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Von Aggression bis Depression: Wie die Klimakrise unsere mentale Gesundheit beeinflusst

Auswirkungen der Klimakrise auf unsere mentale Gesundheit
Foto: CC0/Pixabay/PIRO4D ; CC0/Pexels/Mart Productions (Symbolbild)

Klimaangst, Solastalgie, Eco distress: Es gibt bereits zahlreiche Begriffe für die Auswirkungen der Klimakrise auf unsere mentale Gesundheit. Jedoch gefährdet nicht nur das Wissen um die Krise allein unsere Psyche. Welche Faktoren noch eine Rolle spielen und wie man sich davor schützen kann.

Zukunftsangst, Hitze, Zerstörung unseres Lebensraums: All diese Faktoren beeinflussen unsere psychische Gesundheit schon jetzt enorm. Durch die Klimakrise steigt die Zahl der psychischen Erkrankungen und auch Gewalt und Aggression nehmen zu – das zeigt ein Bericht der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sehr deutlich. Dabei beeinflusst die Klimakrise unsere mentale Gesundheit auf ganz verschiedene Arten.

Wie der Klimawandel die Psyche beeinflusst: direkt und indirekt

Der Bericht der DGPPN nennt folgende Faktoren, die direkte Auswirkungen auf die Psyche haben:

  • Hitze
  • Naturkatastrophen
  • Zukunftsangst

Folgende Punkte hätten zudem indirekte Auswirkungen:

  • Klimaflucht und Migration
  • Nahrungsmittelunsicherheit

Bei den direkten Auswirkungen auf die Psyche spielen vor allem Hitze und Naturkatastrophen eine erhebliche Rolle. Denn: Je heißer es wird, desto aggressiver und feindseliger werden wir im Umgang mit Anderen – das folgerte auch das Robert Koch Institut (RKI) aus einer Analyse internationaler Studien zu diesem Thema. Das führe außerdem dazu, dass die Anzahl von Gewalttaten wie Körperverletzung, Mord, Diebstählen oder Vergewaltigung steige.

Die DGPPN warnt: Höhere Temperaturen bergen zusätzlich ein höheres Risiko für psychische Krankheiten. Mit jedem Grad Temperaturanstieg steige die Wahrscheinlichkeit einer mentalen Erkrankung um 0,9 Prozent. Das zeige sich im Anstieg von (Not-)Aufnahmen in psychiatrische Kliniken. Auch die Suizidrate sei dann deutlich höher.

Naturkatastrophen können zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen

Einen ebenso deutlichen Einfluss auf die mentale Gesundheit haben Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse. Brände, Stürme, Dürren oder Überschwemmungen erleben wir schon jetzt – in Zukunft werden sie allerdings noch häufiger. Das Erlebte kann bei den Betroffenen zu der Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung führen – das war laut DGPPN bei Naturkatastrophen in der jüngeren Vergangenheit bereits der Fall.

Forschende stellten etwa nach einer Flutkatastrophe in England fest, dass ein Jahr später 36,2 Prozent der betroffenen Menschen unter einer entsprechenden Belastungsstörung litten. Nach dem Hurricane Katrina in den USA 2005 zeigte sich ein ähnliches Bild: Dort wurde bei einem Drittel der Bevölkerung in der Region eine entsprechende Erkrankung festgestellt.

Auch generalisierte Ängste, Depressionen, erhöhte Suizidraten und vermehrter Alkohol- und Substanzgebrauch und -missbrauch sowie gehäufte häusliche Gewalt können laut DGPPN Folgen entsprechender Katastrophen sein. Das RKI betont allerdings: Ob Naturkatastrophen sich auf die mentale Gesundheit der Betroffenen auswirken, hänge mit verschiedenen Faktoren zusammen. Dazu zählen beispielsweise die Art, Dauer und Intensität der Katastrophe sowie die erfahrene Hilfe.

Klimaangst, Solastalgie und Eco distress

Für die Gefühle und Emotionen, die mit dem Realisieren um die Auswirkungen der Klimakrise einhergehen, gibt es bereits zahlreiche Begriffe: Klimaangst, eco distress oder Solastalgie sind ein paar davon.

Eco distresss beschreibt Emotionen wie Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Schuldgefühle, Wut, Sorgen, Angst und Panik, die auf die Klimakrise zurückzuführen sind. Solastalgie ist die Angst vor dem Verlust des gewohnten Lebensraums und Klimaangst die Sorge vor zukünftiger Veränderung und Zerstörung durch die Erderwärmung.

Diese Sorgen sind längst keine Seltenheit mehr: Im Rahmen einer Umfrage gaben 71 Prozent von 573 befragten Psychotherapeuten an, dass Patient:innen ihnen gegenüber Klimasorgen äußerten. Die Ergebnisse der Befragung erschienen im April 2024 im Fachmagazin BMC.

Auch indirekt kann uns die Erderwärmung beeinflussen – beispielsweise durch unsere Ernährung. Kommt es zu Dürren oder überfluteten Feldern, kann das zu Nahrungsmittelknappheit und infolgedessen zu Mangelernährung führen. Besonders Frauen, ältere Menschen und Kinder liefen laut der DGPPN dann Gefahr, Depressionen oder ADHS zu entwickeln. Müssen Betroffene aufgrund von Naturkatastrophen fliehen, könne dies sowohl zu ökonomischen, als auch persönlichen Verlusten wie beispielsweise dem Verlust der eigenen Identität oder zu Angststörungen führen.

Bekämpfung der Klimakrise

Die Klimakrise birgt zahlreiche Risiken für die mentale Gesundheit – als besonders vulnerabel sehen Forschende Frauen, Kinder und ältere Menschen. Aber was kann man tun, um die eigene Psyche zu schützen?

Um die Auswirkungen von Faktoren wie Hitze, Naturkatastrophen oder Nahrungsmangel zu verringern, hilft vor allem die Bekämpfung der Klimakrise. Im Pariser Abkommen haben sich zahlreiche Staaten der Welt darauf geeinigt, dass eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter dafür sinnvoll ist. Denn schon bei einer Erwärmung um zwei Grad drohen laut einem Sonderbericht des Weltklimarats IPCC drastischere Folgen für die menschliche Gesundheit und in den Bereichen Artensterben, Extremwetter und Anstieg der Meeresspiegel. Ob das Ziel eingehalten werden kann, ist jedoch unklar – dabei sind politische Maßnahmen für die Begrenzung der Erderwärmung unverzichtbar.

Klimaangst ist angemessene Reaktion auf die Krise

Dass viele Menschen deshalb Angstgefühle und Sorge im Bezug auf die Klimakrise verspüren, hält auch Psychologin Anika Heck von den Psychologists for Future für völlig normal: „Tatsächlich ist Klimaangst aus psychologischer Sicht eine ganz natürliche und angemessene Reaktion darauf, wenn man sich mit der Klimakrise auseinandersetzt.“ Bei Klimaangst handelt es sich also nicht um eine psychische Erkrankung. Um sich weniger machtlos zu fühlen, kann es jedoch helfen, selbst aktiv zu werden.

„Welche Herangehensweise hilft, hängt stark von der einzelnen Person ab. Wenn jemand gut auf Selbstwirksamkeit anspricht und Selbstvertrauen hat, kann Aktivismus eher helfen. Wenn man eher ängstlich ist, helfen Supportgruppen oder auch Psychotherapie mehr“, sagte Psychotherapiewissenschafter Paolo Raile im Gespräch mit dem Standard. Seine Ängste mit anderen Menschen zu teilen, die diese kennen oder zumindest verstehen, sei dabei besonders wichtig.

Aktivismus könne in diesem Zusammenhang dazu führen, dass man eine Art Selbstermächtigung und Empowerment erfährt, statt sich hilflos zu fühlen, sagte Psychologin Lea Dohm gegenüber dem rbb. Dohm ist Mitgründerin der Psychologists for Future, die sich mit mentaler Gesundheit im Zusammenhang mit der Klimakrise beschäftigen. „Die psychologische Forschung weist ganz deutlich darauf hin, dass das Erleben von Selbstwirksamkeit und das Wahrnehmen von wirksamen Handlungsmöglichkeiten Gegengift gegen diese unangenehmen Gefühle ist“, betonte die Psychologin.

Hinweis: Wenn du dich psychisch belastet fühlst oder depressive Gedanken hast, kannst du bei der Telefonseelsorge Hilfe finden: Unter der Telefonnummer: 0800/1110111 oder 0800/1110222. Alternativ gibt es das Chat-Angebot unter online.telefonseelsorge.de 

Verwendete Quellen: DGPPN, RKI, BMC, Der Standard, rbb, IPCC

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