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Neuanfang: „Herz, Kopf und Bauch zu folgen, kann glücklich machen“

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Foto: Thomas Leidig

Die Corona-Pandemie legt Unzufriedenheit frei, die wir häufig verdrängen. Ob im Beruf oder im privaten Bereich, plötzlich klopft die Frage nach dem Sinn dahinter an die innere Tür. Und manchmal ist die Antwort, dass ein Neuanfang sinnvoll ist. Wir haben mit dem ehemaligen Moderator Tobi Schlegl über seinen Neuanfang als Notfallsanitäter gesprochen und was diese Entscheidung in seinem Leben verändert hat.

Durch die Corona-Pandemie ist das normale Leben verschwunden. Die Menschen müssen sich auf einmal mit Dingen in ihrem Leben auseinandersetzen, die sich zuvor häufig unter Arbeit, Alltag und Stress versteckt haben. Wer beispielsweise in seinem Job nicht zufrieden ist, dem wird das in dieser Zeit, in der Ablenkung von außen Mangelware ist, deutlicher klar. Die Frage nach dem Sinn dahinter und warum man bestimmte Dinge eigentlich macht, treten dabei deutlich in den Vordergrund.

Wer sich zufrieden in seinem Alltag eingerichtet hat, wird einfach nur froh sein, wenn alles wieder in geregelten Bahnen verläuft. Doch diejenigen, die unglücklich sind, haben vielleicht gerade durch diese Krise die Chance, mutig aus ihrem Hamsterrad auszubrechen und noch mal von vorne anzufangen. Denn das kann die Pandemie eben auch sein, eine Chance, das eigene Leben zu hinterfragen und Dinge zu verändern, die einen vermutlich schon länger drücken.

Wir haben mit dem ehemaligen Moderator Tobi Schlegl gesprochen, der sich mit Anfang 40 ganz bewusst für einen kompletten Neuanfang entschieden hat. Er kehrte der TV-Welt den Rücken und bringt heute nach einer Ausbildung zum Notfallsanitäter beide Welten zusammen. In seinem Podcast „2Retter1Mikro“ lässt er die Menschen an seiner Arbeit als Notfallsanitäter teilhaben. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, warum er sich damals für einen kompletten Neuanfang entschieden hat und was das in seinem Leben verändert hat.

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Viele habe gerade in dieser Krise den Traum aus dem Hamsterrad auszubrechen. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Sharon Mccutcheon)

Hallo Tobi, wie geht es dir gerade?

Ganz gut. Die Pandemie zerrt aber ein bisschen an den Nerven. In meinem Job als Notfallsanitäter hat sie die Arbeit auf jeden Fall viel beschwerlicher gemacht. Nach jedem Corona-Einsatz muss der Rettungswagen von der Besatzung komplett desinfiziert werden. Da weiß man wirklich, was man am Ende des Tages gemacht hat. Glücklicherweise arbeite ich Teilzeit im Rettungsdienst und so hab ich dazwischen ein paar Erholungsphasen mehr als die Vollzeit-Angestellten.

RTW statt TV, was hat dich damals zu diesem Schritt bewogen?

Ich wollte noch einmal komplett was anderes machen. Etwas komplett Relevantes. Menschen helfen. Etwas zurückgeben. Und was ist relevanter als Teil einer Lebensrettung zu sein? Deshalb habe ich meinen Moderationsjob beim ZDF hingeschmissen und eine dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter durchgezogen. Vollzeit.

Nach der Ausbildung habe ich dann den alten Job als Moderator und den neuen als Sanitäter kombiniert. Denn die Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst machen einem zu schaffen. Selbst viele Anfang 20-Jährige sind deshalb schnell wieder raus aus dem Job. Aber in der Kombination ist das machbar.

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Bist du heute beruflich glücklicher als vor 5 Jahren und wenn ja, warum?

Eindeutig ja. Ich wollte wenigstens im Team ein Leben retten und das habe ich tatsächlich getan. Und nicht nur einmal. Ein unbeschreibliches Gefühl. Außerdem tut es gut, sich einfach mal etwas zu trauen. Auf Risiko zu gehen. Und dem zu folgen, was Herz, Kopf und Bauch sagen. So kann man wirklich glücklich werden.

Gibt es auch etwas, das dich an deinem Job als Notfallsanitäter nervt?

Die hohe Arbeitsbelastung. Zwölf Stunden Schichten. Schichtarbeit. Notfallsanitäter arbeiten in Vollzeit 48 Stunden die Woche. Also wöchentlich gut 9 Stunden mehr als jeder andere Arbeitnehmer. Dazu kommt die psychische Belastung. Man sieht Dinge, auf die man sich nicht vorbereiten konnte. Und dann gibt es Menschen, die zu schnell die 112 wählen, obwohl sie beim Hausarzt besser aufgehoben wären. Das nervt. Aber das sind ja Strukturen, die nicht so bleiben müssen. Deshalb kämpfe ich für eine Veränderung.

Lies dazu auch: Soziales Engagement: Warum es auch dir was bringt

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Change is good! (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Ross findon)

Ganz hast du der Medienwelt ja nicht den Rücken gekehrt. Was hat dich zu deinem neuen Podcast „2Retter1Mikro“ bewogen und worum geht es da?

Mit diesem Podcast kann ich beide Welten verbinden. Die Welt des Moderators und Reporters und die Welt des Notfallsanitäters. Ich kann Menschen aus dem Rettungsdienst und der Pflege eine Bühne bieten. Das ist wichtig, weil es in beiden Bereichen einen absoluten Personalmangel gibt und man über die Dinge reden muss, die sich politisch verändern müssen. Dazu können wir unglaubliche Patientengeschichten erzählen. Und am Ende gibt es eine kleine Erste-Hilfe-Schule für alle. Das ist total notwendig, da ich in meinen Einsätzen immer wieder merke, wie wenig Menschen Erste Hilfe können und sich zutrauen.

Was würdest du all jenen mitgeben, die ebenfalls darüber nachdenken nochmal ganz neu anzufangen?

Man muss es ja nicht ganz so radikal machen wie ich und alles von jetzt auf gleich kündigen. Man kann zum Beispiel durch ein Ehrenamt manchmal schon Erfahrungen sammeln und sich überlegen, ob man eventuell zwei Jobs kombinieren könnte. Aber trotzdem gilt: Seid mutig, traut euch was. Das zahlt sich aus. Sagt meine Erfahrung.

Vielen Dank für die Zeit und das Gespräch.

Tobias Schlegl (44) ist den meisten als Radio- und TV-Moderator bekannt. Mit 40 Jahren entschied sich der ehemalige VIVA-Moderator für einen beruflichen Neuanfang und absolvierte die Ausbildung zum Notfallsanitäter. Neben seinem Beruf als Notfallsanitäter ist er auch als Autor, Musiker und Podcaster tätig. In seinem Debütroman „Schockraum“ geht es um das Leben eines jungen Notfallsanitäters. Den Podcast „2Retter1Mikro“ moderiert er seit Januar 2021 und spricht mit Kolleg:innen über den Alltag im Rettungsdienst und der Pflege, deren Erlebnisse und Arbeitsbedingungen.

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