Sie experimentieren, reparieren und kreieren, sie erfinden, bauen und recyclen: die wachsende Zahl der “Maker“. Ihre Bewegung hat erstaunlich viele Facetten und verbindet als Brückenbewegung den digitalen Wandel mit Ideen der Nachhaltigkeit, und das auf oft überraschende Weise.
Daniel Kocyba hat streng genommen keine Ahnung von Robotik: Der 1978 geborene Hamburger ist nämlich eigentlich Industriedesigner. Vor drei Jahren nahm er sich vor, einen Roboter zu bauen. Um zu sehen, ob das geht. Das Ergebnis ist der programmierbare ZURI. Er wird gewiss nicht die Weltherrschaft an sich reißen, denn er besteht aus Papier und Pappe und wäre schon beim ersten Regenschauer erledigt. Entsprechend taugt der ZURI auch nicht als schwer schuftender Industrieroboter. Und auch sonst zu fast nichts.
„Die Leute fragen mich immer wieder, was ZURI denn nun kann“, sagt Kocyba. Die Antwort: Er kann laufen, besser gesagt krabbeln. Viel wichtiger aber: Er kann Schülern beibringen, wie man einen Roboter baut. Denn der Prototyp ist simpel konstruiert und besteht weitgehend aus Pappe, daher reichen einfache Werkzeuge wie Lineal, Cutter und Klebstoff aus, um den Bewegungsautomaten zu basteln. Ersatzteile? Kein Problem: Bricht ein Arm des „Paperbot“ ab, falzt man sich eben einen neuen zusammen. (Stimmt nicht ganz: die Servomotoren muß man kaufen.)
„Selber machen“ ist der Weg, nicht das Ziel
Das Motiv des Selbermachens zieht sich durch einen großen Teil der Maker-Bewegung: Es geht nicht immer darum, etwas besonders einzigartiges zu bauen. Oft geht es nur darum, es selbst gebaut zu haben, und sei es etwa die Cyberbrille aus Pappe des Projektes POINT>AR Cardboard: Sie macht „Virtual Reality“ auch ohne eines der teuren Fertig-Headsets zugänglich, die für dieses und das nächste Jahr erwartet werden.
Wer etwas selbst baut, versteht es besser – und kann es vielleicht auch optimieren und reparieren, was im Sinne der Nachhaltigkeit wünschenswert ist. Sichtbar wird das zum Beispiel an der Messe Make Munich, die am Wochenende des 1./2. November 2014 in München stattfindet. Dort gibt es zum Beispiel einstündige Workshops, in denen man lernen kann, einen Designer-Lampenschirm selbst herzustellen oder mit eigenen Händen eine Zahnpasta zu fabrizieren.
Andere Dinge anders machen
Eine neue Bastel-Bewegung? Bei uns – anders als zum Beispiel bei Afrikas Makern – sicher auch; doch beim „Maker“ schwingt zusätzlich noch das „Machen“ mit, eine Prise systemalternativer Aktionismus ist da häufig dabei. Interessant ist hier zum Beispiel das Projekt Honigpumpe aus München. Es demonstriert, wie der Stadthonig gewonnen wird, wie jeder dabei mitmachen kann und warum Stadthonig überhaupt sinnvoll ist. Den City-Imkern geht es aber auch darum, unsere Konsumgewohnheiten zu hinterfragen und auf die Probleme der Bienen mit der modernen Landwirtschaft hinzuweisen.
Witzig, erstaunlich und ein bisschen gruselig ist das Projekt ScobyTec, das Mikroelektronik und nachhaltige Materialien sinnstiftend zusammenführen möchte. ScobyTec stellt dazu mit Hilfe bakterieller Zellulose aus Kombucha (symbiotische Tee-Hefe-Kulturen) Kleidung her, in die intelligente Technik eingearbeitet ist. Ein Beispiel dafür ist eine Kombucha-Jacke, welche die Stimmung ihres Trägers visuell anzeigen kann. Projekten wie diesem kann man zweifellos vorwerfen, sie könnten sich etwas näher an realen Problemen bewegen; doch in der Maker-Bewegung geht es eben auch darum, zu experimentieren und auszuprobieren.
Pflanzen und Maschinen
Was heute noch als sinnfreier Gimmick erscheint, könnte morgen schon sehr sinnvoll sein. Ein gutes Beispiel ist dafür Plants & machines. Im Mittelpunkt dieses Projektes stehen automatisierte Biotope und Gewächshäuser, die Fischzucht in Aquakultur mit Nutzpflanzen-Hydrokulturen kombinieren („Aquaponik“) und zusätzlich mit der Steuerung durch Computer und Roboter zusammenführen. Es entstehen autonome, geschlossene Kreisläufe, die es ermöglichen, unabhängig von Standortfaktoren und saisonalen klimatischen Bedingungen Nahrung zu produzieren.
Das Versprechen der Aquaponik ist, ganz ohne Düngemittel und mit deutlich weniger Wasser als herkömmliche Agrikulturen auszukommen. Plants & machines teilt die Komponenten seines artifiziellen Ökosystems außerdem in stapelbare Module auf. Das erlaubt es, die künstlichen Biotope an den Bedarf und die Möglichkeiten des jeweiligen Standards anzupassen. Das Projekt des Gründer- und Innovationscampus Jena-Weimar hat inzwischen auch eine Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erhalten.
Recycling und Upcycling
Maker machen nicht nur, sie überlegen sich auch neue Möglichkeiten, bestehendes wiederzuverwenden. Ein Beispiel dafür ist die Initiative des Industriedesigners Alexander Wiefel: Er will die Menge an produziertem Plastikmüll reduzieren und nachhaltigen Konsum sowie das Wiederverwerten von Plastik zu fördern. Auf der Messe Make Munich können die Besucher eigenen Kunststoff-Abfall mitbringen, damit mehr über die Eigenschaften der verschiedenen Kunststoffe erfahren und lernen, wie sich diese wiederverwenden lassen
Was auf diese Weise möglich ist, zeigt zum Beispiel Love by Eco. Die Modeschöpferin Jara Altamar bietet unter diesem Label Mode, Accessoires und Schmuck an. Alle Designs sind dabei Einzelstücke, die aus Recycling-Materialien handgefertigt wurden. Wer sich mit Müll schmückt, muss sich dessen nicht schämen – die Website bietet sogar Brautmoden an. Wie so oft kommt es auch hier einfach darauf an, anzufangen.
Tipp: Lesen Sie unbedingt auch unseren Beitrag zu den Makern in Afrika!
Maker-Messen
Die Messe Make Munich stellt diese und andere Maker vor und findet am 1. und 2. November in München statt. Der Eintritt für Kinder unter 18 Jahre ist frei, Tickets kosten zwischen 10 und 23 Euro. (3 Tickets verlosen wir hier.)
Wer nicht nach München kann, besucht im kommenden Jahr die Maker Faire Hannover vom 6. Bis 7. Juni oder die Maker World, die vom 27.-28. Juni in Friedrichshafen stattfindet.
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