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Waldexperte Wohlleben über Aufforsten: „Das ist reines Greenwashing“

Forstexperte Peter Wohlleben hat sich bei "Hart aber fair" für Waldschutz aber gegen Aufforstungen ausgesprochen.
Screenshot: Das Erste

Forstexperte Peter Wohlleben hat sich bei „Hart aber fair“ für Waldschutz aber gegen Aufforstungen ausgesprochen. Letztere bezeichnete er als „Greenwashing“ und „Ablasshandel“. Doch es gibt auch Expert:innen, die das anders sehen.

In der Talkshow „Hart aber fair“ drehte sich am Montag alles um die Folgen der globalen Erwärmung. Unter dem Motto „Kranke Wälder, überflutete Täler – wird jetzt ernst gemacht beim Klimaschutz?“ diskutierten unter anderem die Klimaaktivistin Carla Reemtsma und der prominente Förster Peter Wohlleben mit einer Wirtschaftsjournalistin, einem Vertreter eines Stromkonzerns und der Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten von Rheinland-Pfalz.

Wohlleben über Bäumepflanzen: „reines Greenwashing“

Im Laufe der Sendung werden verschiedenste Themen besprochen, unter anderem die Flutkatastrophe 2021 in Deutschland. Deren Auswirkungen sind noch immer spürbar, unter anderem nahe der Ahr, in der Nähe von Wohllebens eigenem Waldgrundstück. Der Förster und Buchautor („Das geheime Leben der Bäume“) weist im Laufe der Sendung auf die vielen Vorteile hin, die Wälder haben: Zum Beispiel könne sich ein intakter Laubwald im Vergleich zur freien Landschaft im Schnitt um 10 Grad runterkühlen. Dort regne es außerdem mehr, und solche alten Wälder bremsen auch Hochwasserereignisse.

Dementsprechend vehement spricht sich der Baum-Experte gegen Pläne aus, Kohlekraftwerke auf Holz umzustellen – „Wir wollen unsere Klimaanlage verfeuern“ – und hebt individuelle Maßnahmen gegen Abholzung hervor. Denn auch Bäume im eigenen Garten oder in Straßen in der Stadt können schon einen kühlenden Effekt haben.

Besonders aber stört sich Wohlleben an der Annahme, Bäumepflanzen sei eine unumstrittene Klimaschutzmaßnahme. Denn eine frisch gepflanzte Aufforstung stoße in den ersten Jahren bis Jahrzehnten mehr CO2 aus als die neu gepflanzten Bäume aufnehmen, so der Experte. „Pflanzen […] bringt zumindest in den nächsten Jahrzehnten nichts, das ist reines Greenwashing, das ist ein Ablassbrief.“ Was Wohlleben stattdessen empfiehlt: Wald schützen, Holzverbrauch reduzieren, insgesamt den Konsum reduzieren. „Das hört man halt nicht gerne.“

Holz ist kein Ökorohstoff

Moderator Frank Plasberg erzählt daraufhin, er habe mit seiner Familie anlässlich eines Geburtstags in der Eifel 104 Bäume gepflanzt. Dies geschah mit guten Absichten, doch die Aussagen Wohllebens haben ihn sichtlich verunsichert: „Ich bin frustriert“, ruft der Moderator aus.

Das kann Wohlleben zwar nachvollziehen, setzt aber trotzdem nach: „Wald kommt von ganz alleine zurück, das macht er seit 300 Millionen Jahren.“ Global gebe es kein Beispiel dafür, dass gepflanzter Wald besser funktioniert, als ein Wald, der von selbst zurückwächst. Natürlich kann auch aus von Menschen gepflanzten Bäumen einmal Wald werden, doch wir können damit momentan nichts kompensieren.

Auch Holz als Baustoff sieht der Förster kritisch. „Wir verfeuern in Deutschland die Hälfte unseres Holzverbrauchs“ – laut Wohlleben 60 von 120 Millionen Kubikmeter.  Langlebige Holzprodukte wie Dachstühle, Möbel, Bücher werden im Schnitt nach 34 Jahren verbrannt: Ein Baum dagegen speichert CO2 viel länger – in europäischen Urwäldern werden sie im Schnitt 500 Jahre alt. „Trotzdem ist Holz ein schöner Rohstoff. Nur er ist kein Öko-Rohstoff.“

Der letzten Aussage setzt die Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten von Rheinland-Pfalz, Anna Spiegel, entgegen: „Wenn beispielsweise der Borkenkäfer wütet, […] dann muss man Infektionsketten unterbrechen.“ Das Holz, das bei der Eindämmung entsteht, ist laut der Grünen-Politikerin als Baustoff geeignet. Ihr zufolge brauchen wir sowohl die Wälder als CO2-Speicher als auch Holzprodukte, wenn diese nicht nach ein paar Jahren wieder weggeschmissen werden.

Hier kannst du dir die ganze Folge in der Mediathek ansehen.

Bäume pflanzen: Ist es wirklich sinnlos?

Wenn du mit Primaklima Bäume verschänkst, unterstützt du Mischwälder.
Ist Bäume zu pflanzen Greenwashing? Dazu gibt es verschiedene Meinungen. (Foto: CC0 / Pixabay / Antranias)

Peter Wohlleben bezeichnet Baumpflanzungen als Greenwashing. Andere Experten sehen solche Projekte zwar ebenfalls kritisch, aber halten sie unter bestimmten Umständen trotzdem für sinnvoll. Zum Beispiel sollte durch eine Pflanzung nicht an anderer Stelle mehr Kohlenstoff freigesetzt werden, erklärt Dr. Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gegenüber Utopia. Dieser negative Effekt könnte zum Beispiel eintreten, weil Menschen, die das wiederaufgeforstete Land vorher genutzt haben, nun neuen Primärwald abholzen müssen.

Um sicherzustellen, dass eine Pflanzung gelingt, müssen die Menschen vor Ort also miteinbezogen werden – die Aufforstungen müssen einen Mehrwert für die Menschen haben. Ob das auf ein bestimmtes Projekt zutrifft, sollte man im Vorhinein recherchieren.

Eike Lüdeling von der Uni Bonn rät außerdem, auf folgende Punkte zu achten: „Es sollte erkennbar sein, dass sich die Organisationen mit der Wirkung der Bäume in den Zielsystemen beschäftigt haben.“ Ist nur von Kohlenstoff und Klima die Rede, oder auch von anderen positiven Effekten der Bäume? Dienen gepflanzte Obstbäume Kleinbäuer:innen als Einnahmequelle? Werden lokal angepasste Baumarten gepflanzt, um degradierte Ökosysteme wiederherzustellen?

Welche weiteren Kriterien wichtig sind und worauf du achten solltest, liest du hier:

Utopia meint: Bäume pflanzen ist kein CO2-Freifahrtschein

Wer Bäume pflanzt, um sich nicht einschränken zu müssen, betreibt keinen Klimaschutz, sondern wirklich eine Art Ablasshandel: Geld gegen grünes Gewissen. Wer es dagegen erst meint, muss nicht nur spenden, sondern in erster Linie sein Verhalten ändern – auf einer sehr grundlegenden Ebene. Zusätzlich dazu kann man aber seriöse Baumpflanzorganisationen unterstützen – in einem Rahmen, der sinnvoll ist. Auch wenn die Pflanzungen jetzt noch nicht ihren Zweck erfüllen, können sie es in ein paar Jahrzehnten tun. Und die Klimakrise hat gezeigt, wie wichtig es ist, für die Zukunft zu planen.

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