Wir haben ja keine Wahl. Wir haben nur eine gute Ausbildung, ein im Weltmaßstab exorbitantes Einkommen, Nahrungsmittel im Überfluss und jede Menge Freiheiten. Aber gegen die Zerstörung der Welt können wir natürlich nichts tun. Oder? Wenn Sie sich nicht mehr länger für doof und inkompetent erklären wollen, lesen Sie Harald Welzers Anleitung zum Widerstand.
Fühlen Sie sich jetzt beleidigt? Macht nichts! Wir folgen nur der Anleitung zum Widerstand. In seinem neuen Buch hält uns Harald Welzer einen Spiegel vor, der ein unangenehmes Bild zurückwirft. Damit will der Sozialwissenschaftler uns nicht erniedrigen – im Gegenteil, träge Konsum-Mäuschen will er zu selbstbestimmten Bürgern wachsen lassen: „Der Anblick der szenigen jungen Paare die in szenigen Berliner Bars nebeneinandersitzen und auf die Bildschirme ihrer Macbooks starren und von Zeit zu Zeit irgendwelche Tasten auf ihren Tastaturen drücken, hat für mich etwas zutiefst Deprimierendes. Mich stört der leichtherzige Verzicht auf Freiheit und das freimütige Eintauschen von Autonomie gegen Produkte“.
Ja, selbst beim gemeinsamen Kaffeetrinken wird oft nicht mehr nur gemeinsam Kaffee getrunken und dabei gesprochen, gelacht, diskutiert und die Zukunft an den Tisch geholt. Wir schlafen gemeinsam im Netz und konsumieren, was andere uns zu sagen haben. Wenn wir dabei mal in Gänge kommen, klicken wir den schon nach oben gerichteten Daumen an und finden damit das uns Vorgesetzte gut.
Wir selbst sind die Produkte unseres Konsums
Der immerwährende Medienkonsum hindert uns daran, selbst zu denken. Aber er ist nur ein Teil der großen Verlockung: “Selbstaufklärung muss sich gegen die allgegenwärtigen konsumistischen Verführungen durchsetzten, indem sie darauf beharrt, dass nicht schon automatisch alles Sinn macht, alles haben zu wollen, nur weil man alles haben kann.“, fordert Welzer. Unser Widerstand müsse sich gegen einen totalitären Konsum richten, der sich uns zu seinen Produkten macht, indem er uns mit immer neuen Wünschen ausstattet: „Wünschen von denen Sie vor kurzem nicht einmal ahnten, dass Sie sie jemals hegen werden“. Ein etwas schnelleres iPhone, eine trendige Hose in der neuen Trendfarbe, immer fernere Fernreisen, vielleicht wollen Sie bald auch geschälte und mundgerecht in Plastik verpackte Bananen, wer weiß?
Wir verwünschen uns mit der Gier nach Produkten aber nicht nur zu passiven Konsumenten, wir zahlen damit auch in die alles regierende Wachstumslogik unseres Wirtschaftens ein. Und mit der zerstören wir unseren Planeten, obwohl wir das längst wissen: Wenn uns das Öl ausgeht, bohren wir tiefer, wenn wir zu wenig Eier haben, produzieren wir Hühner, die noch mehr Eier legen können, wir kaufen die immer billigeren T-Shirts, obwohl wir ahnen, dass irgendwo auf der Welt ein Arbeiter den wahren Preis dafür zahlt.
Harald Welzer
Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand
Fischer Verlag 2013
ISBN: 978-3-10-089435-9,
19,99 Euro
Leiden wir an sozialer Impotenz?
Wir wissen, dass die Ressourcen unseres Planeten nicht unendlich sind, trotzdem verhalten wir uns so. Wir wissen, dass der Klimawandel unsere Lebensbedingungen radikal verändern wird. Dennoch handeln wir, als ob die Welt im Großen und Ganzen so weitergehen wird wie bisher. Für unser Leben wird sie das vielleicht auch, aber nicht für unsere Kinder und Enkel.
Warum machen wir da mit – und immer so weiter? „Es herrscht kein Krieg in Deutschland, keine Gewaltherrschaft“, schreibt Welzer. Trotzdem „behaupten die meisten Leute, sie hätten keine Wahl. Das ist eine ziemlich arrogante Mitteilung, wenn man das Privileg hat, in einer freien und reichen Gesellschaft leben“.
Wir schreiben uns „soziale Impotenz“ zu, weil wir als passive Konsumenten gewohnt sind, nicht selbst zu denken. Wir müssen lernen, nicht nur dagegen zu sein, sondern unsere Kreativität innerhalb unserer Handlungsspielräume zu entfalten. Damit haben nicht nur wir, sondern auch die künftigen Generationen gewonnen.
12 Regeln für erfolgreichen Widerstand
Wie es aussehen kann, wenn man kreativen Widerstand lebt, zeigt Harald Welzer an schon verwirklichten Beispielen: Neue Genossenschaftsmodelle, Initiativen für gemeinschaftliches Eigentum, lokale Kulturen, Communities of Practice und mehr.
Es gibt mehr Möglichkeiten, passivem Konsum und permanentem Wachstum zu widerstehen, als Sie vielleicht denken. Damit Sie sofort damit beginnen können, präsentieren wir Harald Welzers 12 Regeln für erfolgreichen Widerstand.
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