Möglichst lange und gesund leben – das wünschen sich fast alle. Forschende verraten, wie viel wir in Sachen Altern selbst in der Hand haben. Eine Studie nennt sogar acht konkrete Longevity-Faktoren, mit denen sich die Lebenserwartung deutlich steigern lassen soll.
Auch wenn das Schlagwort „Longevity“ (engl. für Langlebigkeit) erst seit Kurzem zum Trend-Begriff geworden ist: Der Wunsch nach einem langen und gesunden Leben dürfte so alt sein wie die Menschheit selbst. Doch gefühlt gab es noch nie so viele Tipps dafür wie jetzt: spezielle Diäten, Superfoods, Fasten, Schlaftipps, Fitnessübungen, Nahrungsergänzungsmittel.
Doch wie viel Einfluss haben wir überhaupt auf unser Alter? Und welche Lebensgewohnheiten haben wirklich einen Effekt auf unsere Lebenserwartung? Forschende ordnen ein.
Es gibt zwei Arten des Alters
Hannah Scheiblich vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln unterscheidet zwei Formen der Alterung. Zum einen ist da das chronologische Alter, also die Anzahl der Jahre, die seit unserer Geburt vergangen sind. Zum anderen gibt es das biologische Alter, sprich Gesundheit und Vitalität.
„Wenn wir uns entsprechend verhalten, kann unser biologisches Alter unter unserem chronologischen Alter liegen oder andersherum“, sagt Scheiblich, die am Institut eine Forschungsgruppe leitet. Es stimmt also: Durch das eigene Handeln können wir an der Uhr drehen und unser Leben verlängern.
Allerdings bestimmen nicht nur unsere Verhaltensweisen über die Länge unseres Lebens. Auch die Gene spielen eine Rolle. „Bislang gehen wir davon aus, dass 10 bis 15 Prozent unserer Langlebigkeit durch die Gene bestimmt wird. Es gibt aber auch noch nicht viele Langlebigkeitsstudien“, so Hannah Scheiblich.
Prof. Karl Lenhard Rudolph, Forschungsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena, geht hingegen von einem genetischen Einfluss von bis zu 30 Prozent aus. „Der Rest ist im Prinzip Lifestyle“, sagt er.
Longevity: Diese acht Faktoren können den Unterschied machen
Doch wie sieht er aus, der Lifestyle, der uns ein längeres Leben verschaffen kann? Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2024 nennt acht Lebensstilfaktoren, die die Lebenserwartung deutlich erhöhen sollen.
Für die Studie wurden Daten aus dem Veteran Affairs Million Veteran Program ausgewertet, einer großen Kohortenstudie mit umfangreichen Gesundheitsdaten von Hunderttausenden US-Veteran:innen im Alter von 40 bis 99 Jahren. Es wurden etwa 280.000 Männer und 19.000 Frauen untersucht. Männer hatten eine um 24 Jahre höhere Lebenserwartung, wenn sie im Alter von 40 Jahren alle acht statt null Lebensstilfaktoren erfüllten, bei den Frauen waren es 20,5 Jahre.
Zu den Faktoren gehören „vor allem gesundes Essen und optimalerweise eine mediterrane Diät“ (1), sagt Hannah Scheiblich. Also eine Ernährung, die auf viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Olivenöl und regelmäßigen Fischkonsum setzt.
Außerdem wichtig, um gute Voraussetzungen für ein langes Leben zu schaffen: Stress reduzieren (2), genug schlafen (3), ausreichend bewegen (4) – Punkte, die viele nicht überraschen dürften.
Aber auch wohltuender Kontakt mit anderen Menschen (5) kann den Studienergebnissen zufolge auf die Langlebigkeit einzahlen. „Wichtig ist, dass man möglichst sein Leben lang auf positive soziale Beziehungen achtet“, erklärt Hannah Scheiblich. „Gerade in den älteren Phasen des Lebens verliert man viele soziale Kontakte. Beziehungen zu pflegen, ist in dieser Lebensphase besonders wichtig.»“
Die weiteren Faktoren sind der Verzicht auf Rauchen (6), Alkohol (7) und opiumhaltige Schmerzmittel (8).
Vor allem bei Schlaf und Bewegung lässt sich meist relativ einfach etwas ändern. So empfiehlt Expertin Scheiblich etwa sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht, abhängig vom Alter der Person. Allerdings sollte man diese Empfehlung eher als groben Richtwert nehmen und nicht als strenge Vorgabe. Manche Menschen kommen auch mit weniger Schlaf klar, andere brauchen mehr.
Was die Bewegung angeht, habe jede zusätzliche Aktivität einen positiven Effekt. „Um wirklich gesund zu leben, sollte man einen gewissen Teil an hochintensiven Übungen machen, aber das ist individuell unterschiedlich. Man muss kein Hochleistungssportler werden“, sagt Hannah Scheiblich.
Mit weniger Essen gesünder altern?
Karl Lenhard Rudolph forscht insbesondere zum Thema Ernährung. Ihm zufolge zeigt die Forschung der letzten 90 Jahre, dass eine Maßnahme, die das Leben verlängern kann, eine „milde Reduktion der Nahrungsaufnahme ist“.
Ob beim Wurm, der Fliege oder dem Menschenaffen – die Forschungsergebnisse seien eindeutig: „Wenn die Tiere 20 bis 30 Prozent weniger essen, als sie zu sich nehmen würden, wenn sie unbegrenzten Zugang zu Futter hätten – wie der heutige Mensch in reichen Ländern -, verlängert sich ihr Leben und auch ihre Gesundheitsspanne“, sagt Rudolph.
„Wenn die Forschungsergebnisse zur Diätrestriktion auf den Menschen übertragbar sind, wäre dies ein Weg, gesünder und länger zu leben.“ Studien an Mäusen hätten eine Lebenszeitverlängerung um bis zu 30 Prozent gezeigt.
Mit Diäten nicht übertreiben
Doch wie lässt sich erklären, dass sich eine Verringerung der Nahrungsmenge auf die Lebenserwartung auswirkt? Das versetzt, wie Rudolph erklärt, die Körperzellen in einen milden Stress, was dazu führt, dass sie effektiver arbeiten.
Wer auf diese Strategie setzen will, sollte das aber ausgewogen tun. Übertreibt man es, läuft man Gefahr, in eine Mangelernährung zu geraten, den Körper also nicht mit allen wichtigen Nährstoffen zu versorgen. Und das hat wiederum einen schlechten Effekt auf Gesundheit und Lebenserwartung. Es empfiehlt sich im Zweifel deshalb immer, eine Ärztin oder einen Ernährungsberater um Rat zu bitten.
Von extremen Diäten oder Fastenkuren rät Experte Rudolph ab: „Dann lieber eine kontinuierliche leichte Reduktion der Nahrungsaufnahme als beispielsweise an einem Tag essen und am nächsten Tag gar nicht.“
Es gebe jedoch auch Hinweise, dass eine Diätrestriktion auch negative Einflüsse haben könne. Etwa auf die Immunfunktionen des Körpers. „Hierdurch kann das Risiko für schwere Verläufe von Infektionskrankheiten steigen“, sagt Karl Lenhard Rudolph.
Ebenfalls bedenklich findet Hannah Scheiblich die eigenmächtige Einnahme von Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln. Gerade hochdosierte Varianten können im schlimmsten Fall zu Vergiftungen oder Organversagen führen, machen also nur in ärztlicher Absprache Sinn.
Wo „Longevity“ ihre Grenzen hat
Doch die Maßnahmen haben auch ihre Grenzen: Wer früh damit beginnt, seinen Lebensstil anzupassen, darf zwar auf starke Effekte hoffen. Auch in höherem Alter lässt sich das Leben noch verlängern, allerdings nicht mehr ganz so wirkungsvoll.
Eine Garantie für Langlebigkeit gibt es in keinem Fall. „Es kann trotzdem eine Erkrankung auftreten, die die Lebenserwartung zunichtemacht“, sagt Hannah Scheiblich. Sie arbeitet in der Demenzforschung und weiß: Manchmal ist ein kurzes und gesundes Leben wünschenswerter als ein besonders langes, krankes Leben. Scheiblich: „Es ist wichtig, den Longevity-Hype durch einen Hype zu ersetzen, bei dem es darum geht gesund und fit zu bleiben und nicht nur die Lebenserwartung immer weiter in die Länge zu ziehen.“
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