Der Weltklimarat IPCC warnt seit Langem, dass Umweltkatastrophen infolge des Klimawandels zunehmen. Aber ist die globale Erwärmung auch an der Entstehung von Erdbeben beteiligt?
Erdbeben führten bereits zweimal in diesem Jahr zu humanitären Katastrophen: Im September erschütterte ein Beben der Stärke 6,8 Marokko – schätzungsweise 300.000 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen betroffen. Und bereits im Februar ereignete sich im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien ein Erdbeben der Stärke 7,8. Infolgedessen starben über 56.000 Menschen.
Beiden Beben ist gemein, dass sie in Verwerfungszonen stattgefunden hätten, erklärt Heiner Igel, Professor für Geophysik und Seismologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Von einer Verwerfung ist in der Seismologie die Rede, wenn zwei tektonische Platten aneinander vorbei gleiten.
Und auch wenn Igel klarstellt, dass die beiden Erdbeben nicht direkt vom Klimawandel beeinflusst sind, betont er, die Erderwärmung könne lokale seismische Aktivitäten grundsätzlich verändern: „Es gibt Regionen, in denen der Klimawandel Einfluss auf die Spannung der Erdkruste hat. Nämlich überall dort, wo Eis schmilzt“, erläutert der Seismologe gegenüber dem RND.
Gletscherschmelze verändert Spannung der Erdkruste
Also in Regionen wie der Antarktis und Grönland. Dort geschieht Folgendes: Wenn Gletscher schmelzen, nimmt das Gewicht, das auf den darunter liegenden Landmassen lastet, ab. Das verändert wiederum die Spannung der Erdkruste.
Unter der äußeren Erdkruste mit ihren sieben großen und mehreren kleinen Erdplatten befindet sich der Erdmantel – eine Schicht aus schwerem, zähflüssigen Gestein, in denen die Erdplatten treiben. Reduziert sich das Gewicht, das auf den Landmassen lastet, heben sich die Erdplatten langsam an.
Dass die Erdplatten aufsteigen, bedeutet aber noch nicht, dass es hierdurch auch vermehrt zu Erdbeben kommt. Die Wahrscheinlichkeit steigt aber deutlich, sobald die Erdkruste erst einmal in Bewegung gerät.
„Wie aus der geologischen Vergangenheit bekannt ist, sind solche Erdbeben nach der letzten Eiszeit auch in ansonsten seismisch wenig aktiven Gebieten wie Skandinavien aufgetreten und haben Magnituden von acht bis neun erreicht“, zitiert das RND Andrea Hampel, Leiterin des Institut für Geologie an der Leibniz-Universität Hannover.
Die Erdkruste verändert sich fortwährend
Als Beispiel führte Hampel die Pärvie-Störung in Skandinavien an: Als der skandinavische Gletscher vor etwa 10.000 Jahren schmolz, waren die damals auftretenden seismischen Aktivitäten so enorm, dass sie eine zehn bis 15 Meter hohe Bruchstufe verursachten. Auch heute noch lassen sich die Auswirkungen dieser Erdbeben erkennen.
Klar ist aber: Die Zahl der Erdbeben in Polarregionen wird nicht schlagartig von heute auf morgen zunehmen. „Das sind Prozesse, die sehr langsam ablaufen. Da reden wir von Jahrzehnten„, stellt Igel gegenüber dem RND fest.
Und doch verändert sich der Spannungszustand der Erdkruste fortwährend. Vor allem, wenn Einflussfaktoren im Zusammenhang mit dem Klimawandel hinzukommen, etwa Gletscherschmelzen, Starkregen oder auch Vulkanausbrüche.
Dass schon jetzt Erdbeben aufgetreten sind, die direkt auf die globale Erwärmung zurückzuführen sind, ist Seismologe Igel nicht bekannt. „Es ist aber wahrscheinlich, dass es schon längst passiert ist“, hält er fest.
Verwendete Quelle: Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), Leibniz Universität Hannover
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