Der Klimawandel wirkt sich auf die Trinkwasservorräte in Deutschland aus – auch in Bayern. Doch anstatt das Grundwasser besser zu schützen, wollen die Regierungsfraktionen die Wasservorräte für die Gesellschaft offenbar einschränken. Kritiker:innen schlagen deshalb Alarm.
Die Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler in Bayern haben kürzlich Anträge zur Neugestaltung des Landesentwicklungsplans (LEP) eingereicht. Es geht um die Schutzvorschriften zu Trinkwasserversorgung im Land. Mehr noch: Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, hätte die bayerische Bevölkerung demnach im Ernstfall keinen bevorzugten Anspruch mehr auf das Grundwasser – und die damit zusammenhängenden Trinkwasservorkommen. Laut dem Bericht stärken die Pläne von CSU und Freien Wählern stattdessen den Anspruch von Mineralwasserfirmen auf die Wasserreserven.
Vor allem eine Formulierung in den Anträgen von CSU und Freien Wählern fällt laut SZ auf: Ginge es nach den beiden Parteien, würde das Grundwasser in Zukunft nicht mehr „bevorzugt“ für die Trinkwasserversorgung verwendet werden, sondern nur noch „insbesondere“. Vor dem Hintergrund zunehmender Trockenheit schlagen deshalb der Städte- und der Gemeindetag gemeinsam mit drei großen Organisationen der kommunalen bayerischen Wasserversorgung Alarm.
In einem fünfseitigen Brandbrief warnen sie alle Landtagsabgeordneten vor gravierenden Konsequenzen für die Bevölkerung und werben für den Schutz der Umwelt. Einen zweiten Brief adressierten die Spitzenverbände an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU).
Vorstoß der CSU und Freien Wähler überrascht
Die CSU selbst begründet ihre Anträge damit, „Trinkwasserschutz mit dem Umbau der Energieversorgung in Einklang“ bringen zu wollen. Und so zudem einen „wichtigen Interessensausgleich“ zu ermöglichen. Die Anträge sollen nämlich die bisherigen Schutzvorschriften für Wasserschutzgebiete sowie beim Abbau für Rohstoffe „einschränken, abschwächen oder sogar ganz streichen“, wie die SZ schreibt. Gewinner einer neuen LEP-Regelung könnten folglich die Stein- oder Baustoffindustrie sein.
Insbesondere der Zeitpunkt, an dem die Regierungsfraktionen die Anträge einreichen, überrascht. Denn die LEP-Beratungen befinden sich bereits in der finalen Phase. Marcus Steurer, Vorsitzender des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) in Bayern, ist deswegen ernsthaft besorgt. Er mache sich „Sorgen ums Wasser, aber auch über die Art und Weise, wie solche Änderungsanträge in den Beratungsprozess eingebracht werden“, sagte er der SZ.
Steurer fragt sich, wie ernst die beiden Regierungsfraktionen die Daseinsvorsorge der Bevölkerung nehmen. Alle Anträge zusammen würden die öffentliche Wasserversorgung beschneiden. Der Schutz von Trinkwasser würde so einen geringeren und nicht langfristigen Stellenwert einnehmen, sagt der VKU-Vorsitzende weiter.
Vehemente Kritik an den Plänen in Zeiten der Klimakrise
Überraschend sind die neuen Anträge aber auch wegen vorheriger Ankündigungen der Landesregierung. Erst im November vergangenes Jahr hatte sie betont, den LEP aufgrund des Klimawandels nachhaltiger gestalten zu wollen. Denn der Klimawandel wirkt sich auf die bayerischen Wasservorräte aus. Unter anderem bildet sich das Grundwasser seit 2003 in Teilen Bayerns langsamer nach, wodurch Grundwasservorkommen nicht ausreichend aufgefüllt werden.
Zudem kann nicht einmal das ganze bisher gespeicherte Wasser tatsächlich auch als Trinkwasser verwendet werden. Die oberen Schichten sind durch die Landwirtschaft verunreinigt und deswegen als Trinkwasser ungeeignet.
Immer tiefer nach reinem Wasser zu bohren scheint jedoch auch keine Lösung zu sein. Denn das sogenannte Tiefengrundwasser lagert dort bereits seit mehreren Tausend Jahren. Wird es abgezweigt, schmelzen die Vorräte. Deswegen kündigte Thorsten Glauber, Umweltminister und Mitglied der Freien Wähler, den besonderen Schutz dieses reinen Wassers an. Es solle eine „eiserne Reserve“ sein. Laut SZ soll Glauber deswegen mit den Anträgen seiner eigenen Fraktion und der CSU nicht einverstanden gewesen sein.
Gunnar Braun, Geschäftsführer des VKU, sieht noch ein ganz anderes Problem: „Bei gleichzeitig sinkenden Grundwassermengen und vielerorts abnehmender Qualität kann der Auftrag der öffentlichen Wasserversorgung immer schwerer erfüllt werden“, zitiert ihn die SZ. Eine mögliche Folge: Die Wasserversorgung werde teurer.
Ortsnahe Versorgungsregelung in Gefahr?
Nach Meinung der Kommunalverbände riskieren die Pläne von CSU und Freien Wählern außerdem die ortsnahe Wasserversorgung. Konkret geht es um die Versorgungsregelung des Wassers durch die Kommunen. Bisher regelt das geltende Wassergesetz, dass Kommunen selbst die Versorgung ihre Einwohner:innen mit Trinkwasser organisieren – und zwar ortsnah. Das bedeutet: Wasser über weite Distanzen und lange Leitungen zu transportieren, etwa wenn eine örtliche Versorgung nicht möglich ist, stellte bisher eher die Alternative dar.
Die Spitzenverbände kritisieren, dass die mögliche neue Regelung nur noch „Schutz des Tiefengrundwassers mit Augenmaß“ fordere. Dies drohe zum Freibrief für kommerzielle Getränkehersteller zu werden. So könnten sie künftig nicht mehr als Verursacher von Umweltbelastungen in die Pflicht genommen werden.
Langfristig besorgt sind die Kritiker:innen allerdings wegen der geplanten, dauerhaften Streichung des Schutzes von Wasserschutzgebieten. Auch Vorhaltsgebiete sollen nach dem Vorschlag von CSU und Freien Wählern ganz aus dem LEP genommen werden. Dies gilt als besonders kritisch, da in Bayern bisher lediglich fünf Prozent der Fläche des Bundeslandes unter Schutz stehen. Die Spitzenverbände befürchten, dass eine Neuregelung den Grundwasserschutz künftig erschweren könnte.
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