Klimahysterie, Klimaleugner, Klimaneutralität: In Diskussionen über die menschgemachten Auswirkungen auf unsere Umwelt sind schnell vermeintlich klare Worte zu hören. Die aber in Wirklichkeit ein schiefes Bild zeichnen.
Klimawandel
Natürlich, es ist inhaltlich nicht falsch, vom Klimawandel zu sprechen. Das übrigens erst seit 2004 im Duden stehende Wort beschreibt ja bereits, worum es in der Sache geht. Und tatsächlich hat sich das Klima in der Geschichte der Erde über lange Zeiträume hinweg immer wieder verändert.
Allerdings befinden wir uns heute in einer neuen Situation: Mit den Nebenwirkungen des zivilisatorischen Fortschritts haben wir so massiv in die Umwelt eingegriffen, dass wir vor Herausforderungen stehen, die wir nur noch schwer bewältigen können. Der an sich korrekte Begriff „Klimawandel“ deutet diese dramatische Situation also bestenfalls dezent an – und verschweigt die Dringlichkeit, mit der wir angesichts dieser Krise handeln müssen.
Wir brauchen einen Begriff mit Haltung, der uns immer wieder an den Ernst der Lage erinnert und zum Handeln aktiviert. Und nein, es muss nicht gleich die apokalyptische „Klima-Katastrophe“ sein. Aber „Klimakrise“ ist sicherlich das Wort der Stunde.
Klimaleugner
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen bei der Beurteilung der Klimakrise kaum Spielraum: Wir selbst sind die Hauptursache für die dramatischen Entwicklungen im Klimabereich, die wir gerade erleben. Doch genau diese Verantwortung will nicht jeder wahrhaben.
US-Präsident Donald Trump ist ein prominentes Beispiel dafür, aber auch unter deutschen Rechten und Konservativen in Politik, Wirtschaft und Medien muss man nicht lange suchen. Und dazwischen versuchen ThinkTanks wie das pseudo-wissenschaftliche Heartland Institute, die öffentliche Meinung zu beeinflussen – wer dahinter steckt zeigt diese Recherche von Correctiv.
„Klimaleugner“ ist die oft gewählte mediale Bezeichnung für dieses Lager, manchmal auch „Klimaskeptiker“, wenn es sich um Personen handelt, die eventuell noch rationalen Argumenten offen gegenüberstehen. Hilfreich sind diese Bezeichnungen beide nicht, denn im Wortgebrauch schleifen sie die unterschwellige Idee in die Gesellschaft ein, dass die wissenschaftlich belegte Tatsache des menschgemachten Klimawandels diskutabel sein könnte.
„Wissenschaftsleugner“ wäre wohl eine treffendere Beschreibung.
Klimahysterie
Wie überhöht man die eigene Position ohne großen Aufwand? Richtig: Indem man Andersdenkende pauschal herabwürdigt. In Diskussionen um die Klimakrise beliebt ist in diesem Sinne das Wort „Klimahysterie“. Denn wer braucht noch Sachargumente, wenn er die Bemühungen der Klimaschutzbewegung mit einem kurzen Begriff als irrationalen und vielleicht sogar krankhaften Gefühlsausbruch deklassieren kann.
So sah es übrigens auch die Jury des Negativpreises „Unwort des Jahres“, die 2019 den „von der F.A.Z. über Unternehmer bis hin insbesondere zu AfD-Politikern“ verwendeten Ausdruck zum traurigen Sieger kürte: „Er pathologisiert“, so die Begründung der Jury, „pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektiver Psychose.“ Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel sei der Begriff irreführend und stütze in unverantwortlicher Weise wissenschaftsfeindliche Tendenzen.
Klimaangst
Kann die Angst vor den Auswirkungen der Klimakrise psychisch krank machen? Tatsächlich wird bereits international darüber diskutiert, ob es ein entsprechendes Krankheitsbild „Climate Anxiety“ gibt oder ob sich hier allgemeine Angststörungen mit der Sorge um die Zukunft verbinden.
Eine dazu passende Grundstimmung scheint vorhanden zu sein – zumindest in jüngeren Generationen: In einer repräsentativen Sinus-Studie zu Fridays for Future und Klimaschutz bejahten rund zwei Drittel der deutschen 14- bis 24-Jährigen die Frage „Der Klimawandel macht mir große Angst“. Und vor allem zielgruppen-affine Medien wie „Zeit Campus“ oder „Vice“ beschäftigen sich mit diesem Gefühl.
Auch die Gruppierung Psychologists/Psychotherapists for Future betont, dass es sich bei der „Klimaangst“ um keine psychiatrische Diagnose handelt. Sie raten dazu, den Angstbegriff durch eine positive Perspektive zu ersetzen: „Klimabewusstheit“, also dass man sich der Situation und der Folgen bewusst ist. Und damit verbunden der Gedanke, etwas tun zu müssen – das „Klimabewusstsein“.
Klimaflüchtlinge
Wann hat ein Mensch ein Recht auf Asyl? In Deutschland auf jeden Fall, wenn er politisch verfolgt wird – so steht es im Grundgesetz.
Was aber ist, wenn katastrophale Lebensbedingungen der Grund sind, warum Menschen ihre Heimat verlassen? Etwa weil dort die Folgen der Klimakrise zu Lebensmittelmangel, Arbeitslosigkeit oder sogar Krieg geführt haben. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller betonte im November 2019, dass sein Ministerium von 20 Millionen solcher Klimaflüchtlinge allein in Afrika ausgehe. Doch ein Recht auf Asyl leitet die Bundesregierung daraus nicht ab– obwohl oder gerade weil die Zahl der Geflüchteten in Folge der menschgemachten Klimakrise noch deutlich steigen wird.
Das Problem ist vermutlich schon der Begriff „Klimaflüchtling“, der nicht nur bereits von Populisten für die eigenen Zwecke missbraucht wird, sondern auch eine Kategorie von Geflüchteten schafft, deren Anspruch auf Humanität anscheinend anders gewertet wird. Immerhin: Im Januar 2020 hat ein UN-Menschenrechtsausschuss festgestellt, dass Klimaflüchtlingen, deren Leben in Gefahr ist, das Recht auf Asyl nicht verweigert werden dürfe.
Klimaanlage
Eigentlich ist das ja großartig: Eine Technologie, die eine erträglich temperierte Raumluft erzeugt, auch wenn die Außentemperaturen unwirtlich hoch sind.
Angesichts der prognostizierten Entwicklungen in der Klimakrise könnte es künftig immer mehr Menschen geben, die solche Kühlgeräte nutzen müssen. Doch das ist ein Teufelskreis, denn ihr Betrieb erzeugt erhebliche Emissionen, die über den durch sie erzeugten Treibhauseffekt wiederum die Klimakrise verstärken.
Immerhin: Das 2016 beschlossene und international bindende Kigali-Abkommen sieht eine weltweite Reduzierung der hier (und in anderen Kühlsystemen) meist verwendeten, extrem klimaschädlichen Fluorkohlenwasserstoffe um mehr als 80 Prozent vor – allerdings nur schrittweise innerhalb von 30 Jahren. Bis dahin sollten wir zumindest einmal darüber nachdenken, ob ausgerechnet „Klimaanlage“ der passende deutsche Begriff für eine Technologie mit so klimaschädlichen Nebenwirkungen ist.
Klimaneutralität
Wir müssen handeln. Und sicherlich ist es ein wichtiger Schritt bei der Bewältigung der Klimakrise, die dafür verantwortlichen Emissionen immer weiter zu senken. Im neuen Klimaschutzgesetz zum Beispiel verpflichtet sich die Bundesregierung, ihre Verwaltung bis 2030 klimaneutral zu machen.
Doch auch wenn die gute Idee der „Klimaneutralität“ wie ein Heilversprechen klingt, kann sie nicht mehr als ein Etappenziel sein. Sonst wird sie zur Sackgasse – auch in unseren Köpfen. Denn für einen nachhaltigen Klimaschutz kann es nicht genug sein, Handlungen und Prozesse emissionsfrei zu bekommen, um die Situation nicht weiter zu verschlimmern. Schon gar nicht, wenn dafür Emissionen durch Zertifikate kompensiert werden und so lediglich rechnerisch aus der Umwelt genommen werden.
Wir brauchen eine mentale Kehrtwende, die nicht „Klimaneutralität“ sondern „Klimafreundlichkeit“ als Idee vor sich herträgt.
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