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Volker Quaschning rechnet vor, wie deutsche Energiepolitik russische Kriegskassen füllt

Volker Quaschning
Screenshot: YouTube (Prof. Dr. Volker Quaschning)

Deutschlands Ölverbrauch finanziert Putins Krieg gegen die Ukraine – sagt Energieexperte Volker Quaschning und bezieht sich dabei auf eine aktuelle Studie. Unsere Ölabhängigkeit zwinge uns demnach zu höheren Verteidigungsausgaben in Milliardenhöhe.

Volker Quaschning rechnet mit der deutschen Energie- und Verkehrspolitik ab. In einem aktuellen Video auf seinem Youtube-Kanal sagt der Berliner Professor für Regenerative Energiesysteme: „Jeder Euro, für den wir Erdöl kaufen, steigert die Nachfrage und damit die Ölpreise. Und das spült mehr Geld in Putins Kassen, das er dann in Militärausgaben steckt, wo wir wiederum mit mehr Verteidigungsausgaben gegenhalten müssen.“

Studie: Ölverzicht reduziert Verteidigungsausgaben

Quaschning bezieht sich dabei auf eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Demnach führt jeder Euro, den Deutschland weniger für Öl ausgibt, zu einer doppelten „Sicherheitsdividende“, nämlich 13 Cent weniger Einnahmen für Russlands Staatshaushalt sowie 37 Cent geringere Verteidigungsausgaben für Europa.

Obwohl Deutschland seit 2023 99,9% weniger russisches Öl direkt importiert, fließt das Geld indirekt über globale Märkte. Der Grund: Jede Ölnachfrage treibt Weltmarktpreise hoch – auch für russisches Öl.

In der Studie heißt es: „Durch die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern kann die EU-Klimapolitik die Finanzkraft Russlands deutlich verringern und damit dessen militärische Fähigkeiten zur Fortführung der Aggression gegen die Ukraine und darüber hinaus einschränken.“

Laut Volker Quaschning gibt Deutschland jährlich rund 50 Milliarden Euro für Erdölimporte aus, was – laut den Erkenntnissen der Kieler Studie – zu sicherheitsbedingten Zusatzkosten von über 18 Milliarden Euro pro Jahr führe, so der Energieexperte. Hochgerechnet über zwölf Jahre seien das mehr als 220 Milliarden Euro – laut Quaschning „fast die Hälfte“ des geplanten Sondervermögens für die Bundeswehr.

„Fliegen und Tanken für Putin und Rheinmetall!“, kommentiert der Wissenschaftler pointiert und fordert eine Abkehr von Erdöl und Erdölprodukten. Seine Lösungen: „Zug statt Flugzeug; E-Auto, Rad oder Bahn statt ollem Benzin- und Dieselauto und Wärmepumpe statt Ölheizung.“

Einordnung der Rechnung

Quaschning macht mit seinem Video auf die sicherheitspolitischen Kosten der Ölabhängigkeit deutlich. Einige seiner Annahmen bedürfen aber einer genaueren Einordnung:

1.) Die von Quaschning genannten 50 Milliarden Euro pro Jahr entsprechen nicht exakt den aktuellen Werten. Laut Statistischem Bundesamt lagen die deutschen Ausgaben für Erdölimporte 2024 bei 44,7 Milliarden Euro, 2023 bei 42,7 Milliarden. Nur im Ausnahmejahr 2022 – unmittelbar nach Kriegsbeginn – überschritten sie mit 60 Milliarden Euro deutlich die Marke von 50 Milliarden. Die genannte Zahl ist daher eher als grober Richtwert zu verstehen, der die ungefähre Größenordnung verdeutlicht.

2.) Die Projektion auf zwölf Jahre basiert auf der Annahme, dass sich die geopolitische Lage nicht grundlegend verändert. Die Studie des Kieler Instituts weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sich die sicherheitspolitische Dividende nur dann in diesem Maßstab fortschreiben lässt, wenn Russland seine Öleinnahmen weiterhin stark in militärische Ausgaben umleitet. Ändert sich diese Lage, verringert sich auch die sicherheitspolitische Wirkung eines Ölverzichts.

3.) Quaschning sagt, die 220 Milliarden Euro seien „fast die Hälfte“ des geplanten Sondervermögens für die Bundeswehr, das 100 Milliarden Euro beträgt. Die genannte Summe von 220 Milliarden ist also mehr als das Doppelte. Wahrscheinlich spielt meint Quaschning hier ein anderes Sondervermögen, nämlich das geplante Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro.

Auch wenn einzelne Zahlen grob geschätzt oder verwechselt wurden, bleibt die zentrale Botschaft Quaschnings bestehen: Die Abhängigkeit von fossilem Öl verursacht nicht nur ökologische, sondern auch sicherheitspolitische Kosten in Milliardenhöhe. Selbst unter Berücksichtigung des realen Importvolumens 2024 würden 16,6 Milliarden Euro jährliche Mehrkosten für Militär und Sicherheit in der gegenwärtigen Situation entstehen. Quaschning macht diesen Zusammenhang deutlich – und bringt damit ein Argument in die Debatte ein, das bislang oft übersehen wurde.

Tempolimit als besonders wirksame Maßnahme

Das Tempolimit ist ein Dauerthema in Deutschland. Umfragen – selbst unter Autofahrer:innen – zeigen immer wieder, dass die Mehrheit ein Tempolimit auf Autobahnen befürwortet.

Die Kieler Studie fügt ein weiteres Argument hinzu: „Mit der Einführung eines deutschen Tempolimits auf Autobahnen ließen sich bis 2030 nicht nur etwa 33 Mio. Tonnen CO₂ einsparen, die geringere Ölnachfrage entspräche auch einer sicherheitspolitischen Dividende von rund 2 Mrd. Euro, die nicht in einen Verteidigungshaushalt fließen müssten“, heißt es in der dazugehörigen Pressemitteilung.

Die Tatsache, dass sich auch die neue Bundesregierung nicht an ein Tempolimit heranwagt, kommentiert Quaschning in seinem Video wie folgt: „Politikwechsel und Verantwortung für Deutschland. Nee, so sicher nicht.“

Utopia meint: Die Energiewende muss weitergehen

Auch wenn einige konservative Politiker:innen es anders sehen: Das Gebäudeenergiegesetz, das den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen fördert, sowie das geplante Verbrenner-Aus in der EU dürfen nicht abgeschafft oder aufgeweicht werden. Auch für das Tempolimit wird es höchste Zeit. Diese Maßnahmen sind nicht nur für den Klimaschutz essenziell, sie sichern auch die Unabhängigkeit von autokratischen Ölstaaten, schwächen Russlands Kriegspotenzial und erhöhen somit die Sicherheit in Europa, die wir uns ansonsten mit noch mehr Aufrüstung teuer erkaufen müssten.

Verwendete Quellen: Volker Quaschning, IfW (Studie) , IfW(Pressemitteilung), Statistisches Bundesamt (Jährliche Rohölimporte), Statistisches Bundesamt (Pressemitteilung)

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