Im Rhein und in der Elbe sind wegen niedrigen Pegelständen vermehrt Hungersteine aufgetaucht. Diese tragen Warnungen aus der Vergangenheit.
Die aktuelle Trockenheit in Deutschland wirkt sich nicht nur auf die Schifffahrt und Landwirtschaft aus. Sie sorgt auch dafür, dass Warnungen aus der Vergangenheit buchstäblich wieder auftauchen: Wegen niedriger Pegelstände werden gerade vermehrt Hungersteine freigelegt, beispielsweise in der Elbe und im Rhein.
Diese Hungersteine weisen in der Regel Gravuren auf: Wenn ein Stein frei liegt, ritzen Anwohner:innen traditionsgemäß die aktuelle Jahreszahl hinein. Teils werden sie nicht nur mit Zahlen, sondern auch mit Mahnungen versehen – so auch bei einem Stein, der bei der tschechischen Stadt Decin nahe der sächsischen Grenze, freigelegt wurde. Auf ihm befindet sich eine Gravur, die laut dem Portal sächsiche.de, das mit Forscher:innen gesprochen hat, aus dem 19. Jahrhundert stammt (Anm. d. Red.: und nicht wie auf Twitter behauptet, aus dem 17. Jahrhundert). Sie lautet: „Wenn du mich siehst, dann weine“. Ein weiterer Spruch soll aus dem 20. Jahrhundert stammen: „Mädchen, weine und klage nicht, wenn es trocken ist, spritze das Feld“. Die älteste Markierung auf dem Stein verweist auf das Jahr 1417.
Die eingravierten Warnungen beziehen sich wahrscheinlich auf Ernteausfälle, die häufig als Folge von Trockenheit auftreten. Auch in diesem Jahr könnte es durch die anhaltende Dürre zu Einbußen bei der Ernte kommen. „Wenn es nicht demnächst durchgehend regnet, dann sind dort eben Ertragseinbußen von 30, 40 Prozent zu befürchten“, zitiert Spiegel den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Dies hätte auch einen Effekt auf Lebensmittelpreise. Rukwied geht von weiteren Preiserhöhungen aus, auch weil die Kosten für Düngemittel, Energie und Futter stark angestiegen sind.
Weitere Bilder von dokumentierten Hungersteinen hat uns das Senckenberg-Forschungsinstitut zur Verfügung gestellt:
Zahlreiche Bilder von freigelegten Hungersteinen
Auch online finden sich zahlreiche Bilder von freigelegten Hungersteinen. Ein auf einem Instagrampost abgebildeter Stein befindet sich der Beschreibung zufolge in der Elbe und trägt die Aufschrift „Geht dieser Stein unter, wird das Leben wieder bunter“. Damit verweist die Inschrift vermutlich auf die Tatsache, das Ökosysteme oft unter Trockenheit leiden. Nicht nur Pflanzen benötigen ausreichend Wasser, um zu wachsen. Trockenheit und Hitze führen mitunter bei Fischen zu Stress. Das bayrische Landratsamt für Umwelt hat laut BR24 wegen der aktuellen Lage beispielsweise schon Alarmpläne für die Flüsse Main und Donau erstellt.
Forscher:innen dokumentieren Hungersteine: Liste nicht komplett
Die Hungersteine in der Gegend zwischen Decin und Magdeburg wurden vor kurzem von einer Forscher:innengruppe der Landeshochwasserzentrale, der Archäologischen Gesellschaft in Sachsen und den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden dokumentiert. Dabei wurden zahlreiche Steine erstmals erfasst, worüber unter anderem das Portal sächsiche.de berichtete.
Die Forschenden gehen nicht davon aus, dass ihre Liste mit aktuell weit über hundert Hungersteinen zwischen der Böhmischen Schweiz und Sachsen-Anhalt vollständig ist. Einige Steine tragen auch relativ neue Markierungen, zum Beispiel aus dem Jahr 2015, einem sehr niederschlagsarmen Jahr. Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte 2018 in der Elbe einen Hungerstein gesetzt, welcher im Folgejahr bereits wieder zu sehen war.
Wissing: Müssen uns „auf extreme Niedrigwasser-Situationen einstellen“
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) rechnet in den kommenden vier Wochen mit leicht steigenden Pegelständen in den ausgetrockneten deutschen Flüssen. „Trotz leichter Niederschläge wird die Niedrigwassersituation auch in den kommenden Wochen die Pegelstände prägen“, sagte Wissing der „Rheinischen Post“ am Montag. „Für die zweite Monatshälfte im August und die erste Septemberhälfte deutet die jüngste Sechs-Wochen-Vorhersage unserer Experten allerdings auf leichte Wasseranstiege und eine Stabilisierung der Wasserstände auf niedrigem Niveau hin“, führte der FDP-Politiker aus.
„Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass wir uns langfristig aufgrund des Klimawandels immer wieder auf extreme Niedrigwasser-Situationen einstellen müssen“, sagte Wissing. Es sei daher wichtig, dass Maßnahmen, „wie etwa die Engpassoptimierung am Mittelrhein“, möglichst schnell umgesetzt würden. Vor allem die extremen Niedrigstände im Rhein belasten die Binnenschifffahrt und führen zu Lieferengpässen in der Industrie.
Ist der Klimawandel schuld an der Trockenheit?
Dazu muss zunächst festgehalten werden: Einzelne Wetterphänomene sind nicht auf den Klimawandel zurückzuführen. Wo sich die Expert:innen jedoch einig sind: Extreme Wetterlagen – wie etwa Hitzewellen und Dürreperioden – verstärken sich durch den Klimawandel künftig und werden an Häufigkeit deutlich zunehmen.
(Mit Material der dpa)
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