Wer auf der Suche nach Hautpflegetipps ist, wird auf TikTok und Co. garantiert fündig. Doch eine Dermatologin sieht viele Empfehlungen kritisch und warnt vor den Folgen – nicht nur für die Haut, sondern auch für die Psyche.
Auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok teilen unzählige Nutzer:innen und Influencer:innen Hautpflegetipps und Beautyroutinen. Viele bewerben spezielle Produkte, andere Reinigungs- und Pflegemethoden wie etwa „Double Cleansing“ oder „Skin Flooding“. Doch sollte man solche Tipps wirklich befolgen – und woran erkennt man seriöse Empfehlungen?
Claudia Borelli ist Leiterin der Einheit für Ästhetische Dermatologie und Laser an der Hautklinik des Universitätsklinikums Tübingen und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Ästhetische Dermatologie und Kosmetologie ADK. Im Interview mit Utopia ordnet sie Pflegetrends ein, äußert sich zu komplexen Beautyroutinen und gibt Tipps, wie eine gesunde Hautpflege gelingt.
Dermatologin zu Abschmink- und Reinigungsölen: „Für fettige Haut genau das Falsche“
Utopia: Ein Beispiel für eine Beautyroutine, wie sie manche TikToker:innen empfehlen: Mizellenwasser, um Make-up zu entfernen, danach Abschminköl für Rückstände, dann Reinigungsöl, ein Reinigungsgel, ein Hyaluronserum, gefolgt von Vitamin-C-Kapseln. Schließlich trägt man noch eine Feuchtigkeitscreme und eine Augencreme auf. Das Ganze ist die Routine für abends, morgens gibt es eine andere. Was halten Sie von der Empfehlung?
Claudia Borelli: Wir Dermatologen zucken zusammen, wenn Abschminköl und Reinigungsöl pauschal empfohlen werden. In den letzten Jahren gab es einen Hype um Öle als Kosmetikprodukte. Menschen mit trockener Haut mögen das vertragen, aber für fettige Haut sind diese Produkte genau das Falsche.
Utopia: Wieso das?
Borelli: Menschen mit fettiger Haut neigen ohnehin zu Akne. Wenden sie fettreiche beziehungsweise ölige Produkte an, kann das zu Pickeln, Pusteln und Mitessern führen. Viele Menschen haben einen Mischhauttyp mit trockenen und eher seborrhoischen – also fettigen – Arealen im Gesicht.
Utopia: Was sollten Menschen mit fettiger oder Mischhaut statt Ölprodukten verwenden?
Borelli: Sie sollten ihr Gesicht mit einem Waschgel oder einem Syndet reinigen. Syndets sind synthetische waschaktive Substanzen, die auch für empfindliche Haut geeignet sind.
Utopia: Wie finde ich denn überhaupt heraus, welchen Hauttyp ich habe?
Borelli: Am besten lässt man ihn beim Hautarzt einschätzen. Der Hauttyp kann sich auch im Laufe des Lebens ändern, zum Beispiel während einer Schwangerschaft, in oder nach den Wechseljahren.
Utopia: Und was halten Sie von den anderen Produkten, die empfohlen wurden – zum Beispiel von den Vitamin-C-Tabletten?
Borelli: Als Dermatologin nehme ich gern zu Produkten Stellung, die auf die Haut aufgetragen werden. Vitamin C in ausreichender Menge zu sich zu nehmen, ist für den Körper sinnvoll. Ob es speziell dem Hautzustand hilft, beziehungsweise diesen verbessert, ist aus meiner Sicht fraglich.
„Man muss seine Haut nicht zuklatschen mit Produkten“
Utopia: Es gibt auf Social Media auch ähnlich komplexe Pflegeroutinen wie die oben beschriebene, die für bestimmte Hauttypen empfohlen werden. Sind diese denn sinnvoll?
Borelli: Bei Ihrem Beispiel handelt es sich um eine sehr, sehr ausgedehnte Pflegeroutine – das ist zu viel. Man muss seine Haut nicht zuklatschen mit Produkten, sondern sollte einige wenige Cremes und Gels verwenden, die sinnvolle Inhaltsstoffe enthalten.
Utopia: Für Lai:innen sind sinnvolle Produkte schwer zu erkennen. Auf der Verpackung stehen eine Menge Fachbegriffe und nicht jede:r hat Chemie studiert. Viele verlassen sich deshalb auf Empfehlungen aus dem Netz.
Borelli: Ja, für Verbraucher sind bessere Produkte schwer zu erkennen. Ich würde dafür plädieren, Empfehlungen auf Social-Media-Plattformen kritisch zu hinterfragen. Ist die Person ein Experte, beispielsweise ein Mediziner? Welches Interesse verfolgt derjenige? Erhält er Geld dafür, dass er bestimmte Produkte bewirbt? Oder handelt es sich um eine Firma, die möglichst viele Produkte verkaufen will? Wer eine wirklich kompetente Empfehlung für die eigene Pflegeroutine haben will, sollte wirklich einen Hautarzt fragen.
Pflegetrends im Check: Double Cleansing und Skin Flooding
Utopia: Ein beliebter Hautpflegetipp aus den Sozialen Medien ist „Double Cleansing“, also das Verwenden von einem Gesichtsreiniger auf Öl-Basis plus einem normalen, wasserlöslichen Reinigungsgel. Ist das ihrer Sicht nach sinnvoll beziehungsweise nötig?
Borelli: Mir sind keine Daten bekannt, die wissenschaftlich belegen, dass Double Cleansing einen positiven Effekt hat. In der Regel reicht es, die Haut einmal gründlich mit einem wasserlöslichen Reinigungsgel und ausreichend Wasser zu reinigen. Sollten sich dann noch Make-up-Reste auf der Haut befinden, kann man diese mit einem Tonic entfernen. Verwendet man wasserfestes Augen-Make-up, kann man zusätzlich spezielle Reiniger verwenden. [Anm. d. Red.: Augen-Make-up-Entferner enthalten oft Öle, es gibt aber auch ölfreie Produkte.]
Utopia: Wie sieht es mit „Skin Flooding“ aus, das die Haut mit Feuchtigkeit versorgen soll – mittels Cleanser, Hyaluron-Serum und Feuchtigkeitscreme?
Borelli: So eine Behandlung kann im Abstand von mehreren Wochen für Menschen mit sehr trockener Haut sinnvoll sein. Aber sicherlich nicht als Teil der täglichen Pflegeroutine. Hier riskiert man, die Haut zu überpflegen.
„Einige Patienten entwickeln eine übertriebene Furcht vor Sonne“
Utopia: Welche Folgen kann zu viel Pflege für die Haut haben?
Borelli: Man kann seiner Haut durch falsche Produkte und zu viel Pflege Schaden zufügen und Hautunreinheiten provozieren. Wendet man zum Beispiel zu viele oder viele verschiedene Pflegeprodukte an, kann das zu perioraler Dermatitis führen. Dabei bilden sich kleine eitergefüllte Pickelchen um den Mund oder im ganzen Gesicht. Damit diese wieder verschwinden, muss man eine Weile lang gar keine Pflegeprodukte verwenden oder sogar Antibiotika einnehmen.
Utopia: Beeinflussen Social-Media-Pflegetipps ihre Patient:innen eher positiv oder negativ?
Borelli: Durch die sozialen Medien beschäftigen sich vermehrt auch junge Menschen intensiv mit dem Thema Hautpflege. Es gibt aber auch Kanäle, die jungen Erwachsenen und Jugendlichen wirklich Angst machen und das ist problematisch. Einige Patienten entwickeln beispielsweise eine übertriebene Furcht vor Sonne. Wir Hautärzte sind für sehr guten Lichtschutz, aber wir wollen nicht, dass Menschen panisch werden, wenn sie morgens die Sonnencreme vergessen. Auch wenn 12-Jährigen eingeredet wird, sie müssten ihre Haut jetzt schon vor Falten schützen, sehe ich das sehr kritisch.
Ich denke, es ist sinnvoll, wenn wir Dermatologen und Fachärzte Hautpflege-Trends auf Social Media im Auge behalten. Oft kommen Patienten mit Fragen zu Produkten oder Routinen auf einen zu, von denen sie online gehört haben. Dann müssen wir darauf eingehen und bei Falschinformation auch gegenhalten. Es ist unsere Aufgabe, wissenschaftlich fundiertes Wissen an die Patienten zu vermitteln.
Hyaluronsäure, Retinol oder Vitamin C: Wann sind die Stoffe für die Hautpflege sinnvoll?
Utopia: Viele online beworbene Cremes und andere Pflegeprodukte beinhalten Stoffe wie Hyaluronsäure, Retinol oder Vitamin C, die die Haut straffen beziehungsweise Altersflecken entgegenwirken sollen. Kann die Haut solche Stoffe gut aufnehmen und helfen sie wirklich?
Borelli: Die Wirkung dieser Inhaltsstoffe ist gut belegt, aber es ist trotzdem kompliziert. Bei Hyaluronsäure entscheidet beispielsweise die Länge der Hyaluronsäureketten, ob die Haut diese aufnehmen kann. Auch kann man nicht pauschal jede Creme mit Vitamin C empfehlen, weil der Wirkstoff in manchen mit der Zeit oxidiert und damit verloren geht.
Wir Dermatologen empfehlen häufig Dermokosmetika, also hochdosierte Produkte mit wenigen Inhaltsstoffen, bei denen die Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien belegt wurde. Sie sind oft in der Apotheke erhältlich.
Utopia: Ab wann sollte man Wirkstoffe wie Retinol und Co. benutzen?
Borelli: Hyaluronsäureprodukte, Vitamin-C-Produkte und Retinol sind Anti-Aging-Inhaltsstoffe. Man sollte sie erst anwenden, wenn die Haut anfängt zu altern. Bei sehr empfindlichen Hauttypen beginnt das mit 25 bis 30 Jahren, meist aber später.
Davor sollte man insbesondere auf einen gesunden Lebenswandel achten und darauf, geeigneten Lichtschutz konsequent anzuwenden. Außerdem sollte man die Haut gut reinigen und pflegen, aber nicht überstrapazieren mit falschen beziehungsweise übertriebenen Routinen.
Haut sinnvoll pflegen: So gelingt’s
Utopia: Einige online beworbene Pflegetipps sind also übertrieben. Wie sollte eine sinnvolle Pflegeroutine stattdessen aussehen?
Borelli: Morgens und abends das Gesicht gründlich mit einem Syndet und ausreichend Wasser zu reinigen, ist sinnvoll. Es kann zum Beispiel Hautschäden verhindern, etwa durch Luftverschmutzung [Quelle]. Doch andere pauschale Tipps zu geben, ohne den Hauttyp eines Menschen beurteilt zu haben, ist aus dermatologischer Sicht falsch.
Ist die Haut ausreichend gereinigt, sollte man abends eine Creme, ein Gel oder Serum auftragen, das zum eigenen Hauttypen passt. Auch eine Augencreme ist sinnvoll, weil die Haut um die Augenpartie besonders dünn und empfindlich ist und anders altert als andere Gesichtsbereiche. Morgens sollte man nach dem Reinigen eine für den Hauttypen geeignete Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 auftragen, welche vor weiteren Hautschäden schützt. Wer auch morgens eine Creme auftragen möchte, sollte diese circa zehn Minuten in die Haut einziehen lassen, ehe man den Sonnenschutz darauf verteilt.
Außerdem sollte man sich ausgewogen und gesund ernähren. Studien haben bestätigt, dass etwa die Mittelmeer-Diät Entzündungswerte senkt und sich positiv auf die Alterung und Entzündungen im Körper auswirkt [Quelle].
Utopia: Welchen Hautpflegetipp sollte man auf jeden Fall befolgen?
Borelli: Das A und O ist sicherlich der Lichtschutz. Wenn man dauerhaft gesund und gut aussehen will, sollte man eigentlich ganzjährig Sonnencremes mit Lichtschutzfaktor 50 verwenden. Sonnenschutz kann nachgewiesenermaßen braunen Altersflecken vorbeugen. Dazu wirkt man mit Lichtschutz Vorstufen von weißem und schwarzem Hautkrebs entgegen. Die meisten Menschen nutzen allerdings viel zu wenig Sonnencreme. Eine Tube in einer normalen Größe sollte nach zwei Wochen spätestens aufgebraucht sein.
Hinweis: Dieser Artikel wurde im Januar 2024 erstveröffentlicht.
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