Sogenannte ESG-ETFs sind verlockend: Sie vereinen geringe Kosten mit dem Versprechen, nachhaltig zu sein. Der langjährige Vermögensberater Andreas Enke warnt jedoch davor, dem ESG-Kürzel blind zu vertrauen.
Wer es sich mit der Geldanlage an der Börse leicht machen möchte, greift gerne zu sogenannten Indexfonds (ETFs). Darin landen sämtliche Titel eines bestimmten Aktienindex. Wer etwa Geld in einen DAX-ETF steckt, investiert in alle 40 Unternehmen, die sich im DAX befinden. Ändern sich die Unternehmen im Index, passt sich die Zusammensetzung des ETFs automatisch an. Es handelt sich somit um passiv gemanagte Fonds, die ohne Fondsmanager auskommen, weshalb nur geringe Kosten anfallen. Das macht sie auch für Privatanleger:innen besonders attraktiv.
Um Nachhaltigkeit zu signalisieren, tragen bestimmte ETFs das Kürzel ESG (Environment, Social, Governance) im Titel. Je nach Ausprägung orientieren sich diese Fonds zwar ebenfalls an dem gewählten Index, investieren aber nur in Wertpapiere von Unternehmen, die in Sachen Klimaschutz, Sozialverhalten und Unternehmensführung vermeintlich verantwortungsbewusst handeln. Es gibt jedoch keine einheitliche Definition von ESG. Welche Nachhaltigkeitskriterien zum Einsatz kommen, bestimmen die Fondsanbieter selbst.
Fachmann: ESG-ETFs sind kaum nachhaltiger
In der Praxis gibt es somit kaum Unterschiede zwischen Standard-ETFs und ihren ESG-Entsprechungen, sagt Andreas Enke, Vorstand der Vermögensmanagement-Firma Geneon und des Vereins zur Förderung ethisch-nachhaltiger Geldanlagen (VenGa).
Enke hat einige der Fonds untersucht und die Wertentwicklung der jeweiligen Artverwandten übereinandergelegt. Seine Erkenntnis: Sie unterscheiden sich kaum, da die Auswahl und Gewichtung der darin enthaltenen Titel beinahe identisch sei.
Aktive Fonds sind nachhaltiger
Enke findet: Mit dem Kauf eines ESG-ETF machen Anleger:innen in Sachen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und sozialer Verantwortung gar nicht so viel besser.
Zwar könne allein die Botschaft, dass es Menschen gibt, die auch bei der Geldanlage Wert auf Nachhaltigkeit legen, entsprechenden Produkten einen Schub verleihen. Wem das aber nicht ausreicht, der sollte sein Geld Enke zufolge lieber in aktiv gemanagte Fonds stecken. Dort könnten Anleger:innen gezielter in spezielle Themen investieren – bezahlen für die aktive Verwaltung jedoch höhere Kosten.
Alternativ gebe es auch kostengünstigere SRI-ETFs (Socially Responsible Investment), die strengere Nachhaltigkeitskriterien an ihre Titel anlegen, als es ESG-ETFs tun, sagt Enke. Immer zu beachten dabei: Chance und Risiko sollten in einem angemessenen Verhältnis stehen, die Streuung sollte trotzdem möglichst breit sein.
Utopia meint: ESG taugt nicht als Nachhaltigkeitssiegel
Andreas Enke hat recht: Wer etwa auf Vergleichsportalen wie Faire Fonds reguläre ETFs mit entsprechenden ESG-ETFs desselben Anbieters vergleicht, wird nur in manchen Fällen einen signifikanten Unterschied beim Anteil kontroverser Unternehmensbeteiligungen finden. Oft ist der Einfluss des ESG-Filters aber nur minimal. Manche reguläre ETFs können sogar nachhaltiger aufgestellt sein als vergleichbare ESG-ETFs eines anderen Anbieters. Eine einfache ESG-Kennzeichnung alleine taugt deshalb nicht als Nachhaltigkeitssiegel.
Besser, aber auch nicht perfekt, sind zusätzliche SRI- und PAB-Kennzeichnungen. Letztere soll darauf hinweisen, dass sich der ETF an den Zielen des Pariser Klimaabkommens orientiert. Dazu muss er bestimmte Auflagen erfüllen. Doch auch, wenn ein ETF all diese Voraussetzungen erfüllt, bleibt er – mit Ausnahme von Nischen-ETFs, von denen aufgrund geringer Risikostreuung aber abzuraten ist – nur hellgrün. Wer dunkelgrün investieren will, sollte aktive Nachhaltigkeitsfonds bevorzugen.
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