Viele Tierfreund:innen füttern Vögel, um ihnen im Winter das Überleben zu sichern. Doch für bestimmte Arten ist das alles andere als hilfreich.
Wenn die Fütterung von Vögeln kritisiert wird, dann meist im Sommer, wenn den Tieren ohnehin ausreichend Nahrung zur Verfügung steht. Im Winter hingegen hat das Aufhängen von Meisenknödeln sowie das Ausstreuen von Samen und Körnern hingegen einen guten Ruf. Fachleute sehen die Winterfütterung jedoch differenzierter. Unter anderem die Weiden- und die Sumpfmeise sowie Zugvögel könnten durch menschliche Fütterung zu Schaden kommen.
Warum nicht alle Arten von der Fütterung profitieren
Angelika Nelson vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) erklärt gegenüber Utopia: „Gerade in kalten, schneereichen Wintern oder bei nassen Wetterbedingungen bieten Futterstellen eine wertvolle Zusatzernährung für manche Vogelarten.“ Doch bei den Vögeln, die das Angebot wahrnehmen, handele es sich um eher häufige Arten wie Blau- und Kohlmeisen, Grünfinken, Amseln, Rotkehlchen, Kleiber und Buntspechte.
Manche Fachleute wie die beiden Forscher Jack Shutt und Alexander Lees warnen deshalb davor, dass jene Arten durch die Fütterung durch Menschen einen unfairen Vorteil im Überlebenskampf bekämen. In ihrem 2021 in der Fachzeitschrift Biological Conversation erschienenen Bericht mit dem provokanten Titel „Killing with Kindness“ (auf Deutsch: Töten durch Nettigkeit) behaupten sie, dass die negativen Folgen des Fütterns auf die Biodiversität unterschätzt würden.
Bestimmte Vogelarten wie die Weidenmeise, die Sumpfmeisen oder der Kleinspecht blieben den Futterstätten fern, weil diese von dominanteren Vögeln wie der Kohlmeise, der Blaumeise und dem Buntspecht beherrscht werden würden. Zwar hätten Weidenmeise und Co. andere Strategien, um an Futter zu kommen, etwa einen stärkeren Schnabel, um härtere Futterquellen zu öffnen oder ein besseres Gedächtnis, um sich Nahrungsverstecke zu merken, heißt es in dem Bericht. Doch durch die Fütterung werde die Konkurrenz kräftiger. So breiteten sich beispielsweise Blau- und Kohlmeisen vermehrt im Gebiet der Weidenmeise aus.
„Solche indirekten Effekte der Winterfütterung sind schwer zu untersuchen“, erklärt Nelson gegenüber Spektrum. Gleichzeitig räumt die Ornithologin ein, dass Blau- und Kohlmeisen anderen Arten durchaus das Brüten schwer machten. Vor allem Zugvögel wie der Trauerschnäpper würden häufig keine Niststätten finden, wenn sie aus dem Süden zurückkehren, da die Plätze bereits von anderen Arten besetzt seien.
Bei der Fütterung auf Hygiene achten!
Doch selbst den Tieren, die sich an den Futterstellen durchsetzen können, drohen ernste Konsequenzen. In einer US-Studie, die 2015 im Fachmagazin Conversation Physiology erschien, wurde die Auswirkung von menschlicher Fütterung auf Wildvögel untersucht. Gefütterte Tiere zeigten demnach weniger Stresssymptome, ein schnelleres Federwachstum und mehr gesundheitsfördernde Antioxidantien im Blut. Allerdings seien sie auch deutlich häufiger von Infektionskrankheiten betroffen gewesen. Schließlich kommen an Futterstellen sehr viele Vögel auf engem Raum zusammen, was die Ansteckungsgefahr erhöht.
Nelson weist darauf hin, wie wichtig es sei, bei der Fütterung auf Hygienemaßnahmen zu achten. Dazu gehören das Ausbürsten der Futterschalen und das Nutzen von Futtersilos, in die die Vögel nicht koten können. Außerdem soll das Futter frisch und trocken sein. All dies verringert laut Nelson die Ausbreitung von Krankheiten und sorgt für eine sichere Nahrungsergänzung für die Wildvögel.
Sollte man trotzdem noch Vögel füttern?
Einen allzu großen Einfluss auf den Artenschutz sollte man von Futterstellen nicht erwarten, sagt Nelson. Um das langfristige Überleben der Tiere zu sichern, seien „größere Maßnahmen“ nötig, die die Lebensräume auf die Erhaltung und Verbesserung ganzer Ökosysteme abzielen.
Dennoch hält die LBV-Expertin nicht davon, mit der Fütterung aufzuhören: „Das Beobachten gesunder Tiere kann – unter Berücksichtigung von Hygieneaspekten und einer vor Fressfeinden sicheren Futterstelle – das Bewusstsein für die Bedürfnisse der Tiere und die Bedeutung der Artenvielfalt fördern“, erklärt Nelson. Somit könne die Fütterung der Vögel Menschen dazu anregen, sich mehr mit Artenschutzthemen zu beschäftigen und entsprechend umzudenken, zum Beispiel bei der vogelfreundlichen Gestaltung des eigenen Gartens.
Auch die Autoren des „Killing with Kindness“-Berichts halten die Fütterung im Winter nicht grundsätzlich für falsch. Sie plädieren allerdings dafür, das Füttern in wichtigen Zufluchtsorten von Sumpf- und Weidenmeise zu unterlassen oder zumindest zu reduzieren.
Verwendete Quellen: Spektrum, Biological Conversation, Conversation Physiology, Scientific Reports
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