Sind traurige Menschen weniger egoistisch? Eine Studie hat einen Zusammenhang zwischen dieser Gefühlslage und moralischem Handeln festgestellt.
Niemand fühlt sich gerne traurig – doch Forschende haben einen Vorteil identifiziert, den das negative Gefühl mit sich bringt. Ihnen zufolge soll Traurigkeit dazu führen, dass Menschen sich weniger unmoralisch und egoistisch verhalten. Dies geht aus einer Studie hervor, die im Journal of Business Ethics veröffentlicht wurde.
Studie untersucht, wie Traurigkeit moralisches Handeln beeinflusst
Die Forschenden aus Frankreich, Deutschland und Kanada führten drei Laborstudien mit über 600 Proband:innen durch. Im ersten Versuch konnten Versuchspersonen andere belügen, um einen Gewinn zu erhalten. Zuvor lasen sie unterschiedliche Geschichten, die verschiedene Emotionen in ihnen hervorrufen sollten – bei einer Gruppe war es Traurigkeit – und schrieben ein Ereignis auf, bei dem sie ähnliches gefühlt hatten. Das Experiment zeigte: Die Wahrscheinlichkeit, dass traurige Proband:innen zu ihrem eigenen Vorteil lügen, war besonders niedrig.
Der zweite Versuch ähnelte dem ersten, allerdings mussten Proband:innen auch potenziell moralisch fragwürdige Entscheidungen fällen – etwa ob sie Kund:innen belügen, um einen Kauf abzuschließen. Auch hier waren traurige Proband:innen mit höherer Wahrscheinlichkeit ehrlich.
Im dritten Versuch mussten Versuchspersonen nicht lügen, sondern konnten darüber entscheiden, welchen Anteil sie am Geldgewinn eines anderen haben wollen. Selbst bei einer Aussicht auf eine besonders hohe Belohnung, wiesen traurige Proband:innen starke moralische Integrität auf. Durch eine zusätzliche Auswertung fanden die Forschenden heraus, dass die traurige Gruppe sich stärker auf die schädlichen Folgen ihres Verhaltens konzentrierte.
Traurige Menschen bewerten unmoralisches Handeln kritischer
Die Forschenden argumentierten, dass Traurigkeit Menschen dazu veranlasst, moralisch fragwürdiges Handeln kritischer zu sehen. Sie würden negativen Konsequenzen mehr Aufmerksamkeit schenken und sie als problematischer wahrnehmen. „Dieser Effekt war in verschiedenen Entscheidungskontexten konsistent und trat auch dann auf, wenn die aus einem solchen Verhalten zu erzielenden Belohnungen relativ hoch waren“, betonen die Wissenschaftler:innen.
Die Forschenden haben gezielt eine milde Form von Traurigkeit untersucht. Diese sei auch „bei der Arbeit weit verbreitet“ und würde „eine Vielzahl von Wirtschafts- und Entscheidungsbereichen“ beeinflussen. Die Studie beweise, dass nicht alle negativen Emotionen negatives ethisches Verhalten nach sich ziehen. Dies widerspreche Annahmen vorheriger Studien.
Aussagekraft der Studie jedoch begrenzt
Die neue Veröffentlichung weist allerdings Einschränkungen auf, worauf die Autor:innen selbst aufmerksam machen. Um die Emotion im Affekt zu untersuchen, war ein auf Experimenten basierendes Studiendesign nötig. Die Teilnehmenden waren Student:innen und Absolvent:innen der Wirtschaftswissenschaften, mit einem Durchschnittsalter von 23 Jahren, und somit nicht repräsentativ für die Gesellschaft. Ob auch Menschen anderer Alters- und Bildungsgruppen von Traurigkeit ähnlich beeinflusst werden, muss demnach noch untersucht werden.
Verwendete Quellen: Journal of Business Ethics
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