Auf Balkonen, dem Gelände aufgelassener Fabriken, auf Brachflächen und Terrassen, überall grünt und blüht es. „Urban Gardening“ heißt der Trend, der die Gärten zurück in die Stadt bringt. Auf kleinen und kleinsten Flächen, teilweise in Eimern oder Holzkisten, wird privat oder gemeinschaftlich angepflanzt, gegossen, gejätet, gepflegt und geerntet. Von bunten Blumen über Kräuter bis hin zu Tomaten und Möhren wachsen die unterschiedlichsten Dinge zwischen den Hausmauern.
Urban Gardening ist sinnstiftende Freizeitbeschäftigung, hilft das Klima in den Städten zu verbessern, stärkt das Gemeinschaftsgefühl und kann sogar einen Beitrag zur Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln leisten. Dass Gärtnern entspannt und gut für die Psyche ist, wissen wir schon länger. Durch die Urban Gardening Bewegung können nun auch all jene daran teilhaben, die bisher aufgrund ihrer Wohnsituation darauf verzichten mussten.
Was ist Urban Gardening eigentlich?
Der Name Urban Gardening, zu Deutsch „städtisches Gärtnern“, trifft den Nagel auf den Kopf. Der grüne Trend bringt die Gärten und die Beschäftigung mit Pflanzen zurück in die oft grauen Städte aus Asphalt und Beton. Auf kleinen und kleinsten Flächen werden meist gemeinsam Gemüse, Kräuter und Blumen angebaut, gepflegt und geerntet.
Dabei ist Urban Gardening ein sehr weit gefasster Begriff, es muss nicht unbedingt ein Garten, eine Grünfläche oder ein Beet mit einer gewissen Mindestgröße sein. Schon ein paar Pflanzkübel, Blumenkästen oder übrig gebliebene Kisten können einen städtischen Garten bilden. Das macht urbanes Gärtnern flexibel, kostengünstig und mobil. Und unterscheidet Urban Gardening beispielsweise von Kleingartenvereinen oder Schrebergärten, die nur auf dafür vorgesehenen Grünflächen bestehen können. Die Bewegung nutzt, was da ist und sich anbietet, auch wenn der Standort nur vorübergehend ist, etwa bei Brachflächen.
Zudem hat Urban Gardening keinen kommerziellen Hintergrund. Der Gemüseanbau dient zwar der Versorgung, jedoch nur jener der „Stadtgärtner“ selbst. Die Freude an der Produktion eigener Lebensmittel ohne unnötigen Chemieeinsatz und das Gemeinschaftsgefühl sind wichtiger als die tatsächliche Ernte. Anders sieht das bei Urban Farming aus. Hier sind die Flächen größer und der Ertrag und die Versorgung der Großstadtbewohner sind mehr im Fokus.
Hintergründe und Ursprünge des „Gärtnern in der Stadt“
Urban Gardening ist kein ganz neuer Trend. Schon in der Antike gehörten die Gemüsegärten zum Stadtbild, dienten als Lebensmittellieferanten für die Bewohner. Mit dem Wachstum der Städte verschwanden sie zunehmend und machten den typischen Rasenflächen oder Betonwüsten Platz.
So, wie wir es heute kennen, entstand Urban Gardening vermutlich im New York der 1970er Jahre. Damals schlossen sich die Bewohner heruntergekommener Stadtviertel zusammen und bauten auf Brachflächen und leerstehenden Grundstücken gemeinsam Gemüse an, statt die Gegend immer weiter verfallen zu lassen. Der Trend schwappte, wie so vieles, irgendwann über den großen Teich zu uns nach Deutschland, wo er anfangs eher belächelt wurde. Mittlerweile ist jedoch klar: Urban Gardening ist gekommen, um zu bleiben.
In anderen Regionen der Welt entwickelte sich Urban Gardening aus der Not heraus, zum Beispiel in Kuba. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mussten die Bewohner der Insel in der Karibik auf eine neue Art und Weise mit frischem Gemüse versorgt werden, da der Hauptlieferant plötzlich weggefallen war. Die Lösung war der gemeinschaftliche Anbau direkt in den Städten, sodass keine langen Transportwege entstanden.
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Positive Effekte des Urban Gardening
Die Entstehung der Urban Gardening Bewegung lässt schon erahnen, welche positiven Wirkungen das Gärtnern in der Stadt mit sich bringt. Auf der Hand liegt eine Verbesserung des Stadtklimas durch mehr Grünflächen und Pflanzen, ebenso wie ein Zugang zu frischem, selbst angebautem Obst, Gemüse und Kräutern auch für jene, die sich keinen eigenen Garten leisten können.
Gesunde Nahrungsmittel, bei denen man weiß, woher sie stammen, sind aber nicht nur gut für den Körper. Etwas wachsen und gedeihen zu sehen ist gerade in Zeiten der Corona-Krise wohltuend für die Psyche. Die notwendige Pflege von Beeten, Büschen und Pflanzkübeln vermittelt das Gefühl, etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft beitragen zu können, gebraucht zu werden.
Dadurch stärkt das gemeinschaftliche Pflanzen, Gießen, Jäten und Ernten das Gemeinschaftsgefühl und das soziale Miteinander. Die Arbeit an und in den urbanen Gärten ist für alle gleich, ungeachtet von Herkunft, Religion oder Muttersprache. Jeder tut, was möglich ist, alle arbeiten an einem gemeinsamen Ziel – das stärkt den Zusammenhalt und hilft, gesellschaftliche Barrieren zu überwinden.
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Urbane Gärten können aber noch mehr. Während in Deutschland der gesundheitliche und soziale Aspekt im Vordergrund steht, ist Urban Gardening in anderen Regionen der Welt sogar (über-)lebenswichtig. Beispielsweise in São Paulo in Brasilien, wo der Verein „Städte ohne Hunger“ Gemeinschaftsgärten zum Gemüseanbau organisiert. Der Ertrag einer einzigen, nur 3,5 Quadratmeter großen Parzelle reicht für bis zu 600 Mahlzeiten – für die Bewohner des Viertels bedeutet das Versorgungssicherheit.
Ein weiteres Beispiel für die positiven Auswirkungen von Urban Gardening ist Detroit im US-Bundesstaat Michigan. Die Stadt war und ist eng verflochten mit der Automobilindustrie, durch die Finanzkrise 2009 schlitterten die Autobauer ebenfalls in die Krise. Die Arbeitslosigkeit in Detroit war infolgedessen hoch, gesunde, ökologische Nahrungsmittel für viele Menschen Mangelware. Bis die Stadtgärten die leeren Fabrikgelände eroberten, Arbeitsplätze schufen und Obst und Gemüse in guter Qualität produzierten. Heute sind es nicht mehr die Autos, die der „Motorcity“ Detroit Hoffnung geben, sondern die grünen Flecken wie die Earthworks Farm, auf denen Urban Gardening betrieben wird.
Wo und wie kannst du zum Stadtgärtner werden?
In Deutschland ist die Situation freilich eine bessere, wir brauchen die urbanen Klein- und Kleinstgärten nicht unbedingt zur Versorgung. Dennoch wächst das Interesse daran, wo unsere Nahrung herkommt und wie sie erzeugt wird. Bei dir auch, du hast aber selbst keinen Garten? Kein Problem, mittlerweile gibt es in vielen größeren Städten bereits Urban Gardening Projekte.
Eines der bekanntesten sind die Prinzessinnengärten in Berlin. Gegründet im Jahr 2009 wird seit April 2020 an zwei Standorten in der Bundeshauptstadt gepflanzt, gejätet, gegossen und geerntet. Seit 2019 können Stadtgärtner ihrer Leidenschaft auf dem „Gartendeck“ mitten im Hamburger Stadtteil St. Pauli folgen. Mitmachen kann und soll jeder, der gerne im Garten arbeitet und etwas für die Gemeinschaft tun will.
In Köln beispielsweise gibt es das Urban Gardening Projekt NeuLand. Das Besondere an diesem Stadtgarten: er ist mobil! Gepflanzt wird in Kisten, Hochbeeten, Blumentöpfen, Pflanzkübeln oder Säcken, die auf brach liegenden Grundstücken aufgestellt werden. So gibt es vielleicht weniger zu ernten, doch die Gemeinschaft ist flexibler. Sobald ein Grundstück verbaut wird, packen die Großstadtgärtner ihre Sachen und ziehen weiter, kostengünstig und effizient.
Weiter im Süden der Bundesrepublik kannst du dich im „o’pflanzt is“ Gemeinschaftsgarten im Münchner Olympiapark in die Gartenarbeit stürzen. Aufgrund der Corona-Beschränkungen gibt es dort aktuell keine größeren Veranstaltungen, Unterstützung durch Einzelpersonen ist jedoch immer gerne gesehen.
Die oben genannten Urban Gardening Projekte sind nur vier von vielen in Deutschland. Doch selbst wenn sich keines davon in deiner Nähe befindet, musst du auf urbanes Gärtnern nicht verzichten. Ein Pflanzkübel auf dem Balkon, Blumenkästen auf deinem Fensterbrett, eine Baumscheibe oder vielleicht doch eine Kiste im Innenhof – gemeinsam mit den Nachbarn. Es gibt unzählige Möglichkeiten, für mehr Grün in der Stadt zu sorgen und dabei auf Gleichgesinnte zu treffen. Oft muss nur jemand mit gutem Beispiel vorangehen, um einen neuen Stadtgarten entstehen zu lassen.
Urban Gardening als Zukunftsmodell?
Urban Gardening ist ohne Zweifel ein ungebrochener Trend. Das Interesse daran, woher die Dinge auf unserem Teller stammen, wächst immer weiter. Zugleich steigt die Sehnsucht nach mehr Naturverbundenheit, speziell im städtischen Raum. Urbane Gärten füllen diese Lücken, bieten sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten im Freien und können mittelfristig mit zur Sicherung der Versorgung beitragen. Wer gerne gärtnert und zu Blütezeiten von Allergien geplagt wird, findet mit Apps wie der Husteblume Allergie App der TK Informationen und Hilfe. Generell gilt, in einer Zeit, wo Grünflächen in der Großstadt rar werden, bieten mobile oder vertikale Gärten interessante Alternativen.
Dennoch sind es in Deutschland nur selten der wirtschaftliche Zwang, der die Leute zum Urban Gardening bringt. Es ist die Freude am gemeinschaftlichen Tun, ein Ausgleich zum stressigen Alltag vorm Computer oder die Möglichkeit, auch in Zeiten einer Pandemie soziale Kontakte zu knüpfen.
Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Zahl der Stadtgärten, in welcher Form auch immer, weiter zunehmen wird. Die Städte werden wieder grün und damit lebenswerter, die Betonwüsten haben ausgedient.
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