Mikroplastik in unserem Gehirn – und jetzt auch in unseren Pflanzen? Forschende warnen vor neuen Risiken für Gesundheit und Umwelt.
Mikroplastik bezeichnet winzige Kunststoffpartikel mit einer Größe zwischen 1 Mikrometer und 5 Millimetern, die in der Umwelt weit verbreitet sind. Je nach Definition zählen auch gelförmige, wachsförmige oder flüssige Polymere dazu. Noch kleinere Teilchen werden als Nanoplastik bezeichnet. Diese Partikel entstehen entweder durch den Zerfall größerer Plastikobjekte (sekundäres Mikroplastik) oder werden gezielt für Produkte wie Kosmetika hergestellt (primäres Mikroplastik).
Über Verbreitung und Risiken ist wenig bekannt, doch viele Studien sind dabei, das zu ändern. Die Ergebnisse sind oft noch mit Unsicherheit behaftet – trotzdem können sie Erkenntnisse liefern oder auf wichtige Probleme hindeuten.
Die neusten Ergebnisse findest du hier:
- Mikroplastik behindert Photosynthese
- Mehr Mikroplastik in menschlichem Gehirn
- Mikroplastik beeinträchtigt Mäusegehirne
- Was wir sicher wissen
Neuste Erkenntnisse: Mikroplastik soll Photosynthese in Pflanzen behindern
Mikroplastik kann eventuell die Fähigkeit von Pflanzen zur Photosynthese erheblich verringern. Das zeigt eine neue Studie, die im März in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences USA“ (PNAS) veröffentlicht wurde. Die Forschenden fanden heraus, dass Mikroplastik die Photosyntheseleistung verschiedener Pflanzenarten um 7 bis 12 Prozent senken kann. Besonders betroffen sind wichtige Nutzpflanzen wie Mais, Reis und Weizen, aber auch Algen im Meer und in Süßwasser.
Die Metastudie hat 157 empirische Studien aus den letzten zwei Dekaden ausgewertet und erklärt den Effekt wie folgt: Mikroplastik-Partikel würden Chlorophyllgehalt in Pflanzen verringern, welche das Pigment aber für Photosyntheseprozesse benötigen.
Das könnte schwerwiegende Folgen haben: Landwirte könnten in den nächsten 25 Jahren mit Ernteverlusten von 4 bis 13,5 Prozent rechnen. Auch die Fischerei wäre betroffen, da Mikroplastik das Wachstum von Algen hemmt, die die Basis vieler Nahrungsketten bilden. Zudem könnte der Klimawandel dadurch verstärkt werden. Pflanzen speichern normalerweise Kohlendioxid aus der Luft, doch wenn sie weniger Photosynthese betreiben, bleibt mehr CO₂ in der Atmosphäre.
Die Studienergebnisse alarmieren – es gibt jedoch auch Kritik an der Studie. Elke Brandes vom Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig zweifelt die Ergebnisse an. “Es gibt in diesem Forschungsfeld einfach noch zu wenig Wissen und Daten, um eine Metaanalyse, wie sie hier durchgeführt wurde, zu rechtfertigen”, wird sie von mehreren Medien zitiert. Die Behauptung, dass Mikroplastik in Ackerböden aktuell zu erheblichen Ertragseinbußen führt, entbehre einer ausreichenden wissenschaftlichen Grundlage.
Februar 2025: Mehr Mikroplastik im menschlichen Gehirn gefunden
Ein US-amerikanisches Forschungsteam hat in Leber und Gehirn verstorbener Menschen, die 2024 untersucht wurden, deutlich mehr Nano- und Mikroplastik gefunden als in Proben von 2016. Besonders hoch war die Belastung im Gehirn – bis zu 30-mal höher als in Leber oder Niere, berichtet die Gruppe um Matthew Campen von der University of New Mexico im Fachjournal „Nature Medicine“. Ihre Studie wurde im Februar veröffentlicht – Utopia berichtete.
Mit einer chemischen Analyse bestimmte das Team auch die Zusammensetzung des Plastiks. Am häufigsten fanden sie Polyethylen, das für Folien und Flaschen verwendet wird. Es machte 40 bis 65 Prozent des Kunststoffs in Leber und Niere aus, im Gehirn sogar 75 Prozent.
Besonders hoch war die Belastung bei zwölf Gehirnproben aus den Jahren 2019 bis 2024 von Menschen mit einer nachgewiesenen Demenzerkrankung: Sie enthielten zwischen 12.000 und 48.000 Mikrogramm Plastik pro Gramm Gewebe. Die Forschungsgruppe betont aber, dass ihre Studie keine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung nachweist: „Diese Daten sind assoziativ und belegen nicht die kausale Rolle solcher Partikel bei der gesundheitlichen Beeinträchtigung.“
Einige Unterschiede in den Gehirnproben könnten ferner auf geografische Unterschiede zurückzuführen sein, da die Proben zum einen in New Mexico und zum anderen an der Ostküste der USA entnommen wurden.
Januar 2025: Neurologische Probleme bei Mäuse-Gehirnen
Im Januar hat eine Gruppe um Haipeng Huang von der Chinese Research Academy of Environmental Sciences in Peking Forschungsergebnisse präsentiert, nach denen Mikroplastik möglicherweise Blutgefäße im Gehirn von Mäusen verstopfen kann. Die betroffenen Mäuse bewegten sich weniger, könnten sich schlechter orientieren und seien weniger ausdauernd, hieß es in der Studie. Die Ergebnisse seien jedoch wegen Unterschieden im Gehirnaufbau nicht ohne Weiteres von der Maus auf den Menschen übertragbar, schrieben die Studienautoren in der Fachzeitschrift „Science Advances“.
Was wir wissen: Wie gefährlich ist Mikroplastik für Mensch und Umwelt?
Der Mensch kann laut Bundesinstutut für Risikobewertung (BfR) über verschiedene Wege mit Mikroplastik in Kontakt kommen, darunter die Atemluft, Lebensmittel, Kosmetik und das Trinkwasser. Laut dem Amt gibt es bisher keine gesicherten Erkenntnisse zur Wirkung von Mikroplastik auf den Menschen. Dennoch bleibt das Thema relevant, da Kunststoff in der Umwelt kaum abgebaut wird und sich weiter anreichert. Die Forschung steht bei vielen Fragen noch am Anfang.
Das BfR verweist auf Studien, welche zeigen, dass größere Partikel meist unverdaut ausgeschieden werden. Sehr kleine Partikel könnten allerdings in den Blutkreislauf gelangen. Ob diese langfristig negative Auswirkungen haben, sei noch unklar. Zudem könne Mikroplastik Schadstoffe aus der Umwelt an sich binden, doch eine Modellrechnung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) lege nahe, dass der Beitrag zur Gesamtbelastung des Menschen gering ist. Derzeit liefen auch Langzeitstudien, um Risiken der Mikroplastik-Aufnahme über die Luft besser einschätzen zu können.
Das Mikroplastik-Problem betrifft aber nicht nur Menschen. Die Stoffe gelangen zum Beispiel über das Abwasser oder Klärschlamm in die Umwelt. Auch im Magen-Darm-Trakt von Tieren wurden die Kunststoffe schon nachgewiesen – auch hier sind die gesundheitlichen Auswirkungen weitgehend ungeklärt. Tiere nehmen Mikroplastik etwa über Nahrung oder Wasser auf, und damit oft diverse andere Schadstoffe. Besonders betroffen sind Meeresorganismen wie Muscheln und Fische.
Mit Material der dpa
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