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Vagus-Nerv gegen Stress stimulieren: Hilft das?

Das passiert im Gehirn
Fotos: Unsplash - Simran Sood / Milad Fakurian

Etwas Öl, eine Entspannungsübung oder doch ein vibrierendes Gadget – damit soll der Vagus-Nerv stimuliert und Stress abgebaut werden. Was ist dran an Tipps und Hilfen, die im Internet kursieren? Ein Neurobiologe klärt auf.

Mit dem Vagus-Nerv zur „inneren Balance“ finden. Dazu müsse der längste Hirnnerv im menschlichen Körper lediglich mit ein paar Übungen oder technischen Gadgets stimuliert werden. Tipps wie diese finden sich auf diversen Webseiten sowie auf Social Media.

Dass der Vagus-Nerv – eine zentrale Verbindung zwischen Gehirn und Körper – Stress regulieren kann und seine Stimulierung Menschen mit Depressionen helfen mag, ist medizinisch bekannt. Allerdings hat das wenig mit den Tipps zu tun, die online verbreitet werden. Das sagt auch Neurologe Nils Kroemer im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Vagus-Nerv anregen: „Das ist aber ein invasiver Eingriff“

„Man kann den Vagus-Nerv durchaus stimulieren, das ist seit über 20 Jahren auch Praxis, um therapieresistente Depressionen zu behandeln. Das ist aber ein invasiver Eingriff, wie eine Art Herzschrittmacher für den Nerv, und wird eher selten gemacht“, klärt Kroemer auf. Der Experte forscht mit Kolleg:innen nach eigenen Aussagen seit geraumer Zeit an Geräten, die den Nerv extern anregen können.

Bisherige Tech-Gadgets, wie sie online angeboten werden und die etwa durch äußere Vibration den Nerv aktivieren sollen, sieht der Neurologe kritisch. Er halte sie für ein „wolkiges“ Marketing-Versprechen, nicht aber für medizinisch sinnvoll. Schließlich würden medizinische Geräte, mit denen er bislang arbeitet, deutlich teurer als ein paar Hundert Euro sein.

„Es braucht eine relativ hohe Stimulationsintensität“

Der Experte erklärt weiter: „Es braucht eine relativ hohe Stimulationsintensität, um zuverlässig den Vagus-Nerv zu stimulieren, und so den Hirnstamm zu aktivieren.“ Dies fühle sich wie „viele kleine Nadelstiche“ an.

Kroemer beschreibt den Vagus-Nerv als Datenautobahn zwischen Gehirn und Körper. Er fungiert im Vergleich zu Hormonen, die erst über das Blut das Hirn erreichen, direkter – und reguliert zum Beispiel die Rate, mit der das Herz schlägt. Auf äußere Reize kann der Vagus-Nerv in Form von körperlichem Stress reagieren, indem er die Herzfrequenz oder Atmung anpasst.

„Daher kommt auch die Idee, die vielen der Techniken oder Geräte im Zuge dieses Internethypes zugrunde liegt, dass eine Stimulation des Vagus-Nerv einen entspannenden Effekt hat“, so Kroemer, der nicht per se von Entspannungstechniken oder -ölen abrät.

„Das muss man nicht neurobiologisch überhöhen“

Sie können helfen, das eigene Wohlbefinden zu steigern, allerdings würden sie – wenn überhaupt – einen indirekten Effekt auf den Nerv haben. Nerven sind keine Muskeln, entsprechend ließen sie sich nicht einfach trainieren, wie oft behauptet wird. „Das muss man nicht neurobiologisch überhöhen“, resümiert der Neurobiologe.

Er verweist – neben der professionellen Betreuung von Stress, etwa durch Psychotherapie – auch auf einfachere und öfters unterschätzte Methoden: Stress ließe sich zum Beispiel durch eine veränderte Umwelt reduzieren. Kroemer empfiehlt, im Privaten wie im Beruf öfter auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und Nein zu sagen. „Denn am Ende hilft eine Überforderung niemandem weiter.“

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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