Komplett auf Fleisch zu verzichten, kommt für viele nicht infrage. Den Fleischkonsum zu reduzieren, schon eher. Doch wie hilfreich ist eine flexitarische Ernährung fürs Klima? Eine Studie hat das untersucht und berichtet von weitreichenden Folgen.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) machen Veganer:innen und Vegetarier:innen nur vier Prozent der deutschen Bevölkerung aus. Der Anteil von Flexitarier:innen ist höher: Etwa jede neunte volljährige Person in Deutschland (11,6 Prozent) schränkt ihren Fleischkonsum bewusst ein und konsumiert eher selten oder nur bestimmte Fleischarten. Flexitarier:innen essen zum Beispiel nur Fleisch in Bio-Qualität oder verzichten auf Rindfleisch, da dieses besonders klimaschädlich ist. Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben nun untersucht, inwiefern eine weltweite flexitarische Ernährung die Chancen erhöhen würde, die Erderwärmung auf 1,5-Grad zu beschränken.
Planetary Health Diet im Fokus
Für die Studie, erschienen im Fachmagazin Science Advances, nutzten die Potsdamer Forschenden ein mathematisches Modell, um drei Szenarien zu simulieren. Beim ersten Szenario wurden nur die bisher geplanten nationalen Klimaziele der einzelnen Staaten erfüllt. Dies würde die Erderwärmung nicht auf unter 1,5 Grad begrenzen können. Beim zweiten Szenario wurde eine Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels vor allem durch eine hohe CO2-Bepreisung erreicht. Das dritte Szenario geht von der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels durch den vollständigen Übergang zur Planetary Health Diet bis 2050 aus.
Bei der Planetary Health Diet handelt es sich um eine von internationalen Wissenschafter:innen entwickelte flexitarische Ernährungsweise, die es ermöglichen soll, die gesamte Menschheit gesund und nachhaltig zu ernähren. In dem von den Potsdamer Forschenden untersuchten dritten Szenario sollte zusätzlich die Kalorienaufnahme bis 2050 weltweit auf die Höhe beschränkt werden, die für einen gesunden Body Mass Index (BMI) nötig sei.
Würde die ganze Welt sich dementsprechend ernähren, so würde sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Mit dem 2015 unterzeichneten Abkommen verpflichteten sich 194 Staaten und die Europäische Union dazu, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellem Niveau auf deutlich unter zwei Grad, idealerweise auf unter 1,5 Grad, zu beschränken.
Eine weltweite flexitarische Ernährung hätte aber nicht nur positive Auswirkungen auf das Klima. „Auch Preise für Treibhausgas-Emissionen, Energie und Lebensmittel würden sich verringern“, heißt es in einer Pressemitteilung des PIK.
Was Flexitarismus mit Lebensmittelpreisen zu tun hat
Der Zusammenhang zwischen der Planetary Health Diet und den Preisen für Energie und Lebensmittel ergibt sich wie folgt: Die Ernährungsweise empfiehlt, maximal 28 Gramm Rind-, Lamm- oder Schweinefleisch pro Tag zu sich zu nehmen. Das entspricht ungefähr einem 200-Gramm-Steak pro Woche. Für Milchprodukte liegt die Obergrenze der Planetary Health Diet bei 500 Gramm, also maximal einem halben Liter Milch, pro Tag.
Rindfleisch und Milchprodukte haben einen besonders negativen Einfluss aufs Klima, da bei deren Produktion viel Methan entsteht. Methan ist ein Treibhausgas, das 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Würden alle Menschen sich entsprechend der Planetary Health Diet ernähren, so würden die Methan-Emissionen deutlich zurückgehen.
Dies würde der Menschheit ermöglichen, stattdessen mehr CO2 auszustoßen als bisher für das 1,5-Grad-Ziel einkalkuliert. Das seit 2020 erklärte CO2-Budget von 500 Milliarden Tonnen würde sich laut der PIK-Studie auf 625 Milliarden Tonnen erhöhen.
Alexander Popp, Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzungs-Management am PIK, erklärt in einer Pressemitteilung: „Eine solche Ernährung verringert […] die Treibhausgasemissionen aus dem Agrarsystem so stark, dass sie die 1,5 Grad Celsius kompatiblen Treibhausgaspreise für die gesamte Volkswirtschaft im Jahr 2050 um 43 Prozent senkt.“
Dies würde wiederum den Druck auf die Energie- und Lebensmittelpreise verringern, heißt es in der Studie. Außerdem würde „eine gesunde Ernährung unsere Abhängigkeit von CO2-Entnahme-Technologien im Jahr 2050 um 39 Prozent reduzieren“, sagt Popp.
Ernährungswende steht vor großen Herausforderungen
Johan Rockström, PIK-Direktor und Mitautor der Studie erklärt in der Pressemitteilung: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einsatz für eine Agrar- und Ernährungswende einen erheblichen Unterschied machen könnte, wenn wir in den nächsten 10 bis 15 Jahren die 1,5 Grad Celsius Grenze nicht überschreiten wollen.“ Dies erfordere jedoch weltweit gemeinsam koordinierte Anstrengungen.
Laut der Pressemitteilung ist es eine erhebliche Herausforderung, dass die Entscheidungskompetenz in Sachen Ernährung und Landwirtschaft in verschiedenen Institutionen und Ministerien verortet sei, was eine kohärente Politik zur Förderung gesunder Ernährung behindere. Zudem sei es „von zentraler Bedeutung“, den Übergang zur Planetary Health Diet sozial gerecht zu gestalten.
Verwendete Quellen: DGE, Science Advances, PIK
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