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„Verbote sind etwas sehr Gerechtes“

Klimaschutz Verbote
Foto: CC0 / Unsplash - Joshua Hoehne / Mika Baumeister

Warum fällt uns Klimaschutz so schwer? Ein Psychologe erklärt, was Verbote in uns auslösen und warum Einschränkungen nicht automatisch Verzicht bedeuten.

Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler:innen mit zunehmender Dringlichkeit vor den Folgen des Klimawandels, doch die bisher erfolgten Maßnahmen reichen nicht aus. Laut dem EU-Klimadienst Copernicus wird 2023 sehr sicher das heißeste Jahr seit Beginn der Datenerfassung sein. Im Gegensatz dazu stiegen die CO2-Emissionen 2022 der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge auf ein neues Allzeithoch.

Warum schafft es die Menschheit nicht, sich klimafreundlicher zu verhalten? Psychologe Gerhard Reese sieht mehrere Gründe dafür, wie er im Gespräch mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) erklärt.

Der Professor für Umweltpsychologie and der Rheinland Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) findet, dass Verbote oft vor allem negativ als Freiheitsbeschränkung betrachtet würden. Dabei seien bestimmte Verbote schlicht notwendig. Die meisten Menschen hielten etwa das Verbot, nicht bei Rot über die Ampel fahren zu dürfen, für sehr sinnvoll. Außerdem werde oft vergessen, „dass ein Verbot etwas sehr Gerechtes ist. Wenn etwas verboten ist, kann ich mir das auch als besonders reicher Mensch nicht kaufen. […] Das gilt dann für alle“.

Doch anstatt dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen, fühlten sich Menschen von Klimaschutzmaßnahmen bevormundet, es entstehe das Gefühl, ihnen würde etwas weggenommen, erklärt der Psychologe.

Verbote sind nicht gleich Verzicht

Laut Reese müssen Verbote aber nicht zwangsläufig zum Verzicht führen. Manchmal gebe es auch gleichwertige Verhaltensalternativen. „Vegetarisch essen heißt nicht, irgendeine Gemüsepampe zu sich zu nehmen, sondern auch da gibt es Essensmöglichkeiten, die Fleisch kulinarisch in nichts nachstehen“, so der Professor.

Dass Verbote trotzdem einen schlechten Ruf haben, sieht Reese auch als „politisches Kommunikationsproblem“. Die Politik nehme die Menschen nicht wirklich mit. Es fehle die Botschaft: „Wir haben hier eine Herausforderung, die wir stemmen können, und wir federn soziale Ungerechtigkeiten ab.“

Rahmenbedingungen erschweren individuellen Klimaschutz

Für einen wirkungsvollen Klimaschutz müsse die Politik jedoch manche Sachen verbieten oder verteuern. Denn laut Reese sind es die „systemischen Rahmenbedingungen“, die individuellen Klimaschutz erschweren oder gar unmöglich machen. „Wenn ich irgendwo auf dem Land wohne, wo es keinen ÖPNV gibt, kann ich ohne eigenes Auto dort de facto gar nicht leben“, erklärt Reese. Außerdem könne man niemanden vorwerfen, ein umweltschädlicheres Produkt zu kaufen, wenn dieses deutlich weniger als das klimafreundliche koste.

Den Fokus auf den individuellen CO2-Fußabdruck hält Reese zudem für „gefährlich“. Wenn sich jemand pflanzenbasiert ernähre, nicht mehr fliege und alles mögliche mache, werde einem trotzdem suggeriert, es reiche nicht. Das sei „extrem demotivierend“. Bei den politischen Rahmenbedingungen seien die größeren Hebel. Diese zu verändern, könne umweltbewusste Verhaltensweisen vereinfachen, sagt Reese.

Verwendete Quellen: Copernicus, Internationale Energieagentur, NDR

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