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„Director of First Impressions“: HR-Expertin über die Folgen großspuriger Jobtitel

Jobtitel überzogen personalberaterin
Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Austin Distel

Was macht eigentlich ein Associate Mystery Shopper? Oder ein Director of First Impressions? Jobtitel haben sich in den letzten Jahren stark verändert und klingen teils kryptisch. Im Interview erklärt eine HR-Expertin, was das für Folgen für die Menschen hinter den Titeln haben kann.

Katja Bauer hat unter anderem schon für den Online-Riesen Zalando als „Head of Human Resources (HR)“ gearbeitet. Heute ist sie Partnerin bei einer Personalberatung in Berlin. Im Interview mit Zeit Online erklärte sie kürzlich, dass vor allem jungen Menschen ausgefallene Jobtitel wichtig seien. Doch was hat es mit den neuartigen Jobbezeichnungen auf sich? Laut Bauer können sie sogar Nachteile haben – für Firmen und die Menschen, die die Position besetzen.

Personalberaterin: „Niemand versteht mehr, was einige dieser Jobtitel bedeuten.“

Früher waren Berufsbezeichnungen wie „Geschäftsführer:in“, „Abteilungsleiter:in“ und „Mitarbeiter:in“ etabliert. Heute gibt es zahlreiche neuartige Begriffe auf dem Jobmarkt. Wieso ist das so? Personalberaterin Bauer verweist gegenüber Zeit Online auf jüngere Arbeitnehmer:innen. Diesen sei es besonders wichtig, einen sinnstiftenden Job auszuüben, mit dem sie sich identifizieren können. „Dabei kann auch der Jobtitel helfen“, so die Expertin. Heißt die eigene Position zum Beispiel „Chief Culture Officer“ oder „Head of Culture“, würde dies nach außen signalisieren, dass man sich um das Wohlbefinden von Menschen kümmert. „Das klingt einfach besser als ‚Mitarbeiter der Personalabteilung‘.“

Positionen haben heute also andere Bezeichnungen als früher. An sich ist das kein Problem, vor allem, wenn die Titel zu den Strukturen und der Kultur im Unternehmen passten und einer Logik folgen würden, betont die HR-Expertin. Doch sie sieht auch Schwierigkeiten: „Insbesondere weil niemand mehr versteht, was einige dieser Titel wirklich bedeuten. Was bitte ist ein Director of First Impressions? Oder ein Associate Mystery Shopper?“. Die Position „Director of First Impressions“ ähnelt der von Rezeptionist:innen oder Assistent:innen der Administration. Ein „Mystery Shopper“ führt inkognito Tests und Checks der Servicequalität eines Unternehmens durch.

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Großspurige Jobtitel können Probleme verursachen

Selbst gängige Jobtitel könne man nicht mehr miteinander vergleichen, kritisiert Bauer. Sie erklärt dies am Beispiel der Position „Senior Vice President“. Je nachdem, ob man Senior Vice President in einem Start-up oder in einem Dax-Unternehmen ist, müsse man sehr unterschiedliche Rollen ausfüllen. Bei einem Start-up könne man zum Beispiel viel ausprobieren, bei einem Dax-Konzern gäbe es einen rechtlich regulierten Verantwortungsbereich. Die meisten Außenstehenden würden aber nicht verstehen, wie unterschiedlich die Aufgaben hinter diesen Titeln sind.

Außerdem stünden junge Personen mit wichtig klingenden Jobtiteln sehr unter Druck. „Es wird ja erwartet, dass sie bei einem Wechsel einen noch besseren Jobtitel erhalten“, erklärt Bauer. „Viele bekommen so immer mehr Verantwortung, können damit aber eigentlich nicht umgehen.“ Der Erfahrung der Personalberaterin nach werde zum Beispiel nicht vor allen Beförderungen geprüft, ob jemand wirklich führen kann.

Schließlich würden sich Firmen auch Titel ausdenken, ohne die damit verbundenen Aufgaben klar zu definieren. Das führe oft zu Chaos. „Häufig weiß nicht mal der Mensch mit dem Jobtitel, was er da eigentlich tun soll“, so Bauer.

„Ich würde jedem davon abraten, einen Jobtitel anzunehmen, der zu großspurig klingt“

Positionen mit eindrucksvollen Titeln können also Probleme verursachen, auch für diejenigen, die sie ausfüllen sollen. Was sollte man also tun, wenn einem ein solcher Job angeboten wird? Laut Bauer muss man ihn nicht ausschlagen; sollte aber abklären, was die Aufgabenbereiche sind – möglichst bevor man den Vertrag unterschreibt. Auch die Arbeitgeber, die solche Titel vergeben, ruft sie dazu auf, Jobtitel kritisch zu hinterfragen und zu prüfen, ob sie zu der Verantwortung der Kandidat:innen passen.

Manche Firmen gehen sogar so weit, falsche Jobtitel zu vergeben: Zeit Online führt hier das Beispiel einer Firma auf, die Jahre nach ihrer Gründung nach einem Co-Gründer suchte. Die Expertin sieht das kritisch: „Ich würde jedem davon abraten, einen Jobtitel anzunehmen, der zu großspurig klingt oder sogar falsch ist.“ Der Betrug werde ohnehin auffliegen, zum Beispiel durch Recherchen über Google oder LinkedIn.

Wieso ändern sich Berufsbezeichnungen?

Wieso heißt der Mitarbeiter der Personalabteilung heute „Chief Culture Officer“? HR-Expertin Bauer verweist auf die Generationen Y und Z. Diese würden unter anderem häufiger den Job wechseln als die Generationen vor ihnen. Bei dem Jobwechsel wollen sie sich verbessern und wünschen sich neue Titel, die dies reflektieren. „Diese Inflation der Jobtitel wird also auch von den jungen Arbeitnehmenden getrieben“, fasst die Expertin zusammen.

Allerdings tragen auch Arbeitgeber:innen ihren Teil dazu bei. Bauer erzählt, dass während ihrer Zeit bei Zalando – zwischen  2009 und 2010 – vermehrt auf englische Jobtitel gesetzt wurde. Dabei habe man sich an großen Medienhäusern orientiert, zum Beispiel an der Fox Corporation. Zum einen wollte man so Fachpersonal im Ausland ansprechen. Zum anderen hatten die neuen Bezeichnungen auch mit Strukturänderungen in Unternehmen zu tun. „Weil es oft viele Chefs mit verschiedenen Aufgaben gibt, ernennen diese Firmen beispielsweise fast immer ein C-Level mit einem CEO, CPO, CTO und so weiter“, erklärt Bauer. „Das ist sinnvoll und mehr als nur Werbung.“

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