, also circa 16 bis 31 Kilogramm jährlich.

Personen, die sich als vegan oder vegetarisch identifizieren, würden sich laut von Philipsborn von Begriffen wie „vegan“ oder „pflanzlich“ weniger abgeschreckt fühlen. Sie sind aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage, über die mehrere Medien im September übereinstimmend berichtet haben, ernähren sich drei Prozent der Menschen in Deutschland vegan und neun Prozent vegetarisch.

„Unterschwellig schlechtes Gewissen“ führt zu Abwehrreaktion

Wieso lehnen Fleischesser:innen als „vegan“ gekennzeichnete Produkte ab? Philipsborn erklärt gegenüber Spiegel, dass bei Veganismus auch emotionale Komponenten eine Rolle spielen. Vielen Fleischesser:innen würden beispielsweise schlechte Haltungsbedingungen von Tieren durchaus bewusst sein. Auch dass tierische Produkte teils einen hohen CO2-Fußabdruck haben und dass viel rotes Fleisch ungesund ist, ist bekannt.

„Dies führt mitunter zu einem unterschwellig schlechten Gewissen, das aktiviert werden kann“, so der Experte. Das geschehe zum Beispiel, wenn eine Person eine vegane Wurst isst, der Rest aber Fleisch. Es folge eine Abwehrreaktion. „Veganerinnen und Veganer bringen die moralische Komponente auch teilweise selbst zur Sprache, was nicht immer hilfreich ist, um den Konsum zu verringern“, erklärt Philipsborn weiter. Auch fällt vielen Menschen die Ernährungsumstellung – oft als Verzicht wahrgenommen – schlichtweg schwer.

Verwendete Quellen: ScienceDirect/ Journal of Environmental Psychology, Spiegel, DGE

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