Microsoft will das KI-Tool ChatGPT in seiner Suchmaschine Bing verwenden, um Konkurrent Google zu übertrumpfen. Der Energiebedarf beider Anbieter könnte sich durch KI-Technologie aber um ein Vielfaches erhöhen, sagen Experten.
ChatGPT ist in aller Munde. Der von der Firma Open AI entwickelte Chatbot nutzt Künstliche Intelligenz, um seinen Nutzer:innen innerhalb weniger Sekunden komplexe Antworten auf alle mögliche Fragen zu geben. Dabei wirkt es fast so, als säße ein fachkundiger Mensch am anderen Ende des Datenstroms. Google muss nun um sein langjähriges Quasi-Monopol auf dem Suchmaschinenmarkt zittern. Denn schon jetzt kommt ChatGPT bei ausgewählten Nutzer:innen in Microsofts Suchmaschine Bing zum Einsatz.
Was ist ChatGPT?
ChatGPT ist ein Chatbot, also eine textbasierte Anwendung, die in der Lage ist, mit Menschen auf natürlich wirkende Weise zu kommunizieren. Dass sich ChatGPT dabei von gewöhnlichen Chatbots abhebt, die etwa schon seit Jahren im Marketing oder Kundenservice von diversen Plattformen eingesetzt werden, liegt am Kürzel GPT. Das steht für Generative Pre-Trained Transformer und bezeichnet das Sprachmodell, das beim KI-Tool zur Anwendung kommt.
GPT, genauer gesagt GPT-3.5, wurde mit einer riesigen Menge an Daten gefüttert, etwa aus Online-Foren, Zeitungsartikeln, Büchern und sozialen Medien. Anschließend wurde es darauf trainiert, das nächste Wort eines Textausschnittes vorherzusagen. So erlangte das Tool eine Art sprachliches Verständnis, das in weiteren Schritten optimiert wurde, bis es in der Lage war, auf beliebige Fragen intelligent zu antworten. Wobei es hier allerdings noch zu reichlich Fehlern kommt und ChatGPT teils sogar vermeintliche Fakten erfindet, weshalb man sich Stand jetzt noch nicht allzu sehr auf die Korrektheit der Angaben verlassen sollte.
Aufgrund des Erfolgs von ChatGPT – das KI-Tool erreichte 100 Millionen Nutzer:innen nach nur zwei Monaten –, bringt Microsoft-Konkurrent Google schon seinen eigenen Chatbot namens Bard in Stellung. Der Einsatz von KI in Suchmaschinen wird jedoch einen hohen Energiebedarf fordern, wie mehrere Experten gegenüber dem Technikmagazin Wired äußerten.
ChatGPT & Co. benötigen enorme Rechenleistung
„Schon jetzt werden viele Ressourcen benötigt, um Internetinhalte zu durchsuchen und zu indexieren. Doch die Eingliederung von KI bedarf einer anderen Art von Feuerkraft“, erklärt Alan Woodward, Professor für Cybersicherheit an der Universität von Surrey, Großbritannien: „Jedes Mal, wenn wir einen plötzlichen Anstieg der Online-Datenverarbeitung haben, sehen wir auch einen signifikanten Anstieg des Energie- und Kühlbedarfs.“
Allein das Trainieren des Sprachmodells, auf dem ChatGPT basiert, habe laut einer Studie von Google und der Universität Berkeley etwa 550 Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e) ausgestoßen. Das entspricht ungefähr den gemeinsamen jährlichen Emissionen von 50 Deutschen – und das, bevor die Künstliche Intelligenz überhaupt zur Anwendung kam.
CO2-Äquivalent (CO2e) ist die Zahl, die angibt, wie sehr ein Gas in einem bestimmten Zeitraum im Vergleich zur gleichen Menge CO2 zur Erderwärmung beiträgt.
Bundesverband Geothermie
4- bis 5-facher Aufwand bei Suchanfragen
Martin Bouchard von QScale, einer Firma, die sich auf den Bau und Betrieb nachhaltiger Datenzentren spezialisiert hat, erwartet, dass bei der Integration von KI-Chatbot in Google und Bing „eine mindestens vier- bis fünffach so hohe Rechenleistung“ benötigt werden. Der Experte betont: „Aktuelle Datenzentren und die vorhandene Infrastruktur werden dafür nicht ausreichen.“
Nun ist es schwer abzuschätzen, wie viel CO2-Emissionen eine einzelne Suchanfrage verursacht. Studien zu dem Thema kommen auf sehr unterschiedliche Werte, meist liegen diese zwischen 0,1 und 10 Gramm CO2e pro Anfrage. Das sieht zunächst nach sehr wenig aus. Doch täglich werden mehrere Milliarden Suchanfragen bei Google getätigt (2019 lag der Wert bei 3,5 Milliarden), bei Bing sind es aktuell eine halbe Milliarde. Insgesamt sind das Hunderte Tonnen CO2e am Tag und einige Hunderttausendtonnen CO2e pro Jahr. Würde man diesen Wert vervielfachen, hätte das also wirklich einen beträchtlichen Effekt auf das Klima.
Informatiker Carlos Gómez-Rodríguez von der Universität Coruña in Spanien kommt zu dem Fazit: „Es ist definitiv nicht so schlimm wie der Mobilitätssektor oder die Textilindustrie, aber [Künstliche Intelligenz] kann erheblich zu den Emissionen beitragen.“
KI bietet auch Chancen für die Umwelt
Künstliche Intelligenz ist aber nicht per se schlecht für die Umwelt. Sie kann auch genutzt werden, um etwa Recycling-Quoten zu verbessern, die Populationen bedrohter Tierarten zu erfassen oder Prozesse zu optimieren, um sie so ressourcenschonender zu gestalten. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) kommt sogar zum Schluss, dass Künstliche Intelligenz ein enormes Potenzial als Treiber und Unterstützer der globalen Energiewende hat.
Als Gesellschaft sollten wir die Vor- und Nachteile Künstlicher Intelligenz also gründlich abwägen und dann entscheiden, in welchen Bereichen sie uns wirklich weiterhilft und wo sie bestehende Probleme sogar verschlimmern könnte.
Speziell im Fall der Suchmaschinen lässt sich durchaus hinterfragen, ob der Mehrwert von ChatGPT und Co. die höheren Emissionen rechtfertigt. Zumal Chatbots als Informationsquelle zumindest nach aktuellem Stand sehr fragwürdig sind und dazu beitragen könnten, gefährliche Falschinformationen zu verbreiten. Spätestens wenn Google seinen KI-Bot Bard für alle Nutzer:innen bereit stellt, kommt kaum jemand um folgende Frage herum: Den KI-Helfer nutzen oder doch lieber auf eine alternative Suchmaschine ohne Chatbot umsteigen?
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