Im Jahr 2016 ist es genau 30 Jahre her, dass der Reaktor 4 im Kernkraftwerk Tschernobyl explodierte. Das Gebiet im Radius von 30 Kilometern um den havarierten Reaktor wurde für unbewohnbar erklärt, es entstand eine 2600 Quadratkilometer große Sperrzone. Landwirtschaftlich ist die riesige Fläche unbrauchbar, doch nun kommt eine andere Idee ins Spiel: Die Sperrzone soll zum Solarkraftwerk werden.
Den Plan gibt es schon länger, letzte Woche trat nun aber ein Dekret in Kraft, das die komplette Schutzzone in ein Biosphären-Reservat umwandelt. Er ermöglicht darüber hinaus den Bau von Wind- und Solaranlagen in der Region. Diese Maßnahmen lassen die Idee von Tschernobyl als dem Paradies der erneuerbaren Energie plötzlich in greifbare Nähe rücken.
Fläche und Leistung des Solarkraftwerks
Schon bis Ende diesen Jahres werden sollen Solarzellen mit einer Gesamtleistung von vier Megawatt installiert sein. Insgesamt soll die Solaranlage in der Sperrzone einmal eine Kapazität von bis zu vier Gigawatt haben. Tschernobyl hätte dann eines der größten Solarkraftwerke der Welt. Zum Vergleich: Das größte Solarkraftwerk in Deutschland (Senftenberg) produziert derzeit ungefähr 168 Megawatt.
Mit den 4 Gigawatt könnte die Ukraine ihr selbstgestecktes Ziel erreichen: Bis 2020 elf Prozent ihrer Energie aus erneuerbaren Energien gewinnen. Das Land hatte sogar schon einmal das leistungsfähigste Solarkraftwerk Europas – laut Greenpeace war das im Jahr 2011 der Perovo Solar Park auf der Halbinsel Krim.
Auf 6000 Hektar ungenutztem Land in Tschernobyl soll neben Sonnenenergie auch Biogas produziert werden. Hochspannungsleitungen sind auf dem Gebiet noch vorhanden, das spart schon mal deren Anschaffung. Die geschätzten Kosten der Solaranlage liegen allerdings immer noch bei 1,5 bis 1,8 Milliarden Dollar.
Tschernobyl: Wer übernimmt die Finanzierung?
Das Ausland zeigt bereits starkes Interesse an dem Projekt. Berichten zufolge sind zwei amerikanische und vier kanadische Investment- und Energieunternehmen mit dem ukrainischen Umweltministerium Ostap Semerak im Gespräch. China könnte ebenfalls bereits sein, in den Bau eines Sonnenkraftwerks in Tschernobyl zu investieren.
Auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung soll sich eine Partnerschaft vorstellen können, hieß es bei der Wirtschafts-Nachrichtenseite Bloomberg – aber nur, wenn die Investitionen sicher sind und es keine Bedenken hinsichtlich möglicher Umweltprobleme gibt.
Und wer soll da arbeiten?
Wie gefährlich ist das für die Menschen, die dort arbeiten müssen? Von Seiten des ukrainischen Umweltminister Semerak heißt es nur, die Strahlung sei seit 1986 um das Zehntausendfache zurückgegangen und die Leute vor Ort hätten eine gute Ausbildung – die Frage ist nur, ob ihre Schutzanzüge auch so gut sind. Er sieht das Territorium um die Sperrzone als Entwicklungs- statt Katastrophenzone – oder möchte sie zumindest so sehen.
Die Bauarbeiten am Reaktor dauern indes noch an. Erst im November soll der neue Sarkophag über dem AKW fertig werden; er soll verhindern, dass noch mehr Strahlung aus dem AKW austritt. Bis zu 10 000 Menschen arbeiten bis heute daran, die Folgen zu beseitigen und die Anlage zu überwachen. Diese Menschen leben teilweise im benachbarten Slawutytsch, teilweise direkt in Tschernobyl. Offiziell ist es den Arbeitern erlaubt, maximal 15 Tage am Stück in der Sperrzone zu bleiben. Die Frage ist nur, ob man sich daran wirklich hält.
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